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Erklärungen

#familiengerecht – Weil Familien es wert sind

Für KOLPING sind Familien die Keimzelle der Gesellschaft, und Familienarbeit ist ein wichtiger Bestandteil auf allen Ebenen unseres Verbandes.

In unserem Leitbild beschreiben wir Familien als Lernorte der Solidarität, der Wertevermittlung, der Kultur und des Glaubens. Die gesellschaftlichen, sozialen und finanziellen Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass Familien subsidiäre Hilfe erfahren und eine Basis geschaffen wird, auf der Familie, Alltag und Beruf nebeneinander Platz finden.

KOLPING ist die ganzheitliche Förderung von Familien und ihren Belangen ein Herzensanliegen. Dabei bedeutet Familie für uns jede Konstellation, in der Menschen dauerhaft das Leben miteinander gestalten, Verantwortung füreinander übernehmen und sich solidarisch unterstützen. In vielfältiger Weise sind wir aktiv, um Kindern, Jugendlichen und ihren Familien eine gute Basis für ihr (Zusammen-)Leben zu ermöglichen. Sie sind Zielgruppe und Fokus in der verbandlichen Arbeit vor Ort, in den Ein-richtungen wie dem Kolping Azubi- und Jugendwohnen, ebenso wie in unseren Familienferienstätten und in den vielfältigen Projekten der Kolping-Bildungsunternehmen. KOLPING fördert Kinder, Jugend-liche und junge Erwachsene in ihrer persönlichen Entwicklung und ihrer beruflichen Qualifikation in vielfältiger Art und Weise. Von Kolping-Kitas über berufsvorbereitende Qualifizierungsmaßnahmen im Übergang von der Schule zum Beruf bis hin zum Studienabschluss an der Kolping-Hochschule steht KOLPING für werteorientierte Bildung und Erziehung.

Als generationenübergreifender Verband schaffen wir Gemeinschaft und Austausch und widmen uns drängenden gesellschaftlichen Themen wie der Generationengerechtigkeit, der Geschlechter-gerechtigkeit und dem demographischen Wandel. Die Vereinbarkeit von Care-Arbeit und Beruf ist uns ein wichtiges Anliegen. Deshalb bietet KOLPING als Arbeitgeber ein familienfreundliches Umfeld, das oftmals mobiles Arbeiten, eine betriebsnahe Kindertagesbetreuung und flexible Arbeitszeitmodelle ermöglicht.

Wenn wir den Blick auf die Familienpolitik richten, stellen uns die Entwicklungen auf der Bundes- aber auch Landes - und Kommunalebene in den vergangenen Jahren nicht zufrieden. Familienpolitik muss wieder den Stellenwert erlangen, den sie verdient und benötigt. Darum befürworten wir ein Konzept der integrierten Familienpolitik, das als Querschnittsaufgabe ausreichend abgesichert werden muss. In der gesellschaftlichen Debatte über eine familiengerechte Politik nehmen wir die sich verschärfenden finanziellen Existenzängste der Familien, insbesondere von Alleinerziehenden, wahr.

Was sich ändern muss!
Der in Artikel 6 des Grundgesetzes festgelegte besondere Schutz von Ehe und Familie ist für uns die Maxime unseres Handelns und eine nicht verhandelbare Grundlage für eine zukunftsorientierte Familienpolitik. Wir fordern deshalb, dass folgende Eckpunkte entschlossen auf allen politischen Ebenen angegangen und Versäumnisse der Vergangenheit aufgearbeitet werden. Gerade im Hinblick auf die vielfältigen Kürzungsabsichten in den Bereichen Kinder, Jugend, Familie, politische Bildung und Arbeitsmarktintegration im kommenden Haushaltsansatz der Bundesregierung ist es unsere Pflicht, uns für Familien mit ihren Kindern und Jugendlichen zu engagieren. Dabei bedarf es struktureller Veränderungen, erhöhter Finanzmittel sowie weiterer Hilfen, die direkt bei den Familien ankommen. Wir setzen uns mit diesem 6-Punkte Papier ein für:

1. Eine stärkere finanzielle Absicherung von Familien und am Kind orientierte Förderleistungen
Hierzu gehört eine unbürokratischere Beantragung der Leistungen sowie die Zusammenfassung von verschiedenen bisherigen Leistungen zu einer Grundsicherung für Kinder. Bei der grundlegenden Leistungsbemessung ist eine realistische Neuberechnung des Existenzminimums von Kindern notwendig. Die Reformabsichten bei der Zusammenfassung und Neuordnung von familienbezogenen Finanzleistungen dürfen nicht nur zu einer Verwaltungsvereinfachung führen, sondern müssen einen echten Mehrwert für Familien haben. Die Reform muss die Bekämpfung familiärer Armut als oberstes Ziel haben.

2. Den Ausbau von Kita-Plätzen
In Deutschland fehlen 2023 laut aktuellen Zahlen einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 384.000 Kita-Plätze. Dabei sind Kitas ein wichtiger Ort für die sekundäre Sozialisation, Bildung und Entwicklung der Kinder. Fehlende Kita-Infrastruktur bedeutet auch, durch Betreuungsprobleme den Wiedereinstieg in den Beruf zu verzögern und so Karrierechancen, immer noch vornehmlich von Frauen, zu erschweren. Strukturell können die Kommunen oftmals nicht ihrem Anspruch genügen, eigenständig ausreichend neue Kita-Plätze zu schaffen. Deswegen nehmen auch weiterhin die Träger der freien Wohlfahrtspflege im Sinne des Subsidiaritätsprinzips eine zentrale Rolle bei der Bedarfsdeckung ein. Zunehmender Kostendruck in der freien Wohlfahrtspflege und eine nicht hinreichende Finanzierung für den Betrieb von Kita-Einrichtungen führen dazu, dass der Ausbau der Kita-Landschaft stagniert. Wir fordern, dass Bund und Länder Gesetzesgrundlagen schaffen, die einen unkomplizierteren und zügigeren Ausbau möglich machen.

3. Die Behebung des Fachkräftemangels im Erziehungswesen und in der sozialen Arbeit
Der Ausbau von Kita-Plätzen sowie der Erhalt der Strukturen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und den Beratungsstellen hat nur dann einen Mehrwert, wenn genügend Fachkräfte vorhanden sind. Vor allem im Bereich der frühkindlichen Bildung fehlen zurzeit etwa 98.000 Erzieher*innen – Tendenz steigend. Die Folgen sind geschlossene Einrichtungen, hohe Arbeitsverdichtung bei den Fachkräften und Frustration bei den Betroffenen. Es darf nicht auf Kosten der Qualität am Personaleinsatz gespart werden. Der Einsatz von fachfremdem, pädagogisch nicht ausreichend qualifiziertem Personal kann nicht die alleinige Lösung sein. Bei fachfremdem Personal muss ein stärkerer Fokus auf die Qualifizierung für ihre pädagogische Tätigkeit gelegt werden.

Es braucht mehr interessierte Bewerber*innen für die Ausbildung zu Fachkräften. Daher fordern wir mehr Wertschätzung und eine angemessene Entlohnung, die den gestiegenen fachlichen Anforderungen gerecht wird. Insgesamt brauchen wir ein bundeseinheitliches System der frühkindlichen Bildung.

4. Die Unterstützung von Schulen bei der Erfüllung ihres Auftrages
Das „System“ Schule ist an vielen Stellen kurz davor zu kollabieren, da immer höhere Anforderungen an die Lehrer*innen gestellt werden. So müssen sie in größeren Klassen eine heterogener werdende Schüler*innenschaft unterrichten. Auch die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchtgeschichte und die inklusive Beschulung von Kindern mit Förderbedarf sind wichtige Ansprüche, die an das Schulsystem gestellt werden. Zudem rächen sich langfristig die fehlenden Investitionen in die bauliche Infrastruktur sowie in die Lehrer*innenausbildung.

Aufgrund von Unterrichtsausfall durch Lehrkräftemangel kommt es oftmals dazu, dass Eltern ihren Alltag immer neu organisieren und mit ihren Kindern Unterrichtsstoff nacharbeiten müssen. Dies wird häufig für beide Seiten zur Belastungsprobe. Digitalisierung an Schulen bedarf nicht nur einer guten Ausstattung an Endgeräten, sondern auch einer deutlich verstärkten Förderung der Medienkompetenz von Schüler*innen und Lehrer*innen. Damit Schüler*innen gute Bildung erfahren können und Lehrer*innen nicht ausbrennen, bedarf es vielfältiger Anstrengungen. Wir fordern, dass die Ausbildung von Lehrer*innen bedarfs- und praxisorientierter gestaltet wird, dass sie im Schuldienst von sozialarbeiterischen Aufgaben entlastet und hinsichtlich der Digitalisierung an Schulen stärker unterstützt werden.

5. Eine familiengerechte Wohnungsbau- und Infrastrukturpolitik
Steigende Mieten, zu wenig staatlich geförderter Wohnungsbau und der Mangel an angemessenem Wohnraum für Mehr-Kind-Familien sind die Hauptprobleme einer verfehlten Wohnungspolitik. Auch wenn die Kosten für Wohnraum in ländlichen Regionen geringer sein mögen als in urbanen Zentren, so ist hier oftmals das Fehlen einer funktionierenden Infrastruktur im Verkehr und im Dienstleistungssektor problematisch und erschwert Familien die Nutzung des günstigeren Wohnraums.

Um diese Probleme strukturell in den Griff zu bekommen, fordern wir vielfältige Maßnahmen, an denen der politische Hebel angesetzt werden muss: von Entbürokratisierung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für neuen, bis hin zu finanziellen Anreizen für Sanierungen und Umbau von bestehendem Wohnraum.

6. Die Finanzierung von Nachfolgeprojekten des Bundesprogramms „Aufholen nach Corona“
Familien waren unter anderen die großen Leidtragenden während der Pandemie: „Homeschooling“ und „Social Distancing“ sorgten dafür, dass es noch immer viel aufzuholen gibt. Das Bundesförderprogramm, mit dem unter anderem Ferienerholung, individuelle Nachhilfe und offene Freizeitangebote gefördert werden konnten, ist Ende 2022 ausgelaufen. Gerade Jugendverbände leisten durch informelles Lernen einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Einige Bundesländer haben eigenhändig Nachfolgeprogramme aufgelegt und finanziert. Nichtsdestotrotz ist der Bund noch stärker finanziell in die Pflicht zu nehmen. Wir fordern weiterhin die Fortsetzung familiärer Unterstützungsleistungen durch Begleitung und Beratung.

Diese vielfältigen Problemanzeigen, Forderungen und Lösungsvorschläge zeigen, wie weit wir noch davon entfernt sind, eine familiengerechte Politik in unserem Land zu haben. Maßnahmen müssen stärker ineinandergreifen und ressortübergreifend Lösungsansätze gesucht werden. Das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen muss besser und zuweilen auch föderalistische Strukturen überdacht werden – im Sinne einer Vereinheitlichung und Vereinfachung. Länder und Kommunen müssen finanziell befähigt werden, die ihnen übertragenen Aufgaben auch so ausführen zu können, dass dies qualitativ und quantitativ möglich ist. Dort bedarf es aber auch einer stärkeren politischen Prioritätensetzung für familiengerechte Politik. Familiengerechtes und bezahlbares Wohnen, Vermeidung von Familienarmut, eine gut aufgestellte Bildungslandschaft und eine Trägervielfalt in der Jugendhilfe gibt es nicht zum Nulltarif.

Eine integrierte Familienpolitik darf nicht nur Symptome bearbeiten, sondern muss auch bereit sein, Systemgrenzen zu sprengen. Ein integrierter Ansatz von Familienpolitik kostet viel Geld, Mut und Anstrengung – weil Familien es wert sind!


Der Bundesvorstand des Kolpingwerkes Deutschland
Frankfurt am Main, 26. August 2023


Die Erklärung als PDF zum Download