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Entscheiden ist Wagnis, das Wagnis des Lebens.

Gedanken zum Evangelium nach Markus 1,14-20 von Rosalia Walter, Geistliche Leiterin des Kolpingwerkes Deutschland.

Am Anfang des heutigen Evangeliums proklamiert Jesus die angebrochene Zeitenwende. Er sagt: „Die Zeit ist erfüllt“.  Dies ist als Zuspruch und Zusage zu verstehen, denn, „das Reich Gottes ist nahe“. Es ist so nahe, dass die einzig angemessene Reaktion auf seine Nähe die Umkehr und der Glaube an eben diese Heilsbotschaft ist. Aus der Zusage vom Kommen des Reiches Gottes ergibt sich für die Angesprochenen der Ruf: kehrt um und glaubt, vertraut!
Nach dieser Verkündigung ruft Jesus zweimal kurz hintereinander im Vorübergehen ein Brüderpaar in seine Nachfolge. Bei beiden Brüderpaaren handelt es sich um Fischer, die beim Ruf Jesu gerade ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen. In beiden Fällen lassen sie sofort alles liegen, stehen auf und folgen Jesus nach.
Bei dieser Art der Berufung melden sich Bedenken. Kann es so gewesen sein? Im realen Leben geht es anders zu. Da werden Entscheidungen von großer Tragweite nicht von heute auf morgen oder sogar von jetzt auf nachher getroffen. Da gehen oft lange Überlegungen und ein bedächtiges Abwägen des Pro- und Contra- voraus.
"Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm." Das ist unvernünftig! Das ist genauso unvernünftig, als würde ein Trapezkünstler ohne Netz auftreten. Trapezkünstler leben gefährlich: Unter der Zirkuskuppel am Trapez zu turnen, mit atemberaubender Geschwindigkeit über den Köpfen der Zuschauer daherzufliegen, das ist gefährlich; es ist lebensgefährlich. Im Notfall kann das Netz den Künstler auffangen.
Das Netz im Zirkus hat mit den Netzen, von denen das Evangelium spricht, herzlich wenig zu tun. Es ist ein Sicherheitsnetz. Das ist etwas ganz anderes als ein Fischernetz - aber nur auf den ersten Blick. Denn genau genommen ist das Netz des Fischers auch nichts anderes als eine Sicherung, eine Lebensversicherung. Sein ganzer Beruf, seine ganze berufliche Zukunft hängt an diesem Netz. Ohne das Netz hat ein Fischer kein Einkommen, ist seine finanzielle Absicherung dahin. Und ohne gesichertes Einkommen ist das ganze Leben unsicher geworden. Mit dem Verlassen der Netze geben die Jünger alle Sicherheiten auf. Kann man so unvernünftig sein?
Dieses Evangelium ist starker Tobak - vor allem für Menschen, die gerne auf Nummer sicher gehen. Doch dies ist der entscheidende, springende Punkt. Die Berufungserzählung berührt die Menschen in ihrem Herz. Dass die Jünger alles loslassen, alles zurücklassen, sich auf Jesus einlassen und seinem Ruf folgen, ruft ins Bewusstsein, dass alles Planen, alle Versicherungen und alle Vorsichtsmaßnahmen schön und gut sind. Sie taugen aber nur bis zu einem bestimmten Punkt.
Das gilt für viele Lebenssituationen in denen wir uns entscheiden müssen. Niemand hat seine Zukunft wirklich in der Hand. Entscheiden ist Wagnis, das Wagnis des Lebens. Es gibt oft keine Garantien, kein Sicherheitsnetz. Und dies gilt nicht nur für die großen Lebensentscheidungen wie Berufswahl oder Ehe. Es betrifft z. B. auch die alltäglichen Situationen wie die Annahme eines Ehrenamtes, das Backen eines Kuchens für einen Anderen, das nette Wort, das gesprochen wird, die Mitfahrgelegenheit, die angeboten wird oder den Krankenbesuch. Immer muss entschieden werden – dafür oder dagegen!
Die Jünger wagen den Sprung ohne Netz - in ein neues Leben, in dem sie dem Ruf Jesu folgen. Doch dies ist kein Ausbruch, es ist ein Aufbruch. Es ist ein Verlassen: ein Sich-verlassen auf ihn, mit dem die Zeitenwende begonnen hat, mit dem das Reich Gottes nahe ist. Genauso hat Adolph Kolping auf Jesus vertraut und bekannt: „Jesus Christus, Gottes Sohn, ist die gewaltigste Weltwahrheit, die wir besitzen.“
Diese Art der Berufung gibt heute zu verstehen, dass man mit Vertrauen entscheiden, springen kann. Und zwar in allen Lebenssituationen. Komm, entscheide dich und spring, folge mir nach, denn ich bin da. Im Vertrauen darauf, dass Gott mich auffängt, in diesem Vertrauen ist entschiedenes Leben möglich.
Wer andere Sicherheiten sucht, wird manchmal ewig in der Zirkuskuppel hängen bleiben. Mehr Sicherheit gibt es nicht. Das Vertrauen darauf, dass ein Gott da ist, der mich auffangen wird - das ist das Einzige, was letztlich bleibt.
„Spring! Folge mir nach!“ sagt Jesus, ich bin da und ich fange dich auf.
Damals waren es Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes, seit 2000 Jahren noch viele andere, auch Adolph Kolping.
Heute sind wir es, du und ich.