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Sind „gute Werke“ genug?

Gedanken zum Sonntagsevangelium von Rosalia Walter, geistliche Leiterin des Kolpingwerkes Deutschland.

Dieses Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen hat nichts mit ‚klug – dumm’ zu tun. Wo dieses Gegensatzpaar bei Matthäus vorkommt, geht es darum, ob jemand richtig (klug) oder falsch (töricht/dumm) handelt, wobei dieses Handeln für ihn jeweils gute oder fatale Folgen hat.

Dieses Gleichnis ist eine jener Geschichten, in denen Jesus das „Himmelreich“, das „Reich Gottes“ erklärt. Jede dieser Geschichten beginnt mit dem Satz: „Mit dem Himmelreich – oder mit dem Reich Gottes ist es wie …“

Jesus erzählt von einer Hochzeit. Zehn Jungfrauen machen sich mit ihren Lampen auf den Weg, dem Bräutigam entgegen zu gehen. Doch der Bräutigam bleibt aus - enttäuschend. Eben noch waren sie voller Erwartung, doch nun breitet sich allseits bleierne Müdigkeit aus. Alle Zehn werden schläfrig. Und alle Zehn schlafen ein.

Es ist wirklich merkwürdig, dass das so kommen kann. Wofür ich gerade noch gebrannt habe – es erscheint mir plötzlich sinnlos. Was ich eben noch unbedingt wollte – ich gebe es auf. Weil ich spüre: Ich bin so müde. Ich bin es müde. Ich kann und ich will es nicht mehr. Was bringt es noch?

Die zehn Jungfrauen – Menschen wie wir, die - wodurch auch immer - in die Krise kommen. Der Evangelist Matthäus hatte diese Geschichte ursprünglich Gemeinden erzählt, die mit der Wiederkunft Jesu gerechnet hatten. Seine Botschaft, nun dauerhaft in dieser Welt zu leben, ist schwer. Im Alltag mit immer wieder den gleichen Konflikten - ermüdend. Es ist die Frage, wie man damit umgeht. Hier sind sie alle eingeschlafen, die törichten und die klugen Jungfrauen. Alle.

Ja, es gibt im Leben diese ermüdenden Zeiten, wo nichts vorangeht. Wo es immer weiter in die Nacht hineingeht. Wo ich nur abwarten kann, was auf mich zukommt. Und mich nur klammern kann wie die Braut an das Versprechen ihres Bräutigams. Dass das Fest eben doch nicht abgeblasen sein wird.

Schon in der ersten Szene ist der Bräutigam, obwohl abwesend, die bewegende Kraft hinter den Ereignissen. Seinetwegen stehen die Jungfrauen bereit, sein Ausbleiben lässt sie müde werden und einschlafen. Mitten in der Nacht kündigt ein Schrei die Ankunft des Bräutigams an. Die Jungfrauen wachen auf und machen ihre Fackeln zurecht. Nun kommt der Unterschied.

In der Geschichte haben sich alle einmal auf diesen Augenblick eingestellt, aber dann reicht bei einigen der Vorrat nicht. Das Öl ist alle. Sie können den Bräutigam nicht mehr empfangen. Es wird deutlich, dass man das Öl braucht, man sollte in guten und wachen Zeiten Sorge dafür tragen, dass man es hat. Es gibt davon prinzipiell genug. Aber: Es lässt sich nicht mal so eben teilen. Es liegt in meiner Verantwortung, mein eigenes Öl zu haben. Ein anderer kann es mir nicht so einfach übertragen, wie die klugen, die bereiten Jungfrauen nicht einfach ihr ausreichendes Öl teilen können. Was könnte dieses Öl in unserem Leben bedeuten? Wovon sollten wir immer genug Vorrat haben, damit wir vorbereitet sind auf das Kommen des Bräutigams? Was ist der Stoff, der unsere Hoffnung und Sehnsucht weiter brennen lässt, auch wenn es länger dauert als gedacht? Was sollten wir haben, auch wenn wir schläfrig werden, wenn alles ermüdend und schwer ist.

Matthäus sagt nicht, was dem Öl entspricht. Viele Ausleger denken an gute Werke, das Tun des Willens Gottes, ein Leben nach den Weisungen Jesu oder Ähnliches. Diese Auslegung ist fragwürdig: Sind „gute Werke“ genug? Ist nicht der Glaube, der zu den Werken bewegt, das eigentlich entscheidende, so dass eher die Lampe für das Tun, das Öl aber für den Glauben steht? Oder was sind gute Werke ohne die Liebe zu Gott und zum Nächsten? Sind sie das Öl, das die Christen leuchten lässt?

Vielleicht kann uns der heilige Franz von Sales bei der Antwort auf diese Frage helfen. Er schrieb nämlich einmal in einem Brief folgenden Satz: „Leben ohne Liebe ist sehr viel schlimmer als der Tod.“ Das bedeutet: Das Öl, das die Lampen zum Brennen brauchen, war für Franz von Sales die Liebe, die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten, die Liebe zu sich selbst: „Die Liebe allein bestimmt den Wert unseres Tuns“. Und: „Die Liebe gibt den Dingen ihren Wert“.

Ohne Liebe ist es unmöglich, achtsam, wachsam und bereit zu sein, ohne Liebe ist es unmöglich, den Bräutigam zu empfangen und am Hochzeitsmahl, am „Himmelreich“ teilzunehmen. Ohne Liebe ist es unmöglich durch die Krisen unseres Lebens zu kommen. Ohne Liebe ist es unmöglich, Jesus nachzufolgen und ein christliches Leben zu führen. Ohne Liebe können wir nicht richtig (klug) handeln. Für Franz von Sales ist ein Leben ohne Liebe daher weit schlimmer als der Tod.

Genau diese Liebe in uns, für die anderen und für Gott, sollen wir achtsam bewahren und immer wieder auffüllen, damit wir bereit sind, wenn der Bräutigam kommt.

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Bild: Hans Benn auf pixabay