Das Evangelium des Dritten Fastensonntags lenkt unseren Blick auf das „lebendige Wasser“, das Jesus geben wird. Im Gespräch mit der samaritanischen Frau, von der Jesus einen Schluck Wasser erbeten hatte, obwohl er wusste, dass Juden und Samaritaner keinen Kontakt miteinander haben, sagt er:
„Das normale Wasser kommt aus einem Brunnen in der Erde.
Wer normales Wasser trinkt, bekommt immer wieder Durst.
Ich gebe dir lebendiges Wasser.
Wer lebendiges Wasser trinkt, bekommt keinen Durst mehr.
Das lebendige Wasser wird selber ein Brunnen.
Das lebendige Wasser wird ein Brunnen in deinem Herzen.
Das lebendige Wasser schenkt richtiges Leben.
Das richtige Leben kommt von Gott.“
So bringt das Evangelium in einfacher Sprache die Botschaft Jesu ins Wort. Wasser ist Leben, und der Durst nach Leben steckt in jedem Menschen, genau wie der Durst nach Wasser. Das Wasser ist ein Gut, das allen Lebewesen gleichermaßen zusteht. Keiner kann es für sich allein beanspruchen.
Wo es um das Leben in seinen Grundbedürfnissen geht, fallen Grenzen, die von Menschen gesetzt sind. Da wird das „nackte“ Leben zum wahren Leben, wo sich der Mensch als Mensch bewährt. Das Evangelium von der samaritanischen Frau macht das im Gespräch mit Jesus eindrücklich deutlich.
In der Gegenwart Jesu tritt jede Regelung in den Hintergrund. Das gilt vor allem für die Regeln, die Menschen voneinander trennen. Mit keinem Wort bewertet Jesus die Beziehungsgeschichte(n) der Frau, mit der er spricht – das scheint im Moment der Begegnung keine Rolle zu spielen, denn es geht nicht um Schwachheit und Versagen, sondern um das Leben in Fülle und um die Quelle, aus der dieses Wasser immerzu sprudelt.
Das beschreibt Adolph Kolping einmal, indem er die Familie mit einem solchen Quell vergleicht: „Je mehr Wasser man schöpft, um so reicher der Quell nachströmt.“ Was für die Familie im Kleinen gilt, gilt auch für die Weltfamilie im Großen.
Papst Franziskus hat es in seiner Enzyklika LAUDATO SI unmissverständlich ausgedrückt:
„30. Während die Qualität des verfügbaren Wassers ständig schlechter wird, nimmt an einigen Orten die Tendenz zu, diese knappe Ressource zu privatisieren; so wird sie in Ware verwandelt und den Gesetzen des Marktes unterworfen. In Wirklichkeit ist der Zugang zu sicherem Trinkwasser ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht, weil es für das Überleben der Menschen ausschlaggebend und daher die Bedingung für die Ausübung der anderen Menschenrechte ist. Diese Welt lädt eine schwere soziale Schuld gegenüber den Armen auf sich, die keinen Zugang zum Trinkwasser haben, denn das bedeutet, ihnen das Recht auf Leben zu verweigern, das in ihrer unveräußerlichen Würde verankert ist.“
Im Blick auf das Wasser des Lebens, das keine Grenze verträgt, die seinen Fluss behindert, wird das Evangelium zum Impuls, die Zuwendung und die Nähe Gottes neu zu bedenken, die uns im Bild vom Wasser des Lebens geschenkt wird. Tatsächlich werden da, wo Nächstenliebe aufrichtig gelebt und praktiziert wird, menschengemachte Grenzen überflüssig.
Nehmen wir in den Blick, dass die Sonntage vor Ostern in der frühen Kirche der Vorbereitung von erwachsenen Taufbewerber*innen auf den Empfang der Taufe dienten. Die Taufe hat im fließenden Wasser ihren zeichenhaften Ausdruck, aber erst im gelebten Leben zeigt sie ihre Wirkung.
Das Heiligtum Gottes liegt im Herzen des Menschen. Dort fließt das Wasser des Lebens und nährt den Glauben, der im gelebten Leben konkret wird und sich in Taten der Liebe äußert.
Wenn wir die Österliche Bußzeit als eine Zeit der Vergewisserung und Erneuerung unseres Taufversprechens nutzen, dann ist das Evangelium vom Wasser des Lebens ein guter Impuls, uns auf den Weg zur inneren Quelle in unserem Herzen zu machen. Hier hat Gott sein Heiligtum, da fließt das Wasser des Lebens. An uns ist es, darauf zu schauen, dass das, was wir im Innersten glauben, sich auch tatsächlich in unserem Leben äußert.
Adolph Kolping sagt es in der Sprache seiner Zeit so: „Die Lösung der sozialen Frage, soweit sie überhaupt auf dieser Welt gelöst werden kann, hat als erste, notwendigste Voraussetzung das Bekenntnis und die Pflege der Religion, das heißt für uns des Christentums; und da bleibt eben … für uns nichts übrig, als unsern alten, guten, katholischen Christenglauben zum Ausgangspunkte, zum Fundamente oder auch als Quelle für unser soziales Wirken gelten zu lassen und unbeirrt durch alles Geschrei von der Gegenseite dabei zu beharren.“
Damit ist nichts über Unbeweglichkeit gesagt und schon gar nicht über Abgrenzung von anderen – vielmehr soll zum Ausdruck kommen, dass das soziale Leben aus dem Geist Jesu Christi heraus menschenfreundlich ist, sich stark macht für die Bewahrung der Schöpfung, müht, sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzt und teilt, was uns zum Leben geschenkt wird. Schauen wir noch einmal auf Adolph Kolping: „Diejenigen, welche an Gott glauben, müssen dadurch auch an die Menschen glauben, und welche das Christentum lebendig glauben, müssen in seinem Geiste schaffen.“ Lebendiges Wasser schenkt lebendigen Glauben. Lebendiger Glaube äußert sich in Taten, die die grenzenlose Liebe Gottes bezeugen.
Foto: Jimmy Chang/Unsplash
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