Sprich uns an!

Memorywand

Argumentationshilfen gegen Vorurteile

Auf der Familienfeier, beim Elternabend oder irgendwo im öffentlichen Raum: Überall begegnen uns Personen, die bewusst oder unbewusst rassistische Aussagen tätigen. Oft sind diese gar nicht böse gemeint. Trotzdem sind sie meist verletzend – oder sogar gefährlich. Doch darauf angemessen zu reagieren, ist oft gar nicht so leicht. Daher hat das Netzwerk für Geflüchtete eine kleine Hilfestellung entwickelt, die seit einigen Monaten nun auch im Infomobil der Kolping Roadshow zu finden ist.

Bereits in der vergangenen Beilage gab es eine kurze Vorstellung der neuen „Memorywand“. Magnetschilder zeigen hier Überbegriffe, die bestimmte Formen rassistischer Bilder oder Vorurteile genauer beschreiben. So finden sich dort zum Beispiel Überbegriffe wie „rassistische Witze“, „Verallgemeinerung“ oder „ABER-Aussagen“. Denn so etwas wie den Halbsatz „Ich bin ja nicht rassistisch, aber…“, haben sicher alle schon einmal gehört. Passend zu den jeweiligen Magnetschildern finden sich dahinter Erklärungen, bestimmte Situationen oder kurze Sätze und Antwortstrategien, die beispielhaft aufzeigen sollen, wie man solchen Aussagen begegnen kann.

Doch wie entstehen Vorurteile eigentlich? Wer einen Blick zurückwirft, stellt fest, dass sie einen letztlich erklärbaren Ursprung haben. Denn Vorurteile erlauben es, die eigene Umwelt durch Kategorisierungen übersichtlicher zu gestalten. Die ganzen Informationen, die den Tag über auf uns einströmen, können so gebündelt und häppchenweise verpackt werden. Wir haben schließlich kaum Zeit, jeden einzelnen Aspekt, der uns begegnet, genau kennenzulernen und zu analysieren. Daher packen wir alles, was wir neu sehen und erfahren in verschiedene Schubladen. Das ist vor allem auch wichtig für Risikoabwägungen oder den Schutz vor Gefahren.

Begegnet uns zum Beispiel ein freilaufender Hund, sind wir vielleicht erst einmal vorsichtig, anstatt direkt auf ihn zuzugehen. Das bedeutet nicht, dass alle Hunde gefährlich sind oder dass wir selbst schon einmal eine schlechte Erfahrung gemacht haben. Wir lernen aber auch aus Erfahrungen anderer und stehen daher potenziell gefährlichen Situationen erst einmal skeptisch gegenüber. Auch wenn sie sich am Ende als vollkommen harmlos erweisen.Schwierig wird es allerdings, wenn wir Vorurteile auf ganze Gruppen von Menschen übertragen. Vor allem, wenn diese Vorurteile beispielsweise Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe, einem bestimmten Aussehen oder einer bestimmten Religion kollektiv abwerten. Negative Erfahrungen, die man selbst gemacht oder auch nur von anderen Personen gehört hat, werden dann schnell auf eine ganze Gruppe von Menschen übertragen und können sehr verletzend sein. Sie können dann besonders gefährlich werden, wenn sie in einem großen Maßstab verbreitet werden, wie zum Beispiel über Zeitungen, Fernsehen oder das Internet. Werden Menschen mit unterschiedlicher Herkunft aufgrund dieser kollektiven Wahrnehmungen dann benachteiligt, spricht man von Diskriminierung oder auch strukturellem Rassismus.

Wenn Personen einer solchen Gruppe nun ständig negative Aussagen über sich selbst hören und Probleme im Alltag, bei der Job- oder Wohnungssuche bekommen, fällt es oft schwer, ein positives Bild von sich selbst zu behalten. Das kann dazu führen, dass Spannungen entstehen oder, dass sich Einzelne gar komplett von der Gesellschaft abwenden. Daher ist es wichtig auf rassistische Aussagen zu reagieren, auch wenn man nicht selbst von ihnen betroffen ist. Das gestaltet sich oft aber schwieriger als gedacht: Vielleicht, weil wir unser Gegenüber gar nicht so gut kennen, weil wir es besonders gerne mögen oder weil wir zum Beispiel in einem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen. Dieser Person wollen wir nämlich nur ungern vor den Kopf stoßen. Leider gibt es kein Patentrezept, denn jede Person und Situation ist anders. Welche Tipps es trotzdem zu beachten gibt, lest ihr unten.

Zum Einstieg ein paar Fragen, die Du Dir stellen solltest:

Wie gut kennst Du Dein Gegenüber?
Ist es eine Person aus Deiner Familie oder Deinem Bekanntenkreis? Ist es eine fremde Person im öffentlichen Raum?

Wer ist dabei?
Sind Betroffene dabei? Kannst Du andere Personen identifizieren, die Dich in Deinen Aussagen unterstützen könnten?

Wieviel Zeit hast Du?
Wie sind die zeitlichen Umstände der Situation? Sitzt Du mit Deinem Gegenüber gemütlich beim Abendessen zusammen oder sitzt Ihr Euch nur während einer kurzen Fahrt mit dem Bus oder der Straßenbahn gegenüber?

Was möchte Dein Gegenüber erreichen?
Möchte Dein Gegenüber einfach nur provozieren und gezielt andere Menschen verletzen? Oder nennt es Dir bestimmte Ängste oder Befürchtungen, die Du eventuell sogar mit einer kurzen Erklärung relativieren kannst?

Wie fühlst Du Dich?
Hast Du Kraft und Energie, ein solches Gespräch zu führen? Kannst Du dieses Gespräch führen, ohne um Deine eigene Sicherheit zu fürchten? Du solltest dabei daran denken, dass Menschen, die rassistischen Vorurteilen ausgesetzt sind, oft nicht die Chance haben, abzuwägen, ob sie diese Diskussionen führen möchten. Falls Du also irgendwie kannst, solltest Du auch einem unbequemen Gespräch nicht aus dem Weg gehen. Dennoch sollst Du Dich selbst natürlich auch nicht überfordern.

Wie geht es nun weiter?

Du sitzt im Bus und erlebst mit, wie eine Person rassistisch beleidigt wird. Suche Blickkontakt zur betroffenen Person und signalisiere ihr, dass sie nicht alleine ist! Gib ihr verbal oder non verbal zu verstehen, dass diese Aussagen für Dich nicht akzeptabel sind! Sag zum Beispiel etwas wie: „Wenn ich Dir/Ihnen irgendwie helfen kann, sag mir/sagen Sie mir Bescheid!“ Dies signalisiert nicht nur der betroffenen Person, dass Du für sie da bist, sondern auch der Person, die gerade mit rassistischen Beleidigungen um sich wirft, dass Du nicht ihrer Meinung bist. Stillschweigen zu bewahren, gibt den involvierten Personen oft das Gefühl, dass diese Meinungen geduldet oder sogar erwünscht sind.

Bewahre die Ruhe und versuche Gelassenheit auszustrahlen! Äußere Deine Antworten sachlich und höflich, aber bestimmt!

Wie meinst Du das? Woher hast Du denn diese Aussagen? Oft wollen Personen, die solche Aussagen treffen, nur provozieren. Sie rechnen meist nicht mit ernst gemeinten Rückfragen – und so nimmst Du ihnen schnell den Wind aus den Segeln.

Vielleicht äußert Dein Gegenüber unbegründete Ängste, das es aus Erzählungen oder aus den Medien übernommen hat. Überlege, ob Du ihm mit Zahlen und Fakten oder persönlichen Beispielen diese Angst nehmen kannst.

Du hast kaum Zeit, ein ernsthaftes Gespräch mit Deinem Gegenüber zu beginnen? Oder es will sich Deine Argumente gar nicht erst anhören? Sag Deine Meinung trotzdem! Benenne die Aussagen klar, indem zu zum Beispiel sagst: „Diese Aussagen sind rassistisch und daher dulde ich das nicht. Ich möchte so etwas nicht mehr hören.“ Ziehe Grenzen, indem Du Deinem Gegenüber zeigst, dass es mit seinen Provokationen bei Dir an der falschen Adresse ist! So signalisierst Du zugleich auch umstehenden Personen, dass Du diese Meinung nicht teilst. Vielleicht überlegt es sich Dein Gegenüber beim nächsten Mal anders und verzichtet dann auf Provokationen. Und womöglich motivierst Du wieder andere dazu, beim nächsten Mal ebenfalls aktiv zu werden und sich rassistischen Äußerungen entgegenzustellen.

Weiterüben? Klar!

In unserem Vorurteile-Memory, das auch im Infomobil zu finden ist, haben wir einige Konzepte/Überbegriffe benannt, kurz erklärt und beispielhaft Möglichkeiten aufgezeigt, wie man darauf reagieren kann. Stehst Du gerade davor? Dann teste Dein Wissen oder tausch Dich mit anderen Besuchenden über die verschiedenen Strategien aus.

Weitere Materialien und Infos findest Du auch hier:

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat auf ihrer Website umfassende Berichte, Erklärungen und Kurzvideos zum gesamten Themenkomplex.

Unter Stichpunkten wie Rassismus, Menschenfeindlichkeit, Flucht und Fluchtursachen, Migration, Teilhabe und vielem mehr findest Du Daten, Fakten und mehr:

https://www.bpb.de/politik/extremismus/rassismus/

https://www.fluter.de/umstrittene-woerter-und-namen

Alltagsrassismus in Deutschland

Strukturellem Rassismus entgegentreten​​​​​

Glossar

Migration, Flucht und Fluchtursachen
Migration – mit offenen Karten

KonterBUNT ist eine App, die spielerisch einen Zugang zum Thema Stammtischparolen bietet. In der App kannst Du aus verschiedenen Kontermöglichkeiten eine auswählen und erhältst auch eine Rückmeldung wie passend diese Reaktion in einer bestimmten Situation wäre, und was Du gegebenenfalls noch verbessern könntest.

www.konterbunt.de

Weitere Informationen

Die Amadeu-Antonio-Stiftung bietet Handreichungen, Erklärungen sowie konkrete Fakten und Argumente, mithilfe derer Du auf bestimmte Äußerungen reagieren kannst.

Das können Sie gegen Rassismus tun

Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile.

Flyer zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit