Sie sind minimalistisch, nachhaltig, autonom und mobil: Häuser im Miniformat. Vom Trend des „Tiny House“ ließ sich auch das Kolping Schulwerk inspirieren: Mit einer Tiny-Church soll künftig „Kirche“ in die Lebenswirklichkeit der Menschen, vor allem der Kinder und Jugendlichen, kommen. Die Idee der „Geh-hin-Kirche“ kam auch beim Erzbistum Paderborn gut an. Das Schulwerk erhielt eine Förderung von 75 Prozent aus dem Topf „Innovative Projekte“. Das mobile „Obdach für die Seele“ nimmt peu à peu Gestalt an. In der Werkstatt von In Via St. Lioba in Paderborn wird seit Wochen an dem 8,10 Meter langen, 2,50 Meter breiten und 3,75 Meter hohen Gotteshaus auf Rädern gebaut. Jetzt wurde Richtfest in der Tiny-Church gefeiert, die sich mit ihrem Ansatz von bekannten Konzepten abhebt.
Die Tiny-Church soll in mehrfacher Hinsicht ein mobiler Ankerpunkt für pastorale Begegnungen und Projekte werden – und dabei nicht nur temporär zum Einsatz kommen. Ihren festen Standort wird die Tiny-Church auf dem Kolping Gutshof in Großeneder haben. Profitieren wird dort die pädagogische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen von der mobilen Kirche: als Ort für feste Rituale wie Morgenimpuls, Tagesmotivation und Tagesabschluss sowie als Rückzugsort für die Teilnehmenden der „Start-off“-Maßnahme. Als „Hofkapelle“ steht sie zudem Besuchergruppen offen – für Gottesdienste, als Ort der Stille und Einkehr oder als niedrigschwelliger Zugang zum Gebet. Anders als andere Tiny-Church-Konzepte habe Kolpings „Geh-hin-Kirche“ dadurch eine 100-prozentige Nutzung, erklärt Diözesanpräses Sebastian Schulz.
Mobiler Ankerpunkt für unterschiedliche pastorale Projekte
Zugleich ist die Tiny-Church ausleihbar. Da sie mobil ist, sind viele Einsatzmöglichkeiten außerhalb des Gutshofs denkbar. Bei Projektwochen können Schulen dort schulpastorale Projekte „andocken“, auch andere Einrichtungen des Kolping-Bildungswerkes und auch das Kolpingwerk können sie für Projekte nutzen. Das Ehrenamt kann Nutznießer der „Geh-hin-Kirche“ werden: im Rahmen von Jubiläen von Kolpingsfamilien und Bezirksverbänden und nachhaltigen Projekten des Kolpingwerkes oder der Kolpingjugend. Auch die Öffentlichkeit ist zu pastoralen Begegnungen eingeladen. Beispielsweise könnte Kirche bei Volksfesten „mittendrin“ präsent sein, um mit den Menschen niedrigschwellig ins (seelsorgliche) Gespräch zu kommen. Nicht zuletzt bietet sich das mobile „Obdach für die Seele“ für alle innovativen Projekte und Aktionen von Pastoralen Räumen im Erzbistum Paderborn an.
„Mit ihrem mobilen Einsatz soll für Menschen, vor allem für Kinder und Jugendliche, spürbar und erfahrbar werden, dass ,die Kirche‘ als Ort der Stille und der Gottesbegegnung zu ihnen und in ihre Lebenswirklichkeit kommt“, betont Schulwerk-Geschäftsführerin Eva Klare-Kurtenbach, die sich mit Diözesan-Geschäftsführer Wolfgang Gelhard und Sebastian Schulz beim Richtfest über die Fortschritte freute.
Zusammenarbeit mit inklusivem Berufsförderzentrum
Bei In Via St. Lioba Paderborn ist man „Feuer und Flamme“ für die Tiny-Church – nicht nur im handwerklichen, sondern auch im gesellschaftlichen Sinne. „Wir tun schon mit dem Bau Gutes, weil er eine sinnhafte Beschäftigung für unsere Mitarbeitenden schafft“, sagt Christoph Klausing, Geschäftsführer des Paderborner Berufsförderzentrums, das für Menschen mit und ohne Handicap berufliche Perspektiven bietet. Und dass man mit der Tiny-Church einen Raum für pastorale Projekte baut, freut den Geschäftsführer der christlichen Einrichtung umso mehr. Auch für die Handwerker sei die Tiny-Church ein besonderes Projekt: „Das ist kein Projekt von der Stange“, wie Christoph Klausing sagt. Weil das Team bereits ein Tiny House und ein Hausboot gebaut hat, weiß man, welche Herausforderungen der Bau mit sich bringt: das Optimum an Platz herausholen, die Stabilität gewährleisten und das Gewicht nicht aus den Augen verlieren.
Ins Auge fällt schon jetzt das raumprägende Herzstück der Tiny-Church in der begehbaren Baustelle: das Fenster in der Apsis. Die Planung zur konkreten Innenraumgestaltung wird noch folgen. Schon jetzt ist aber klar, dass die mobile Kirche sehr schlicht ausgestattet sein wird – ganz im Sinne des Tiny-House-Gedankens. Es entsteht ein Raum, der zum Gebet, zur Stille und zur friedvollen Einkehr einlädt – mit der Ausrichtung auf eine Friedenskirche. „Die Friedenskapelle gewinnt leider zunehmend Woche um Woche an Aktualität und Notwendigkeit“, unterstreicht Gelhard. Angedacht ist, den Friedenssuchenden die Möglichkeit zu bieten, über einen Bildschirm virtuell Kerzen für ihre Anliegen zu entzünden. Zudem soll durch LED-Farbbeleuchtung und eingespielte Musik eine stimmungsvolle Atmosphäre geschaffen werden. Ein Ort, an dem die Menschen in der Gestaltung und Einrichtung ihre Bedürfnisse widergespiegelt finden.
Foto: Jana Sudhoff