Sprich uns an!
News

"Flucht trennt. Hilfe verbindet."

Unter diesem Motto hat das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat die bundesweite Weihnachtsaktion der katholischen Kirche 2023 in Erfurt eröffnet. 

Mit einem feierlichen Gottesdienst im Dom zu Erfurt ist die bundesweite Adveniat Weihnachtsaktion der katholischen Kirche von Kardinal Álvaro Ramazzini, Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr, Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck und Erfurts Weihbischof Reinhard Hauke (von rechts nach links) eröffnet worden.

„Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Egoismus und ethnische Auseinandersetzungen sind heutzutage eine der größten Sünden.“ Das hat Kardinal Álvaro Ramazzini aus Guatemala in seiner Predigt im Erfurter Dom zur Eröffnung der Adveniat-Weihnachtsaktion gesagt. „Wenn ich kein Kardinal oder Bischof wäre, würde man mich dann mit der gleichen Sympathie und Herzlichkeit behandeln, wie ich sie bisher erfahren habe?“, fragte er provokant die Besucherinnen und Besucher des feierlichen Gottesdienstes, mit dem die bundesweite Weihnachtsaktion der katholischen Kirche am 1. Adventssonntag, 3. Dezember 2023, um 11 Uhr im Hohen Dom zu Erfurt gestartet ist.

Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr rief die Menschen in Deutschland und Europa trotz der aktuell großen Herausforderungen dazu auf, die Fluchtbewegungen weltweit und insbesondere in Lateinamerika nicht zu vergessen. „Weltweit sind über 108 Millionen Menschen auf der Flucht. So viele wie noch nie zuvor in der Geschichte. Einer von fünf Geflüchteten kommt aus Lateinamerika.“ Deshalb hat das Lateinamerika-Hilfswerk das Motto „Flucht trennt. Hilfe verbindet.“ gewählt.

Für Kardinal Ramazzini, der sich seit Jahrzehnten in Guatemala für Geflüchtete einsetzt, zeigt sich bei diesem Thema entscheidend die christliche Haltung und die christliche Glaubenspraxis. „Würden Sie einem Menschen aus Haiti oder Venezuela, Kuba oder aus einem afrikanischen Land, der Sie um Unterkunft und Essen bittet, die Tür zu Ihrem Haus öffnen?“ Er stelle diese Frage, weil es häufig schwerfalle, das Wesentliche vom Unwesentlichen in der Glaubenspraxis zu unterscheiden. Es gehe um Achtsamkeit und Wachsamkeit gerade auch für den Nächsten, der Hilfe braucht.

Adveniat zeige als christliches Hilfswerk den Christinnen und Christen in Deutschland die Menschen, die verwundet sind, die auf der Straße liegen und Hilfe und Liebe brauchten. Gleichzeitig schaffe Adveniat mit der Weihnachtsaktion – auch finanziell – eine Verbindung sowie ein tiefes und lebendiges Gefühl der geistlichen Geschwisterlichkeit zwischen der deutschen Gesellschaft und den Menschen in Lateinamerika und der Karibik. „Aus Lateinamerika, tausend Dank für diesen Ausdruck wahrer christlicher Nächstenliebe, die einen Namen hat: Adveniat“, so Kardinal Ramazzini.

Bis zur Weihnachtskollekte in den Weihnachtsgottesdiensten am 24. und 25. Dezember bundesweit werden Projektpartnerinnen und Projektpartner des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat in Deutschland unterwegs sein. Eine von ihnen ist Maria Lourdes Álvarez von der Flüchtlingshilfe des Bistums Apartadó in Kolumbien. Die Psychologin arbeitet mit und für die Migrantinnen und Migranten auf einer der meist frequentierten und gleichzeitig gefährlichsten Fluchtrouten der Welt, dem sogenannten Darién-Gap. „Armut, Gewalt und Perspektivlosigkeit zwingen Menschen aus Venezuela, Ecuador, Kuba, Haiti und anderen Ländern sich auf einen lebensgefährlichen 100 Kilometer langen Weg durch den Dschungel nach Panama zu begeben.“ Und das, obwohl sie zahlreichen Risiken ausgesetzt: Vergewaltigungen, Raubüberfällen, Diebstählen, Menschenhandel und Verschleppung durch die Verbrecherbanden.

Eines Tages – so Maria Lourdes Álvarez in der Einführung zum Gottesdienst – begegnete sie einer Familie mit einem acht Monate alten Baby, die um Essen bettelte. Das Kind habe immer diesen Teddybären in der Hand gehalten, ohne den es nicht schlafen konnte, wie der Vater sagte. „Und dennoch – für etwas Essen wollte die Familie auch diesen Teddybären verschenken“, berichtete Álvarez. Die Familie sei nicht davon abzubringen gewesen, bedrängte sie aus Dankbarkeit und um einen letzten Rest an Würde zu wahren, den Teddy anzunehmen. Eindringlich stellte Maria Lourdes Álvarez zusammenfassend fest: „Wie groß muss die Not dieser Familie gewesen sein! Wie groß die Sehnsucht nach Überleben, nach menschenwürdigem Leben!“

Der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Martin Maier, rief die Menschen dazu auf, gemeinsam mit Adveniat Brücke der Solidarität zwischen Deutschland und den Armen und insbesondere den Flüchtenden in Lateinamerika zu sein: „Lassen Sie uns die Menschen, die infolge von Gewalt, politischer Verfolgung, Armut und Hunger im wahrsten Sinne des Wortes verwundet sind, mit unserer Hilfe verbinden. Damit Migrantinnen und Migranten in sicheren Unterkünften Schutz finden, mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Medikamenten versorgt werden und die Chance auf einen Neuanfang, auf ein menschenwürdiges Leben haben.“

Eine musikalische Brücke schlugen im Gottesdienst der Projektchor aus dem thüringischen Leinefelde und die Jugendlichen von Sonidos de la Tierra (Klänge der Erde). Das 2002 von dem paraguayischen Komponisten und Musiker Luis Szarán gegründete Musikschulprojekt hat bereits tausenden Jugendlichen aus Paraguays Armenvierteln die Chance auf eine bessere Zukunft ermöglicht. Mitreißende lateinamerikanische Klänge und deutsche Adventslieder, Orgel und paraguayische Harfe, deutsche Texte und spanische verwandelten den Gottesdienst zu einem musikalischen, Länder und Kontinente übergreifenden Fest.

Das Kolpingwerk Deutschland ist Kooperationspartner von Adveniat. Im aktuellen Kolpingmagazin (Ausgabe 4/2023) geht es in einem großen Beitrag auch darum, wie Adveniat Geflüchteten aus Venezuela dabei hilft in Nachbarländern eine neue Existenz aufzubauen.