Vierter Advent und Heiligabend fallen auf einen Tag. Erwartung und Erfüllung, Advent und Weihnachten rücken zusammen. Wenigstens vom Gefühl her ist es doch so, dass Heiligabend mit den Geschenken und all dem, was in unseren Familien an Traditionen gewachsen ist, Weihnachten ausmacht. Die Weihnachtsfreude wird getrübt, wenn wir lesen müssen, dass in diesem Jahr wohl stark spürbar weniger Menschen als sonst die Gottesdienste besuchen werden. „Schuld daran“ sind wohl viele Faktoren: die Pandemie, der Missbrauchsskandal, persönliche Enttäuschungen und Verletzungen, das Empfinden, dass die Institution Kirche sich immer weiter vom wirklichen Leben entfernt, eher den Entwicklungen hinterherhinkt als Führung zu übernehmen oder wenigstens Orientierung zu geben. Und um die Weisungen, die dann kommen, schert sich schon lange kein Mensch mehr… - so scheint es.
Nehmen wir die Botschaft weg, die Weihnachten unverwechselbar ausmacht, dann bleiben neben der Feier mit lieben Menschen, die in sich einen hohen Wert hat, Tannengrün und Lametta, Glühwein und der Glitzer vielleicht noch die eine oder andere Weihnachtsschnulze übrig.
Da könnte es doch passen, dass Gott in einem Stall zur Welt kommt, in dem der Wind durch die Ritzen bläst, wo allerlei Mist herumliegt und der Duft, der den Raum erfüllt, eher das Gegenteil von Weihrauch ist. Dann kommen da Hirten zu Besuch, Menschen vom Rand der Gesellschaft zu Besuch kommen, Menschen, die wir heute in Flüchtlingscamps oder bettelnd in unseren Fußgängerzonen finden oder schlafend vor den Eingängen der Kaufhäuser - handverlesene Gäste bei einer Geburtstagsparty sehen anders aus. Und das mit dem Frieden auf Erden wird schnell zweifelhaft, wenn wir Nachrichten an uns heranlassen.
Hand aufs Herz: so sieht die Welt tatsächlich aus: da ist längst nicht alles Gold, was glänzt, das wissen wir. Und wir leiden, weil wir keine große Phantasie brauchen, um uns vorzustellen, dass das Gold prächtig glänzen könnte, wenn Regeln eingehalten würden, wenn Menschen nicht nur im kleinen Rahmen aufeinander achten und einander respektieren würden, wenn nach hehren Ankündigungen und Erklärungen nicht oft genug bedrückte Nachsätze und kleinlaute Entschuldigungen formuliert werden müssten.
Stall statt Palast, schwache Menschen statt unbesiegbare Superheld*innen. So sieht Weihnachten aus. Und über allem steht die Zusage des Engels Gabriel an Maria: „Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast Gnade bei Gott gefunden… Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Siehe, auch Elisabet, deine Verwandt, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich.“ (Lk 1, 30.35-37)
Maria lässt sich auf diese Botschaft ein. Das Unmögliche wird möglich, Gott wird Mensch. In dieser Welt, die so ist, wie sie ist, und noch lange nicht so, wie sie sein könnte.
Weihnachten ist ein guter Anlass, über all das nachzusinnen und dem lebendigen Gott, der uns Menschen bedingungslos liebt und uns diese Liebe im hilflosen Kind in der Krippe anbietet, einen Weg hinter die Fassade unserer Tadellosigkeit zu bereiten. Dann könnte er in all den Brüchen und Unvollkommenheiten unseres Daseins zur Welt kommen und uns mit seiner Liebe ermutigen, selbst immer mehr Mensch zu werden und andere mitzunehmen. Für Gott ist wirklich nichts unmöglich – für uns mehr als wir glauben:
Erwartung und Erfüllung rücken zusammen, wenn Gottes Liebe Hand und Fuß bekommt. Dann wird es Weihnachten.
Euch und Ihnen allen wünsche ich ein gesegnetes, frohes Weihnachtsfest!