Fragen an Parteien

In den vergangenen Wochen haben die Parteien ihre Wahlprogramme publiziert. In der unten stehenden Fachinformation beschränken wir uns auf die Parteien mit den größten Aussichten auf einen Einzug in den neuen Bundestag und bieten eine Übersicht über einige für unsere Mitglieder relevanten Politikfelder.


Sichere und stabile Renten

Wir verdanken den älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland sehr viel. Sie haben mit ihrer Arbeit dafür gesorgt, dass Deutschland ein prosperierendes, wohlhabendes Land mit hoher Lebensqualität geworden ist. Damit haben sie uns den Weg in eine gute Zukunft geebnet. Das verdient Respekt und Anerkennung. Wer sein ganzes Leben gearbeitet hat, soll im Alter davon leben können.

CDU und CSU stehen deshalb dafür ein, dass die Einkommen der Rentnerinnen und Rentner auch in Zukunft berechenbar und angemessen sind.

  • CDU und CSU bekräftigen die Rentenreform der Großen Koalition von 2007. Sie hat die Weichen für die Entwicklung des Renteneintrittsalter bis 67, des Rentenniveaus und der Rentenbeiträge bis zum Jahr 2030 umfassend und erfolgreich gestellt. Damit wurde auch die Generationengerechtigkeit verlässlich gesichert.
  • Unsere erfolgreiche Politik der letzten zwölf Jahre hat dazu geführt, dass neue Arbeitsplätze und Wachstum entstanden sind. Das hat die lange Zeit prekäre Lage der Rentenversicherung deutlich verbessert und die gesetzliche Rente stabilisiert.
  • Das Rentenniveau hat sich deshalb besser entwickelt, als in den Prognosen vorhergesagt: Derzeit liegt das Rentenniveau bei 48,2 Prozent und ist damit gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozentpunkte gestiegen. Dies kommt Millionen von Rentnern zugute.
  • Durch die gute Wirtschaftslage sind die Renten in den letzten Jahren oberhalb der Inflationsrate gestiegen. Die Rentnerinnen und Rentner haben wieder Teil am wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes.
  • Gleichzeitig bleiben die Rentenbeiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch über 2020 hinaus stabil.
  • Wir haben die Zurechnungszeiten für Erwerbsminderungsrenten in diesem Zeitraum zweimal erhöht. Damit bekämpfen wir Altersarmut bei denen, die aufgrund von Krankheit vorzeitig in Rente gehen mussten. In der neuen Wahlperiode werden wir für diese Personengruppe weitere Verbesserungen durchsetzen.
  • In der Mütterrente haben wir einen weiteren Rentenpunkt für Kinder eingeführt, die vor 1992 geboren wurden. Dies bedeutet eine Rentensteigerung um rund 30 Euro je Kind für knapp 10 Millionen Mütter bundesweit.
  • Mit der schrittweisen Rentenangleichung Ost-West ab diesem Jahr haben wir einen weiteren Schritt zur Vollendung der Deutschen Einheit getan.
  • Nachteile deutscher Spätaussiedler in der Rentenversicherung, die sich durch Änderungen des Rentenrechts ergeben haben, werden wir beseitigen.
  • Durch das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz haben wir die Attraktivität von Betriebsrenten deutlich verbessert, auch indem wir die Anrechnungsvorschriften bei der Grundsicherung geändert haben.

Seit einem Vierteljahrhundert hat es für die Rentnerinnen und Rentner keine vergleichbar positive Entwicklung gegeben. Diese Entwicklung wollen wir durch ein klares Konzept fortführen und verstetigen:

  • Die Weiterentwicklung der Rente nach 2030 soll in einem partei- und fraktionsübergreifenden gesellschaftlichen Konsens unter Einbeziehung der Tarifpartner geregelt werden. Zu diesem Zweck setzen wir eine Rentenkommission ein, die bis Ende 2019 Vorschläge erarbeiten soll.
  • Die gesetzliche Rente soll zentraler Pfeiler der Altersvorsorge bleiben. Daneben sind Betriebsrenten und die private Vorsorge (z. B. Riester-Renten) ebenfalls von großer Bedeutung für eine nachhaltige und gute Altersversorgung. Unser Ziel bleibt es weiterhin Altersarmut zu vermeiden.
  • Sollte sich vor dem Jahr 2030 aufgrund der Empfehlungen der Kommission Handlungsbedarf bei der betrieblichen oder privaten Vorsorge ergeben, werden wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen.


Ein neuer Generationenvertrag: den Wert der Arbeit und die Würde im Alter sichern

Die Rentenpolitik und künftige Alterseinkommen beschäftigen alte und junge Menschen gleichermaßen. Gerade die Alterssicherung muss sich, wie die anderen sozialen Sicherungssysteme, immer wieder an wandelnde Verhältnisse anpassen und dabei für alle Generationen verlässlich bleiben. Wir stehen bei der Rente vor zwei zentralen Herausforderungen:

  • Wir müssen das Rentenniveau stabilisieren und die Leistungen der gesetzlichen Rente sichern.
  • Wir brauchen einen neuen Generationenvertrag und einen gesellschaftlichen Konsens über die Anstrengungen, die für eine Stabilisierung des Rentensystems notwendig sind.

Wir wollen die Würde im Alter durch verlässliche Leistungen sichern, ohne die Entwicklungschancen der Jüngeren durch zu hohe Beiträge zu beschränken. Gleichzeitig ist für uns klar, dass den eingezahlten Beiträgen auch angemessene Leistungen gegenüber stehen müssen. Hohe Beiträge bei später niedrigen Renten wird es mit uns nicht geben!

In der Alterssicherung gilt für uns weiterhin der Grundsatz, dass jahrzehntelange Arbeit auch ein angemessenes Leben im Alter ermöglicht. Es geht um einen der wichtigsten Werte in unserer sozialen Marktwirtschaft: den Wert der Arbeit. Dass Arbeitsleistung im Alter erkennbar bleibt und sozialer Abstieg und harte Einschnitte vermieden werden, ist die Grundlage für das Vertrauen in die Alterssicherungspolitik.

Zentrale Ziele unserer Alterssicherungspolitik sind deshalb:

  • Sicherung des jahrzehntelang erarbeiteten und verdienten Lebensstandards im Rentenalter.
  • Keine Anhebung der jetzigen Regelaltersgrenze. Wir werden dafür sorgen, dass die Regelaltersgrenze gesund und leistungsfähig erreicht werden kann.
  • Altersarmut verhindern. Aus jeder Erwerbstätigkeit muss auch eine Absicherung für das Alter erwachsen. Außerdem braucht es gezielte Verbesserungen für diejenigen, die am Ende eines langen Arbeitslebens keine auskömmliche Rente haben.
  • Eine gerechte Finanzierung der Rente. Die Beitragszahlenden dürfen nicht überfordert werden. Höhere Einkommen müssen über Steuerzuschüsse an der solidarischen Finanzierung ausreichend beteiligt werden.

Das heißt konkret:

Doppelte Haltelinie: Gesetzlich festgelegtes Rentenniveau von mindestens 48 Prozent und Beitragssatz von 22 Prozent

Wir setzen eine gesetzlich festgelegte doppelte Haltelinie bei Beitragssatz und Rentenniveau. In einem ersten Schritt wird das weitere Absinken des Niveaus der gesetzlichen Rente umgehend gestoppt und bis 2030 mindestens auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent stabilisiert. Dazu bringen wir direkt nach der Bundestagswahl ein Gesetz auf den Weg und ermöglichen den Menschen damit im Alter ein Leben in Würde. Wir sichern die verlässliche gesetzliche Rente als Fundament für die Sicherung des Lebensstandards im Alter.

Um Überlastungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu vermeiden, wird der paritätisch gezahlte Beitrag nicht über 22 Prozent steigen.

Dialog für einen neuen Generationenvertrag starten:

Eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus ist jedoch keine Kleinigkeit, sondern nur durch eine nationale Kraftanstrengung und in einem gesamtgesellschaftlichen Konsens erreichbar. Wir werden deswegen umgehend einen Dialog für einen neuen Generationenvertrag starten und ein Reformprogramm auf den Weg bringen, das weit über die Rentenpolitik hinaus alle Potenziale für eine Stärkung der gesetzlichen Rente mobilisiert:

  • Die Erwerbsbeteiligung muss durch Qualifizierung, kinderfreundliche Infrastruktur und familienfreundliche Lebensarbeitszeitmodelle erhöht werden. So kann längerfristig auch ein wünschenswerter Anstieg der Geburtenzahlen gefördert werden.
  • Durch eine systematische Einwanderungspolitik muss einem Arbeitskräftemangel vorgebeugt werden.
  • Das Rentensystem muss ab Mitte der 20er Jahre für eine Übergangszeit durch zusätzliche Steuermittel und eine Verbreiterung der Versichertenbasis stabilisiert werden.
  • Die Basis für die Finanzierung von Infrastruktur-, Bildungs- und Rentensystem muss eine beschleunigte Digitalisierung und daraus erwachsende Produktivitätssteigerungen bilden.
  • Stärkung der Tarifbindung für gute Löhne.

Damit wir diese Ziele erreichen, müssen in den kommenden vier Jahren umfassende Reformen und Investitionen in Angriff genommen werden. Um die Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen weiter zu steigern, werden wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch weiter verbessern, unter anderem durch einen flächendeckenden Ausbau der Ganztags- und Randzeitenbetreuung (auch im Grundschulbereich), familienfreundliche Arbeitszeitmodelle im Rahmen einer Wahlarbeitszeit und den Anspruch auf eine befristete Teilzeit. Dadurch leisten wir auch einen Beitrag zu einem kinderfreundlichen gesellschaftlichen Umfeld und der Erhöhung der Geburtenrate.

Mit erhöhten Investitionen in Weiterbildung und Qualifizierung müssen wir kontinuierlich auf neue Qualifikationsanforderungen und veränderte Fachkräftebedarfe reagieren und damit Arbeitslosigkeit ebenso wie Fachkräftemangel vorbeugen. Dafür werden wir ein Recht auf Weiterbildung festschreiben, die Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung weiterentwickeln und neue Anreize für Weiterbildung schaffen, beispielweise durch ein Arbeitslosengeld Q während der Qualifizierung sowie durch ein persönliches Erwerbstätigenkonto, das Auszeiten zur Weiterbildung ermöglicht und jeder und jedem ein persönliches Startguthaben bietet.

Um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken, einem Fachkräftemangel vorzubeugen und das Verhältnis von Beitragszahlenden und Rentenempfängern positiv zu beeinflussen, wird es auch auf eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt und eine systematisch gesteuerte Zuwanderung durch ein Zuwanderungsgesetz ankommen.

Den Rahmen für diese und andere Maßnahmen muss dabei eine wachstumsfreundliche Wirtschafts- und Finanzpolitik setzen, die die notwendigen Investitionen ermöglicht. Dazu gehört vor allem die Nutzung der Chancen, die sich durch die Digitalisierung ergeben.

Mit einer weiteren Stärkung der Tarifbindung, einem Pakt für anständige Löhne (insbesondere im Dienstleistungsbereich) und einer Bildungs- und Qualifizierungsoffensive werden wir die Weichen für eine gute Lohnentwicklung in der Zukunft stellen.

Eine solche Gesamtanstrengung wird nur mit einer Bundesregierung unter sozialdemokratischer Führung gelingen, in der ein sozialdemokratischer Kanzler die Richtlinien der Politik vorgibt, denn der SPD ist der Zusammenhalt der Gesellschaft durch ein solidarisches System der Alterssicherungein Herzensanliegen. Damit sorgen wir auch für eine Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung bei jüngeren Menschen. Denn nur wenn sich auch die jeweils junge Generation glaubhaft darauf verlassen kann, dass auch sie eine auskömmliche Rente bekommt, wird ein neuer Generationenvertrag dauerhaft tragen.

Die Finanzierung wird gerecht, solidarisch und paritätisch erfolgen. Die Stabilisierung des Rentenniveaus erfordert erhebliche Mittel und wird neben moderat höheren Beiträgen durch einen höheren Steuerzuschuss zur Rentenversicherung und einen neuen Demografiezuschuss finanziert.

Langjährige Arbeit muss sich auszahlen: die Solidarrente

Wer 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt hat und/oder Zeiten für Kindererziehung und Pflege angerechnet bekommt, soll einen Anspruch auf eine gesetzliche Solidarrente haben, sofern keine ausreichende Anzahl an Entgeltpunkten und kein umfangreiches sonstiges Einkommenim Haushalt vorhanden ist.

Mit der Solidarrente wollen wir ein Alterseinkommen für langjährig Beschäftigte gewährleisten, das zehn Prozent über dem durchschnittlichen Grundsicherungsanspruch am Wohnort liegt. Regional unterschiedliche Wohnkosten werden so berücksichtigt.

Absicherung nicht versicherter Selbstständiger:

Zukünftig werden Selbstständige, die nicht in einem Versorgungswerk abgesichert sind, in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen. Ziel ist es dabei, dass bisher nicht versicherte Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung eine auskömmliche Alterssicherung erreichen. Sie profitieren von allen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und beteiligen sich an der solidarischen Rentenversicherung durch eigene Beiträge. Für Neugründungen und Kleinunternehmen wird es Regeln geben, die eine finanzielle Überforderung vermeiden.

Die Einbeziehung der bisher nicht versicherten Selbstständigen ist der erste Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel, die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung auszubauen.

Erwerbsminderungsrente verbessern:

Erwerbsminderung stellt heute ein zentrales Risiko für Altersarmut dar. Für viele Beschäftigte ist es aus gesundheitlichen und körperlichen Gründen nicht möglich, das gesetzliche Rentenalter im Erwerbsleben zu erreichen. Erwerbsminderung beruht nicht auf einer freiwilligen Entscheidung der Betroffenen. Wir brauchen deswegen Verbesserungen, die alle Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner erreichenund auch diejenigen besser berücksichtigen, die aus gesundheitlichen Gründen auf dem Arbeitsmarkt ohne Chancen sind.

Flexible Rentenübergänge statt Anhebung der Regelaltersgrenze:

Die 2007 beschlossene Erhöhung der Regelaltersgrenze wird zum Jahr 2029 abgeschlossen sein. Eine weitere Anhebung wird es mit uns nicht geben. Wir wollen stattdessen auch weiterhin flexible Renteneintrittsmöglichkeiten fördern, die unterschiedliche berufliche Belastungen und Erwerbsverläufe berücksichtigen. Ziel muss es sein, dass die Regelaltersgrenze gesund und leistungsfähig erreicht werden kann. Mit dem Rentenpaket und der Flexi-Rente haben wir in dieser Legislaturperiode dafür gesorgt, dass nach 45 Versicherungsjahren dauerhaft ein Renteneintritt ab dem 65. Lebensjahr sowie flexiblere Übergänge zwischen Erwerbsleben und Ruhestand ermöglicht werden. Dafür haben wir auch Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation gestärkt. Diesen Weg wollen wir auch weiterhin verfolgen.

Betriebliche Altersversorgung attraktiver machen:

Starke Alterssicherungssysteme zeichnen sich durch eine leistungsfähige Kombination von gesetzlicher Rente und betrieblicher Altersversorgung aus. Neben der gesetzlichen Rente als tragender Säule wollen wir, dass möglichst viele Erwerbstätige sich durch betriebliche Altersvorsorge zusätzlich absichern können.

Wir haben einen neuen Rahmen für die betriebliche Altersversorgung geschaffen, der die Ausweitung vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen erleichtert: basierend auf tarifvertraglichen Lösungen, verbindlich und unter Beteiligung der Arbeitgeber. Sollte diese Lösung nicht ausreichen, werden wir eine gesetzliche Verpflichtung zur betrieblichen Altersversorgung schaffen.

Private Altersvorsorge vereinfachen:

Die „Riester-Rente“, die staatlich geförderte private Altersvorsorge, hat die Erwartungen bei ihrer Einführung im Hinblick auf Spartätigkeit, Rendite und Verteilung nach wie vor nicht erfüllt. Mit der Anhebung der Grundzulage und transparenten und verständlichen Produktinformationen erleichtern wir es, die hohe staatliche Förderung in Anspruch zunehmen, von der vor allem Geringverdienende und Kindererziehende profitieren. Wir wollen die staatlich geförderte private Altersvorsorge um ein Standardprodukt ergänzen, für das auch eine öffentlich-rechtliche Trägerschaft in Betracht kommt. Darüber hinaus sollte die Möglichkeit, zusätzliche Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen und so die Anwartschaften zu erhöhen, wieder geschaffen werden.

Wir wollen einen Fonds für jene Menschen einrichten, die bei der Überleitung der Alterssicherung der DDR in das bundesdeutsche Recht erhebliche Nachteile erlitten haben, die im Rentenrecht nicht lösbar sind.

Ein gerechtes und modernes Rentenkonzept mit einem stabilen Rentenniveau von mindestens 48 Prozent, einem erneuerten Generationenvertrag, einer gesetzlichen Solidarrente für langjährig Beschäftigte und einer verbesserten Altersabsicherung auch für bisher nicht versicherte Selbstständige wird es nur mit einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung geben.



In erster Linie stärken wir die erste Säule, die gesetzliche Rentenversicherung. Denn sie ist und bleibt die wichtigste Säule, der Altersvorsorge. Durch die Rentenreformen der vergangenen Jahre ist das Rentenniveau gesunken. Eine Stabilisierung ist dringend notwendig. Das heutige – gegenüber dem Jahr 1998 bereits erheblich abgesenkte – Rentenniveau sollte nicht weiter fallen. Dabei müssen Rentenniveau und Beitragssatz in einem angemessenen Verhältnis stehen, damit auch die junge Generation weiter in die gesetzliche Rente vertrauen kann. Wer viele Jahre eingezahlt hat, soll von seiner Rente auch leben können. Mit der Garantierente wollen wir für alle Menschen, die den größten Teil ihres Lebens rentenversichert waren, gearbeitet, Kinder erzogen oder andere Menschen gepflegt haben, ein Mindestniveau in der Rentenversicherung einführen. Die Garantierente ist steuerfinanziert und die Höhe wird oberhalb der Grundsicherung liegen. Es findet keine Bedürftigkeitsprüfung statt und betriebliche und private Altersvorsorge wird nicht angerechnet. Um die gesetzliche Rente finanziell und solidarisch breiter auf-zustellen, wollen wir versicherungsfremde Leistungen aus Steuern bezahlen und die Beschäftigungsbedingungen gerade für Frauen so verbessern, dass sie öfter und gleichberechtigt erwerbstätig sind.

Wir wollen den ersten Schritt zur Bürger*innenversicherung gehen und hierfür die nicht anderweitig abgesicherten Selbständigen, Minijobber*innen und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Auch Langzeitarbeitslose sollen wieder versichert werden. Für die Selbständigen und insbesondere die Existenzgründer*innen wird es Übergangsregelungen geben. Zudem wollen wir Selbständigen mit Beitragsrückständen bei der Krankenversicherung helfen und Schulden erlassen. In einem späteren Schritt wollen wir auch Freiberufler*innen und Beamt*innen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Hierfür werden wir mit den Ländern zusammenarbeiten. Bereits erworbene Anwartschaften auf Versorgung und bestehende Beamtenverhältnisse bleiben dabei aus Gründen des Vertrauensschutzes unberührt.

Grundsätzlich halten wir an der Rente mit 67 fest. Wir wollen es Menschen aber leichter machen, selbst darüber zu entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen. Dazu fördern wir eine echte Altersteilzeit durch eine attraktive Teilrente ab 60 Jahren, die insbesondere Arbeitnehmer*innen in belastenden Berufen zugutekommt. Für Menschen, die länger arbeiten wollen, soll sich das lohnen. Damit sie eine höhere Rente erhalten, führen wir einfache Hinzuverdienstregeln ein und erleichtern es, Teilrente und Erwerbseinkommen zu kombinieren. So erleichtern wir es Menschen, selbst zu bestimmen, wann sie in Rente gehen. Arbeitnehmer*innen, die nicht mehr arbeiten können, sollen nicht länger auch noch dafür bestraft werden, deshalb schaffen wir die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente ab.

Neben der gesetzlichen Rente wollen wir auch die private und betriebliche Altersvorsorge stärken. Kapitalgedeckte Altersvorsorge kann zu einem Bruchteil der Kosten und mit einer deutlich höheren Rendite als in Deutschland durchgeführt werden. Wir wollen deshalb einen Bürger*innenfonds in öffentlicher Verwaltung einführen und diesen sowohl für die betriebliche wie auch die private Vorsorge öffnen. Bei hinreichender Größe kann die laufende Verwaltungsgebühr sehr gering sein. Die Sparleistung der Menschen kann so fast vollständig in die Altersvorsorge gehen. Der Bürger*innenfonds soll nachhaltig investieren und dabei soziale und ökologische Belange berücksichtigen.

Alle Arbeitgeber*innen sollen künftig ihren Beschäftigten eine Betriebsrente anbieten und sie mit einem eigenen Arbeitgeber*innen beitrag unterstützen. Kleinen Betrieben erleichtern wir dies mit einer Änderung der Haftungsregeln. Wenn sie diese nicht im eigenen Betrieb oder überbetrieblich organisieren, soll sie unbürokratisch über den Bürger*innenfonds durchgeführt werden können. Die Arbeitnehmer*innen sind nicht verpflichtet, das Angebot ihrer Arbeitgeber*innen anzunehmen. Die öffentliche Förderung der privaten Altersvorsorge soll in Zukunft vor allem Geringverdienenden zugutekommen. Die Entgeltumwandlung lehnen wir ab, weil sie die gesetzliche Rente schwächt.

Viele Frauen sind von Armut im Alter bedroht. Sie leisten mehr Erziehungs- und Pflegearbeit, arbeiten oft in Teilzeit oder in schlecht bezahlten Branchen und erwerben weniger Rentenansprüche. Für Frauen muss es einfacher werden, sich durch Erwerbsarbeit selbst besser abzusichern. Mit guten Angeboten für die Kinderbetreuung, einer Umwandlung der Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, einem Rückkehrrecht auf Vollzeit, einer echten Pflegezeit, einer fairen Abbildung von Pflegezeiten bei der Rente und mit gleichem Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit können wir die Rentenlücke für Frauen mittelfristig schließen. Auch die Anrechnung von Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter auf die Rente werden wir neu ordnen.

Wir wollen die Benachteiligung der jüdischen Zuwanderinnen und Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion gegenüber Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern im Rentenrecht beenden.



Flexible Altersvorsorge für moderne Erwerbsbiografien

Vorankommen durch eigene Leistung bedeutet, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dazu gehört nicht nur, den Menschen ihre Wahlmöglichkeiten zu lassen, damit sie selbstbestimmt ihre eigene Erwerbsbiographie schreiben können. Dazu gehört auch, ihnen mehr Möglichkeiten zu geben, ihre Altersvorsorge und ihren Ruhestand flexibel an ihren Lebensweg anzupassen. Werden wir flexibel!

Flexiblerer Übergang in den Ruhestand

Wir Freie Demokraten wollen allen Älteren einen flexiblen Übergang in den Ruhestand ermöglichen. Dazu wollen wir ein politisch festgelegtes Renteneintrittsalter und die Hinzuverdienstgrenzen abschaffen. Ob 63, 67 oder sogar 70 – starre Altersgrenzen für den Renteneintritt werden den verschiedenen Lebensentwürfen längst nicht mehr gerecht. Gerade der flexible Renteneintritt schafft den notwendigen Freiraum für die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit. Viele Ältere sind heute länger fit und aktiv. Sie wollen ihre Erfahrungen weitergeben oder sogar nochmal etwas Neues ausprobieren. Andere wiederum können oder wollen im Alter nicht mehr arbeiten. Daher soll künftig die einfache Regel gelten: Ab 60 entscheidet jeder selbst, wann er in Rente geht. Wer früher in Rente geht, bekommt eine geringere, wer später geht, eine entsprechend höhere Rente. Voraussetzung für den früheren Renteneintritt ist nur, dass das Einkommen aus gesetzlicher Rente und sonstiger Altersvorsorge über dem Grundsicherungsniveau liegt – also das Existenzminimum abgesichert ist. In der Folge muss sichergestellt werden, dass die länger arbeitenden Älteren bei der Rentenbesteuerung nicht durch die Erhöhung des zu versteuernden Rentenanteils „bestraft“ werden. Die Grundlagen für die gesetzliche Rente müssen im Osten und Westen unseres Landes gleich sein.

Die Höhe der Rente berechnet sich anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung der jeweiligen Generation und kann sich über die Jahre verändern. Dieser jahrgangsindividuelle Faktor sorgt für eine solide Finanzierung und einen fairen Ausgleich zwischen den Generationen. Damit trägt jede Generation ihre eigenen Kosten und bürdet sie nicht den nachfolgenden Generationen auf. Politische Eingriffe in die langfristige Rentenformel lehnen wir ab. Dazu gehört auch eine sogenannte Rentengarantie.

Wer sich nicht gleich voll zur Ruhe setzen, sondern noch Teilzeit arbeiten möchte, soll es auch einfacher haben als heute. Momentan müssen noch viele Menschen Rentenkürzungen hinnehmen, wenn sie Teilrente und Teilzeitarbeit kombinieren oder nach dem vollen Renteneintritt doch noch einmal wieder arbeiten wollen. Das macht das Arbeiten im Alter für viele unattraktiv. Deshalb wollen wir alle Hinzuverdienstgrenzen neben dem Rentenbezug abschaffen. So kann jeder den Übergang in den Ruhestand so flexibel gestalten, wie er möchte. Und auch die ständigen Diskussionen über die Anhebung des fixen Renteneintrittsalters erübrigen sich. Unabhängig davon setzen wir uns für eine Stärkung der Erwerbsminderungsrenten ein. Die aktuellen Änderungen der Bundesregierung sind keine wirksame Lösung. Denn wer nach Jahren der Beitragszahlung durch einen Schicksalsschlag erwerbsunfähig wird, darf nicht zum Sozialfall werden.

Altersvorsorge nach dem Baukastenprinzip

Wir Freie Demokraten wollen die Altersvorsorge nach dem Baukastenprinzip organisieren. Denn das Praktische an Bausteinen ist, dass man sie immer wieder neu und vielseitig kombinieren kann. So kann sich jeder flexibel die Altersvorsorge zusammenstellen, die zu seinem Lebensweg passt. Es muss ganz selbstverständlich werden, dass eine individuelle Kombination verschiedener Elemente das spätere Alterseinkommen ausmacht. Es ist unumgänglich, das Rentenniveau in der gesetzlichen Rente daran anzupassen, dass die Menschen in Deutschland immer älter und zugleich weniger werden. Als einzige Alternative zu drastisch steigenden Beitragssätzen ist die ergänzende Vorsorge unverzichtbar.

Betriebliche und private Altersvorsorge müssen daher attraktiver werden. Zum Beispiel durch mehr Verbraucherfreundlichkeit und Vergleichbarkeit der Produkte. Zudem sollte ergänzende Altersvorsorge auf eine breitere Basis gestellt werden. Dazu sollte in allen Bereichen geförderter Altersvorsorge die Möglichkeit ausgeweitet werden, auch in Infrastruktur, Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen zu investieren. So könnte die Mitte der Gesellschaft auch stärker an den Chancen von Globalisierung und Digitalisierung teilhaben.

Unser Berufsleben wird zudem immer bunter. Gerade in der digitalen Arbeitswelt warten viele neue Tätigkeitsfelder und Geschäftsideen. Daher wird sich auch die berufliche Situation vieler Menschen häufiger verändern. Sie können öfter zwischen Anstellung und Selbstständigkeit, Voll- und Teilzeit sowie In- und Ausland wechseln. All das muss ohne Nachteile für die eigene Alterssicherung möglich sein. Wer etwa aus der Anstellung in die Selbstständigkeit wechseln will, darf nicht benachteiligt werden, sondern muss zum Beispiel seine Riester-Förderung im „Rentenbaukasten“ behalten können. Diese soll daher künftig ganz einfach allen zur Verfügung stehen. Wir Freie Demokraten wollen die berufsständischen Versorgungswerke und die Möglichkeit zur Gründung weiterer Versorgungswerke dauerhaft erhalten. Zunehmend sind ehemalige Selbstständige auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen, für die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufkommen müssen. Um dieser Gefahr vorzubeugen, sollen Selbstständige künftig für eine Basisabsicherung im Alter vorsorgen. Dies soll zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen. Alle Selbstständigen, die nicht Pflichtmitglied in einem berufsspezifischen Alterssicherungssystem sind, sollen dabei die Freiheit haben, ihre Vorsorgeform selbst zu wählen. Zusätzlich zu dieser Wahlfreiheit wollen wir weitreichende Übergangsvorschriften und Karenzzeiten bei jeder Gründung schaffen.

Mehr Übersicht durch freiwilliges Vorsorgekonto

Wir Freie Demokraten wollen allen Bürgerinnen und Bürgern ein persönliches Vorsorgekonto anbieten.Es soll übersichtlich zusammenfassen, wie viel Rente man später aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge insgesamt erhält. Wer möchte, kann sich dieses Konto ganz einfach online auf einem sicheren Bürgerportal einrichten. Natürlich muss jeder dabei die Kontrolle über seine Daten behalten und sich auf höchste Schutzstandards verlassen können. Wir meinen, dass ein solches Vorsorgekonto zu einer besseren und umfassenderen Altersvorsorge führt. Denn wer ausreichend vorsorgen möchte, benötigt einen Überblick über alle Ansprüche, die er schon gesammelt hat. Das standardisierte Vorsorgekonto macht das einfach: Mit ein paar Klicks kann so jeder schnell ermitteln, wie hoch sein Alterseinkommen aus allen Elementen seines „Rentenbaukastens“ ist. Dadurch schafft das Konto jederzeit Transparenz und deckt mögliche Vorsorgelücken auf.

Betriebliche Altersvorsorge stärken

Wir Freie Demokraten wollen die betriebliche Altersvorsorge stärken. Die Reform der derzeitigen Bundesregierung ist zu kurz gesprungen. Sie beschränkt sich auf Unternehmen, die in einen Tarifvertrag einbezogen sind. Damit wird es vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerade in kleinen und neu gegründeten Unternehmen weiter erschwert, eine betriebliche Altersvorsorge aufzubauen. Die Vorteile der Reform, etwa die liberalisierten Anlagevorschriften und die Zuschüsse für Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen, sollen auf alle Beschäftigte aller Unternehmen ausgeweitet werden. Die Auszahlung von Vorsorgeverträgen darf in der Kranken- und Pflegeversicherung nicht beitragspflichtig sein, weil dies eine unfaire Doppelbelastung darstellt. Die Bundesregierung hebt die Doppelverbeitragung nur für die Riester-geförderte Altersvorsorge auf. Wir wollen eine solche Lösung für alle Konzepte der betrieblichen und privaten Altersvorsorge.

Dem Arbeitnehmer soll es ermöglicht werden, dass bei einem Wechsel des Arbeitgebers der neue Arbeitgeber in den bestehenden Vorsorgevertrag gegebenenfalls in neuer Höhe einzuzahlen hat. Angesichts des inzwischen häufigeren Wechsels von Beschäftigungsverhältnissen, sollten Wartezeiten auf zwei Jahre beschränkt werden. Betriebe, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern noch garantierte Direktzusagen geben, sollten für die bestehenden Pensionsverpflichtungen entlastet werden. Dazu wollen wir den Berechnungszeitraum für den handelsrechtlichen Abzinsungssatz von zehn auf zwölf Jahre verlängern und die Bewertung der Pensionsrückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz vereinheitlichen. Denn die geltenden Regelungen führen angesichts der niedrigen Zinsen zu hohen Belastungen und einer ungerechten Besteuerung der Unternehmen, die es ihnen erschwert weiter Direktzusagen zur betrieblichen Altersvorsorge zu geben. Verschärfend kommt hinzu, dass Pensionsrückstellungen steuerlich nur bis zu der Höhe berücksichtigt werden, wie sie mit einem Marktzins von sechs Prozent zu bilden gewesen wären. Somit können Unternehmen einen Teil ihrer handelsrechtlichen Pensionsrückstellungen steuerlich nicht geltend machen. Der Staat bedient sich also auf Kosten der Unternehmen, indem er Scheingewinne besteuert. Um dies künftig zu verhindern, wollen wir die steuer- und handelsrechtliche Bewertung von Pensionsrückstellungen angleichen.

Breitere Investitionsmöglichkeiten für Kapitalsammelstellen

Wir Freie Demokraten wollen es Lebensversicherern, Pensionskassen und Versorgungswerken ermöglichen, vermehrt und einfacher in Start-ups, Aktien oder Infrastrukturprojekte zu investieren. Denn eine freiwillige private Altersvorsorge ist künftig unverzichtbar, um den Lebensstandard im Alter zu erhalten. Die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank verringert jedoch deutlich die Renditen, da Versicherer, Pensionskassen und Versorgungswerke immer noch in ihren Anlagemöglichkeiten beschränkt sind und daher einen Großteil des von ihnen verwalteten Kapitals in festverzinslichen Wertpapieren anlegen. Für Sparer und Sparerinnen wird die private Altersvorsorge dadurch unattraktiv. Dabei könnten gerade bei langen Anlagezeiträumen, wie bei der Altersvorsorge, Aktien und alternative Anlageformen Chancen auf eine höhere Rendite bieten. Der langfristige Planungshorizont erlaubt es, temporäre Marktschwankungen auszuhalten. Lebensversicherer, Pensionskassen und Versorgungswerke sollen deshalb verstärkt in Aktien, Infrastrukturprojekte und Unternehmensbeteiligungen investieren können, hierbei ist das Aufsichtsrechts anzupassen. Dies bietet zugleich die Chance, Kapital für neue Geschäftsideen oder für Deutschlands unterfinanzierte Infrastruktur zu mobilisieren.



II. Gute Renten für alle!

Die gesetzliche Rente muss den Lebensstandard im Alter wieder sichern und wirksam vor Armut schützen. Das sind die Grundpfeiler unserer Rentenpolitik. In einem der reichsten Länder der Welt muss das selbstverständlich sein.

Wir wollen eine Umkehr in der Rentenpolitik: Mit den Renten»reformen« von SPD und Grünen wurde dafür gesorgt, dass die Unternehmen deutlich weniger in die Rentenkasse einzahlen als die Beschäftigten. Die Folge: Das Niveau der gesetzlichen Rente befindet sich im Sinkflug. Von einst rund 53 Prozent im Jahr 2000 wird es auf 41,7 Prozent im Jahr 2045 fallen. Altersarmut bedroht viele Rentnerinnen und Rentner. Durch die Rente erst ab 67 können wir erst später ohne Abschläge in Rente gehen. Die meisten werden früher in Rente gehen: Damit wird ihre Rente noch mal drastisch gekürzt!

Die staatlich geförderte Riesterrente ist gescheitert. Sie kann die in die gesetzliche Rente gerissenen Lücken nicht schließen. Es werden Milliarden an Subventionen verpulvert, die in den Kassen der Versicherungskonzerne statt in den Portemonnaies der Rentnerinnen und Rentner landen. Dies gilt ebenfalls für die Rürup-Rente (Basisrente). Millionen Menschen mit normalen und niedrigen Einkommen können nicht privat vorsorgen. Jahr für Jahr sind immer mehr Rentnerinnen und Rentner von Altersarmut und sozialem Abstieg betroffen. Derzeit leben 2,7 Millionen Menschen nach ihrem 65. Geburtstag in Armut oder sind von Armut bedroht. Das muss dringend geändert werden!

Wir wollen diese Entwicklung umkehren! Es reicht nicht, nur die weitere Absenkung zu stoppen. Das Rentenniveau von 53 Prozent muss sofort wieder hergestellt werden. Das bedeutet: 122 Euro netto mehr im Monat für einen »Standardrentner«.

Niemand darf im Alter arm sein – unabhängig von der Dauer der Erwerbsarbeit, durch Berufsunfähigkeit, Zeiten der Erwerbslosigkeit oder Kindererziehung. Niemand darf gezwungen sein, zum Überleben Pfandflaschen zu sammeln. Wir wollen eine Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro netto im Monat – darunter droht Armut. Die Solidarische Mindestrente ist einkommens- und vermögensgeprüft, sie wird bei Bedarf gezahlt. Unser Nachbarland Österreich zeigt: Ein gesetzliches Rentensystem kann vor Armut schützen und zugleich finanzierbar sein. Statt einen Teil der Alterssicherung vom Kapitalmarkt abhängig zu machen, wurde in Österreich das gesetzliche Rentensystem zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut, in die auch Politikerinnen und Politiker einzahlen. Die Altersrenten sind deutlich höher als bei uns. Auch in Österreich sind die hohen Rentender Wirtschaft und den Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Doch das bisherige Modell zeigt: Eine umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung ist finanzierbar, sie sichert den Lebensstandard und sie schützt vor Altersarmut. Und das spätestens ab 65 Jahren!

Die Bundesregierung rechnet aktuell damit, dass der Beitragssatz bis 2030 auf 22 Prozent ansteigen wird und erwartet von den Beschäftigten, dass sie zusätzlich vier Prozent ihres Lohnes in Riester und 3,2 Prozent in die betriebliche Altersversorgung oder die betriebliche Altersvorsorge stecken. DIE LINKE sagt: Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur betrieblichen Altersversorgung bzw. zur betrieblichen Altersvorsorge müssen paritätisch von den Unternehmen bzw. den Auftraggebenden und den Beschäftigten finanziert werden. Das gilt für alle Erwerbstätigen. Die Beitragshöhe darf sich nich tnach der Zahlungswilligkeit der Unternehmen richten! Perspektivisch kann der Arbeitgeberanteil, vergleichbar dem österreichischen Modell, über dem Arbeitnehmeranteil liegen.

Erwerbslosigkeit, Niedriglöhne und prekäre sowie befristete Beschäftigung sind Gift für gute Rentenansprüche im Alter. Das erschwert es vor allem Frauen, sich eine eigenständige Alterssicherung aufzubauen. Auch für sie muss gelten: von guter Arbeit zu guter Rente!

  • Wir wollen das Rentenniveau anheben: Das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente muss wiederauf 53 Prozent erhöht werden, damit die Renten für alle spürbar steigen. Ein Rentenniveau von 53 Prozent kostet Beschäftigte und Arbeitgeber bei einem durchschnittlichen Verdienst von 3.092 Euro nur je 32 Euro mehr im Monat. Die vier Prozent Beitrag von 108 Euro (nach Zulagen) für eine Riesterrente könnten dafür entfallen. Durchschnittsverdienende hätten also 78 Euro mehr in der Tasche.
  • Solidarausgleich für Niedriglohn: Zeiten niedriger Löhne wollen wir ausgleichen. Die »Rente nach Mindestentgeltpunkten« wollen wir auch für Zeiten nach 1992 einführen. Vollzeiterwerbstätige mit zwölf Euro Stundenlohn und mehr erhielten dann in der Regel eine Rente von mehr als 1.050 Euro. Eine Einzelhandelskauffrau mit einem Verdienst von 1.940 Euro brutto hätte dadurch monatlich gut 270 Euro mehr Rente. Von dieser Rente würden vor allem Frauen und Ostdeutsche profitieren!
  • Ausbildungszeiten müssen rentenrechtlich besser anerkannt werden und zu höheren Renten führen.
  • Zeiten der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung und Pflege müssen besser abgesichert werden,damit sie nicht zu Armutsrenten führen.
  • Für jedes Kind wollen wir drei Entgeltpunkte – das sind zurzeit über 90 Euro sogenannter »Mütterrente« – auf dem Rentenkonto gutschreiben. Egal, ob ein Kind 1960 oder 2010, in Ost oder West geboren wurde. Diese Verbesserung muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuern finanziert werden.
  • Für regelmäßig geleistete freiwillige und unbezahlte Arbeit von Bürgerinnen und Bürgern im organisierten anerkannten Rettungsdienst, Brandschutz, Katastrophenschutz und THW werden durch den Staat angemessene Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt.

Wir wollen eine Erwerbstätigenversicherung: Für alle Erwerbseinkommen müssen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden. Auch Politikerinnen und Politiker, Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler, Beamtinnen und Beamte und Managerinnen und Manager sollen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Bereits erworbene Ansprüche werden erhalten bzw. überführt. Für Langzeiterwerbslose müssen endlich wieder Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt werden.

  • Die Beitragsbemessungsgrenze wollen wir vereinheitlichen, dann in mehreren Schritten drastisch anheben und schließlich aufheben. Wer ein Gehalt von 10.000 Euro und mehr im Monat hat, muss auch für 10.000 Euro und mehr Beiträge zahlen. Die Höhe der Rentenansprüche über dem Doppelten des Durchschnittes soll abgeflacht werden.
  • Die Riester-Rente wollen wir in die gesetzliche Rente überführen: Individuell erworbene Rentenansprüche können freiwillig auf das persönliche Rentenkonto bei der Rentenversicherung übertragen werden. Extraprofite für die Versicherungswirtschaft wollen wir dabei verhindern. Die staatlichen Subventionen von über drei Milliarden Euro jährlich werden wir abschließen und die Zuschüsse an die Gesetzliche Rentenversicherung entsprechend erhöhen. Außerdem soll es Versicherten und ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern erleichtert werden, bis zu einer bestimmten Grenze freiwillig zusätzliche Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen.
  • Die Beschäftigten dürfen nicht den Risiken auf dem Kapitalmarkt ausgesetzt werden: Wir lehnen es ab, die Arbeitgeber im Rahmen kapitalgedeckter betrieblicher Altersvorsorge und sogenannter »Zielrenten« aus der Haftung zu entlassen. Das gilt auch für den Verzicht auf Rentengarantien zugunsten einer reinen Beitragszusage.
  • DIE LINKE ist für eine betriebliche Altersversorgung, die überwiegend von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern finanziert wird. Der Ausbau der überwiegend von den Beschäftigten finanzierten betrieblichen Altersvorsorge – vor allem durch Entgeltumwandlung – darf nicht als Alibi für ein weitersinkendes Rentenniveau missbraucht werden. Wir werden die Doppelverbeitragung mit Krankenversicherungsbeiträgen bei betrieblicher Altersvorsorge sofort beenden. Betriebsrenten dürfen nicht frei von Sozialabgaben sein. So werden die Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung geschwächt und die Rentenansprüche aller Versicherten – egal ob sie über den Betrieb vorsorgen oder nicht – sinken. Ungleichheit wird so verschärft.
  • Die Rente erst ab 67 muss zurückgenommen werden. Forderungen nach einem Renteneintritt erst ab 69, 70, 71 oder 73 sind unrealistisch und unverantwortlich. Arbeiten bis zum Umfallen ist unwürdig und weder gesellschaftlich noch sozialpolitisch akzeptabel. Jede und jeder muss wieder spätestens ab 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Das ist finanzierbar. Wenn Menschen mindestens 40 Jahre Beiträge gezahlt haben, sollen sie bereits ab 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Perspektivisch sollen alle ab 60 Jahre in Rente gehen können.
  • Wer krank wird, darf nicht noch niedrige Renten zu fürchten haben: Der Zugang zu den Erwerbsminderungsrenten muss erleichtert werden. Die Abschläge wollen wir streichen, auch für diejenigen, die bereits eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Die Zurechnungszeit (die Zeit, die »hinzugerechnet« wird, weil der oder die Versicherte wegen der Erwerbsminderung nicht einzahlen konnte) wollen wir in einem Schritt von 62 auf 65 Jahre anheben.
  • Wir wollen die Benachteiligung der ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner endlich beenden. Wir fordern eine sofortige Angleichung an das Westniveau, ohne zukünftige Rentnerinnen und Rentner zu benachteiligen (vgl. Kapitel X »Gerechtigkeit für die Menschen in Ostdeutschland«).

Solidarische Mindestrente: Wer bereits heute auf lange Phasen mit schlechten Löhnen, Erwerbslosigkeit oder Krankheit zurückblicken muss, hat trotzdem Anspruch auf ein würdevolles Leben im Alter. Kein Mensch soll im Alter von einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. Die Solidarische Mindestrente soll deshalb an alle Menschen im Rentenalter als Zuschlag – oder im Einzelfall auch als Vollbetrag – von der Rentenversicherung gezahlt werden, die weniger als 1.050 Euro Nettoeinkommen im Alter haben. Die Solidarische Mindestrente ist einkommens- und vermögensgeprüft. Sie wird aus Steuern finanziert. Die Unterhaltsansprüche nach dem BGB werden berücksichtigt. Wir werden mit deutlich höheren Vermögensfreibeträgen sicherstellen, dass soziale Härten vermieden und normales, selbstgenutztes Wohneigentum unangetastet bleibt. Unser Ziel lautet:Niemand soll im Alter von weniger als 1.050 Euro leben müssen. Die Höhe der solidarischen Mindestrente wird regelmäßig an die Entwicklung der Lebenshaltung angepasst, darf aber nicht abgesenkt werden.



11.3 Grundsätzliches zur Rente

Den Menschen in unserem Land wieder Sicherheit im Arbeitsleben und im Alter zu geben, ist der Alternative für Deutschland ein besonderes Anliegen. Nur mit einer ausreichenden Versorgung im Alter kann Altersarmut verhindert werden. Das Bestreben der AfD ist es daher, das System der gesetzlichen Rentenversicherung so zu gestalten, dass es leistungsfähig und den Herausforderungen der Zukunft nachhaltig gewachsen ist. Die besondere demografische Herausforderung der nächsten Jahrzehnte wird – mindestens vorübergehend – eine stärkere Mitfinanzierung aus Steuermitteln erforderlich machen.

Unbeschadet solcher Hilfestellung außerhalb der Beitragsfinanzierung der staatlichen Renten müssen die beiden Säulen Betriebsrente und rein private Altersvorsorge gesetzgeberisch gestärkt werden. Hierzu bedarf es der Steuerfreistellung der Ansparbeiträge verbunden mit einer nachgelagerten Ertragsbesteuerung. Für eine wirkungsvolle Ausgestaltung solcher Systeme ist die Zinspolitik der EZB tödlich. Auch deshalb muss Deutschland aus der Eurozone austreten, sofern nicht unverzüglich Änderungen in die Tat umgesetzt werden.

11.4 Rente und Lebensarbeitszeit

Bei einer Lebensarbeitszeit von bis zu 45 Jahren soll künftig der Rentenanspruch abschlagsfrei gegeben sein. Bei der Berechnung der Rente werden alle Beitragszeiten in dem Maß berücksichtigt, in dem sie tatsächlich erbracht wurden.

Bekanntlich wird bereits in naher Zukunft die Zahl der Rentner im Verhältnis zur Zahl der Beitragszahler überproportional steigen. Die jüngeren Generationen der Beitragszahler werden diese finanzielle Verpflichtung nicht alleine schultern können. Es wird daher notwendig sein, die staatlichen Transferzahlungen aus allgemeinen Steuermitteln an die Rentenversicherung erheblich zu erhöhen, um die Beiträge der arbeitenden Menschen in erträglichen Grenzen zu halten.

Auch aus diesem Grund ist die derzeitige Migrationspolitik sofort zu beenden. Die zur Zeit dort mobilisierten jährlichen Milliardenbeträge, mit steigender Tendenz für die Zukunft, müssen in die Stabilisierung der Alterssicherung der deutschen Bevölkerung umgelenkt werden.

Bezieher von Altersrenten sollen ohne Einschränkung ihrer Rentenbezüge einer entgeltlichen Beschäftigung nachgehen können. Diese Einkommen sollen von Arbeitnehmer-und Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung freigestellt werden können.

11.5 Rente und versicherungsfremde Leistungen

Die AfD tritt dafür ein, dass Leistungen aus Mitteln der staatlichen Rentenversicherung, die sich nicht über Maßstäbe sozialer Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der gesamten Solidargemeinschaft rechtfertigen lassen („echte“ versicherungsfremde Leistungen) entweder ausgegliedert oder überstaatliche Transferleistungen finanziert werden. Allein im Jahr 2015 sind aus dem Etat der Rentenversicherung versicherungsfremde Leistungen in zweistelliger Milliardenhöhe erfolgt.

11.6 Doppelbesteuerung der staatlichen Rente vermeiden

Die AfD setzt sich dafür ein, zu überprüfen, ob die im Zuge der Einführung einer nachgelagerten Rentenbesteuerung vom Bundesverfassungsgericht als unrechtmäßig erkannte Doppelbesteuerung der Renten tatsächlich durch die derzeitige gesetzgeberische Regelung vermieden wird.

11.7 Grundsicherung im Alter: Wer gearbeitet hat, muss später mehr haben

Erwerbstätige, die jahrzehntelang sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, aber beispielsweise durch niedrige Entlohnung oder unterbrochene Erwerbsbiografien keinen Rentenanspruch aufbauen konnten, der das Niveau der Grundsicherung übersteigt, werden derzeit genauso behandelt, wie Personen, die niemals sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Das ist ungerecht. Die AfD will daher dafür sorgen, dass durch Arbeitsleistung und andere anrechenbare Zeiten, zum Beispiel Erziehungszeiten, erworbene Rentenansprüche mit einem angemessenen Aufschlag zur Grundsicherung Berücksichtigung finden.




  • Wir finden uns mit der hohen Zahl von Langzeitarbeitslosen nicht ab. Wir werden ihre Qualifizierung, Vermittlung und Re-Integration in den Arbeitsmarkt deutlich verbessern.
  • Langzeitarbeitslosen, die aufgrund der besonderen Umstände auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Chance haben, werden wir verstärkt die Möglichkeit geben, sinnvolle und gesellschaftlich wertige Tätigkeiten auszuüben. Das ist ein starker Beitrag für den Zusammenhalt in unserem Land.  
  • Wir werden finanzielle Mittel bereitstellen, damit jungen Menschen, deren Eltern von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, in ganz Deutschland der Weg in Ausbildung und Arbeit geebnet wird.

Qualität von Arbeit ist uns wichtig

  • Leistung muss sich lohnen. Wer sich anstrengt, muss mehr haben als derjenige, der dies nicht tut. CDU und CSU stehen für Leistungsfreude und Fairness. Deutschlands Beschäftigte sollen an der guten wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes teilhaben. Zur Zeit der rot-grünen Regierung sind die Löhne kaum gestiegen. In der Regierungszeit der Union hat sich dies zum Besseren gewendet: Weil wir Garant sind für eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.
  • Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland hat sich grundsätzlich bewährt. Jeder soll von seiner Arbeit leben können. Deshalb halten wir daran fest. In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass viele Regelungen zu bürokratisch und wenig alltagstauglich sind. Dies trifft insbesondere unsere Landwirtschaft und die Gastronomie sowie weitere Betriebe. Unser erklärtes Ziel ist daher der Abbau unnötiger Bürokratie gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode.
  • Geringfügig Beschäftigte sollen an der allgemeinen Lohnsteigerung teilhaben. Wir realisieren den mitwachsenden Minijob.
  • Auf einem modernen, fortschrittlichen Arbeitsmarkt sind die Flexibilität und Mobilität von Arbeitskräften wichtig. Gleichzeitig ist es unser erklärtes Ziel, dass Menschen in allen Teilen Deutschlands Arbeit und Ausbildung verstärkt in der Nähe ihres Heimatortes finden können. Wir wollen erreichen, dass Arbeitsplätze nicht nur in Ballungsräumen entstehen. Dafür sorgen wir mit einer gezielten Strukturpolitik, die auch ländlichen Räumen neue Perspektiven eröffnet.
  • Wir wollen, dass Männer und Frauen gleiches Geld für gleiche Arbeit bekommen. Mit dem Entgelttransparenz-Gesetz haben wir dazu einen wichtigen ersten Schritt gemacht. Wir werden die Wirkung dieses Gesetzes überprüfen und gegebenenfalls in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern weitere Schritte unternehmen.
  • Wir wollen, dass Arbeitnehmer am Erfolg ihres Unternehmens besser teilhaben können. Dazu werden wir die Rahmenbedingungen zur Mitarbeiterbeteiligung attraktiver gestalten.
  • Eine Behinderung darf kein Armutsrisiko für den Betroffenen oder sein Umfeld darstellen. Mit dem Bundesteilhabegesetz haben wir grundlegende Verbesserungen erreicht. Durch Arbeit zum eigenen Lebensunterhalt beitragen zu können, hat für Menschen mit Behinderung eine besondere Bedeutung. Es braucht mehr Offenheit bei der Einstellung von Mitarbeitern mit Behinderung.
  • Wir werden das Arbeitszeitrecht so modernisieren, dass die Tarifpartner zusätzliche Spielräume zur Flexibilisierung, wie sie die europäische Arbeitszeitrichtlinie eröffnet, im Rahmen von Tarifverträgen nutzen können. Die Gesamt-Wochenarbeitszeit erhöht sich dadurch nicht.
  • Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ist wichtig und hat dazu beigetragen, hunderttausende neue Arbeitsplätze zu schaffen. Befristete Arbeitsverhältnisse dürfen unbefristete Arbeitsverhältnisse nicht einfach ersetzen. Deshalb werden wir offenkundige Missbräuche abstellen. Gerade Berufsanfänger, die eine Familie haben oder gründen wollen, brauchen eine verlässliche Perspektive. Durch die Neuregelung von Zeit-, Leiharbeit und Werkverträgen haben wir bereits wichtige Verbesserungen für die Arbeitnehmer erzielt.



Sichere Arbeit und gute Löhne:

Wir wollen einen funktionierenden Arbeitsmarkt, der den Wert der Arbeit anerkennt. Zugleich müssen die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass die Menschen mit mehr Zuversicht in die Zukunft blicken können. Deshalb werden wir die sachgrundlose Befristung abschaffen, um insbesondere jungen Menschen Perspektiven und mehr Planbarkeit für ihr berufliches und privates Leben zu ermöglichen. Die Sachgründe für Befristungen werden wir einschränken und die Möglichkeit von Kettenbefristungen begrenzen. Den öffentlichen Arbeitgebern kommt hier eine besondere Verantwortung zu.

Wir wollen existenzsichernde Arbeit anstelle prekärer Beschäftigung ermöglichen. Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter und Werkvertragsnehmerinnen und -nehmer brauchen besseren Schutz. Mit der Einführung einer Höchstüberlassungsdauer und dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ haben wir bereits viel erreicht. Diesen Weg werden wir weitergehen. Unser Ziel ist, dass Leiharbeit vom ersten Tag an genauso vergütet wird, wie in der Stammbelegschaft. Davon darf nur durch repräsentative Tarifverträge abgewichen werden. Die Koppelung eines Leiharbeitsverhältnisses an einen Arbeitseinsatz (Synchronisation) soll unzulässig sein. Wir werden die Mitbestimmung der Betriebsräte beim Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen deutlich ausbauen. Den Missbrauch von Werkverträgen werden wir bekämpfen.

Die arbeitnehmerfeindliche und immer weiter ausufernde Verbreitung von "Arbeiten auf Abruf" werden wir eindämmen. Auch geringfügige Beschäftigung wollen wir abbauen, den Missbrauch bekämpfen und Beschäftigten den Weg aus Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeit öffnen.

Die Ausnahmen beim Mindestlohn für Langzeitarbeitslose werden wir abschaffen. Wo reguläre Arbeit geleistet wird, muss auch regulär bezahlt werden. Die Ausnahmen für die unter 18-Jährigen werden wir auf ihre Auswirkungen evaluieren und streben, wo möglich, ihre Aufhebung an.

Wir wollen einen Pakt für anständige Löhne und eine stärkere Tarifbindung. Voraussetzung für gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen in allen Branchen sind starke Gewerkschaften und eine hohe Tarifbindung. Deshalb werden wir den eingeschlagenen Weg der gesetzlichen Privilegierung von Tarifpartnerschaft fortsetzen. Tarifgebundenen Betrieben geben wir mehr Gestaltungsmöglichkeiten als Betrieben ohne Tarifbindung. Die Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen werden wir weiter verbessern und die Voraussetzungen präzisieren. Die Rechtssicherheit der allgemeinen Verbindlichkeit von Tarifverträgen muss gegebenenfalls auch rückwirkend gewährleistet sein. Wir wollen die kollektive Nachwirkung von Tarifverträgen, etwa im Falle der Auslagerung von Betrieben oder Betriebsteilen, bis zur Ablösung durch einen neuen Tarifvertrag. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge müssen Tariftreue-Regelungen verstärkt zum Einsatz kommen. Um die Rechte der Beschäftigten besser zu schützen, werden wir ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften einführen.



Gute Arbeit statt prekärer Jobs

Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Der allgemeine Mindestlohn ist ein Meilenstein dorthin. Er muss aber für alle Angestellten gelten. Eine Erhöhung des Mindestlohns begrüßen wir. Die Höhe des Mindestlohns sollte sich nicht nur an der Tarifentwicklung orientieren. Sie soll ermöglichen, von der Arbeit in Würde leben zu können. Der Schutz vor Lohndumping, fairer Wettbewerb und Beschäftigungssicherung müssen ebenfalls bei der Ermittlung der Höhe eine Rolle spielen. Auch sollte die Wissenschaft in der Mindestlohnkommission ein Stimmrecht bekommen. Außerdem brauchen wir mehr branchenspezifische Lohnuntergrenzen oberhalb des Mindestlohns, damit der unternehmerische Konkurrenzkampf nicht zulasten der Beschäftigten geht.

Durch die Digitalisierung unserer Gesellschaft und neue Geschäftsmodelle der Unternehmen arbeiten immer mehr Arbeitnehmer*innen auch an Sonn- und Feiertagen, oft ohne für den Verzicht auf arbeitsfreie Sonn- und Feiertage besonders entschädigt zu werden. Das wird dem hohen Wert des arbeitsfreien Sonn- und Feiertags nicht gerecht. Für einen gerechteren Ausgleich wollen wir einen verbindlichen Flexibilitätszuschlag für alle, die an Sonn- oder Feiertagen arbeiten müssen. Dieser soll im Rahmen der bestehenden Zuschlagsregelungen steuer- und sozialabgabenfrei sein.

Gute Arbeit braucht gute Arbeitsbedingungen, insbesondere in Bereichen, in denen Überlastung und prekäre Arbeit häufig vorkommen. Flexibilität ist gut – es muss aber auf die richtige Balance mit Blick auf die soziale Absicherung und die Mitsprachemöglichkeiten der Arbeitnehmer*innen geachtet werden. Leiharbeiter*innen sollen vom ersten Tag an mindestens die gleiche Entlohnung erhalten wie Stammbeschäftigte – plus Flexibilitätsprämie. Von Werk- oder Dienstverträgen muss die Leiharbeit klar abgegrenzt werden. Scheinselbständigkeit wollen wir mit rechtssicheren Kriterien unterbinden. Arbeit auf Abruf soll dann nicht mehr möglich sein, wenn die Tätigkeiten mit normalen Arbeitsverhältnissen erledigt werden können, etwa über die Nutzung von Arbeitszeitkonten. Ohne sachlichen Grund sollten Jobs nicht mehr befristet werden können. Gute Arbeit darf nicht krank machen. Wir werden den Arbeitsschutz stärken, damit er wirksam vor Stress, Burn-out, Mobbing und Entgrenzung der Arbeit schützt.

Immer weniger Jobs sind heute durch Tarifverträge abgedeckt. Das muss sich wieder ändern. Tarifverträge sollen leichter allgemein verbindlich gemacht werden können und für alle Betriebe einer Branche gelten. Wir brauchen starke Betriebsräte. Wir wollen sie besser schützen, ihre Mitbestimmungsrechte ausbauen und den Schwellenwert für die paritätische Unternehmensmitbestimmung auf 1.000 Beschäftigte absenken. Denn Partizipation und Demokratie sind auch im Wirtschaftsleben wichtig. Das soll ebenso für die Kirchen, einen der größten Arbeitgeber im Land gelten: Auch für ihre Beschäftigten wollen wir Koalitionsfreiheit und Streikrecht gewährleisten. Zudem halten wir die persönlichen Loyalitätspflichten von Mitarbeiter*innen bei kirchlichen Trägern außerhalb des religiösen Verkündigungsbereiches für unverhältnismäßig. Wir wollen deshalb die Rechte der kirchlichen Arbeitnehmer*innen stärken und Ausnahmeregelungen beschränken.

Minijobs scheinen eine gute Gelegenheit, etwas dazuzuverdienen. Aber sie haben zu keiner Zeit das Ziel erreicht, Brücken in reguläre Beschäftigung zu bauen. Stattdessen haben sie sich als berufliche Sackgasse und Armutsrisiko erwiesen, insbesondere für viele Frauen. Minijobs wollen wir deshalb in sozialversicherungspflichtige Jobs umwandeln und dafür sorgen, dass die Beiträge durch Steuern und Abgaben und soziale Leistungen so aufeinander abgestimmt werden, dass sich Erwerbsarbeit immer rechnet. Dabei darf die Belastung mit Steuern und Abgaben nicht sprunghaft steigen. So wird es attraktiver, mehr als geringfügig zu arbeiten.



Keine Aussage


I. Gute Arbeit für alle statt Niedriglohn, Dauerstress und Abstiegsangst

Millionen Menschen in Deutschland wünschen sich bessere Löhne, sichere Arbeitsplätze, weniger Stress und Arbeitszeiten, die mit dem Leben mit Kindern, Familie und Freundschaften vereinbar sind. Aber diese berechtigten Ansprüche werden für viele Beschäftigte und Selbständige nicht eingelöst. Viele arbeiten bis zur Erschöpfung und kommen doch mit ihrem Lohn kaum bis zum Monatsende über die Runden. Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet in unsicheren Arbeitsverhältnissen wie Leiharbeit, Werkverträgen, befristeter Beschäftigung, Minijobs, Solo- und Scheinselbständigkeit. Prekär Beschäftigte können das eigene Leben kaum planen und sich kaum eine berufliche Perspektive aufbauen. DIE LINKE vertritt genauso die Interessen der vielen Beschäftigten, die mit auskömmlichem Gehalt und unbefristeten Arbeitsverhältnissen arbeiten. Sorgen um den Arbeitsplatz und die berufliche Zukunft, Dauerstress und belastende Arbeitszeiten machen krank. Wir stellen uns den Versuchen der Arbeitgeber entgegen, die Belegschaften spalten: in Beschäftige in unsicheren Arbeitsverhältnissen und Beschäftigte, die nicht direkt davon betroffen sind.

DIE LINKE kämpft für einen grundlegenden Kurswechsel in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik und für ein neues Normalarbeitsverhältnis. Das alte Normalarbeitsverhältnis, das nach dem Zweiten Weltkrieg von Beschäftigten und Gewerkschaften erkämpft wurde, bedeutete Sicherheit gegen das Risiko von sozialem Abstieg. Es erlaubte, die Zukunft zu planen und die Grundlagen dafür zu legen, dass es den Kindern einmal besser geht. Wir wollen ein neues Normalarbeitsverhältnis, das für alle Menschen soziale Sicherheit ermöglicht und auf individuelle Lebenslagen Rücksicht nimmt: Die Löhne müssen für ein gutes Leben und für eine Rente reichen, die den Lebensstandard im Alter sichert. Arbeit darf nicht krank machen, sie muss planbar und mit dem Leben mit Kindern vereinbar sein. Arbeit muss für alle Menschen sicher und unbefristet, tariflich bezahlt, sozial abgesichert und demokratisch mitgestaltet sein. Das gilt, egal ob die Arbeit mit Laptop oder Wischmopp, im Pflegekittel oder Blaumann geleistet wird. In einem reichen Land wie Deutschland fängt sozial gerechte Politik damit an, dass Armut trotz Arbeit, sozialer Abstieg und permanente Unsicherheit in prekären Jobs sofort gestoppt werden. DIE LINKE will als Sofortmaßnahmen durchsetzen:

  • Der gesetzliche Mindestlohn wird auf 12 Euro erhöht.Der Mindestlohn von 8,84 Euro, den die Große Koalition auf Druck der Gewerkschaften, Sozialverbände und der LINKEN endlich eingeführt hat, ist zu niedrig. Der gesetzliche Mindestlohn muss jährlich angehoben werden, dabei ist mindestens die Produktivitäts- und Preisentwicklung zu berücksichtigen. Er muss so bemessen und fortlaufend angepasst werden, dass er wirksam vor Altersarmut schützt. Und er muss flächendeckend gelten: Alle Ausnahmeregelungen wollen wir streichen. Um die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns zu kontrollieren, müssen dringend mehr staatliche Kontrolleure und Kontrolleurinnen eingestellt werden.
  • Befristungen stoppen! Immer mehr Menschen hangeln sich jahrelang von einem befristeten Job zum nächsten. Jeder zweite neu abgeschlossene Arbeitsvertrag ist befristet. DIE LINKE fordert daher die ersatzlose Streichung der »sachgrundlosen Befristung« aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Sachgründe müssen strikt beschränkt, Kettenbefristungen verboten werden: Der zweite Arbeitsvertrag beim gleichen Arbeitgeber muss unbefristet sein, Befristungen sollen auf längstens ein Jahr beschränkt werden. Auch im Öffentlichen Dienst arbeiten Beschäftigte immer öfter und länger befristet – vor allem junge Berufseinsteiger. Der Öffentliche Dienst muss Vorbild sein: Sachgrundlose Befristungen müssen ausgeschlossen werden.
  • Lohndumping durch Leiharbeit und Werkverträge verhindern! Leiharbeit schafft im gleichen Betrieb Beschäftigte zweiter Klasse. Beschäftigte in Leiharbeit verdienten 2015 nur knapp 60 Prozent des Durchschnittslohns. Wir wollen die Leiharbeit abschaffen. Bis dahin kämpfen wir um bessere Bedingungen für die Beschäftigten! Lohndumping muss sofort unterbunden werden: Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen müssen den gleichen Lohn wie Festangestellte plus eine Flexibilitätszulage von 10 Prozent erhalten! Kein Einsatz von Leiharbeitsbeschäftigten darf länger als drei Monate dauern. Leiharbeiter müssen nach drei Monaten im Betrieb übernommen werden und dürfen nicht gegen andere Leiharbeiter ausgetauscht werden. Der Einsatz von Leiharbeit und die Vergabe von Werkverträgen müssen an die Zustimmung des Betriebsrates und die Einhaltung der im Kernbetrieb gültigen Tarifverträge gebunden werden. Der Missbrauch von Werkverträgen durch Scheinwerkverträge muss wirksam unterbunden werden, indem die Beweislast umgekehrt wird und zukünftig beim Arbeitgeber liegt.
  • Immer mehr Beschäftigte, mehrheitlich Frauen und Alleinerziehende, werden in unfreiwillige Teilzeit, Mini- und Midi-Jobs und damit in Altersarmut abgedrängt. DIE LINKE fordert soziale Absicherung: Ab dem ersten Euro muss eine volle Pflicht zur Sozialversicherung gelten.DIE LINKE setzt sich für die Ersetzung von Mini- und Midi-Jobs durch unbefristete Arbeitsverträge und existenzsichernde Einkommen ein. Dazu wollen wir einen Rechtsanspruch auf eine Mindeststundenzahl im Arbeitsvertrag von 22 Stunden pro Woche einführen. Dieser soll für alle Beschäftigten gelten. Ausnahmen darf es nur aus schwerwiegenden wirtschaftlichen Gründen geben. Die Beweispflicht hierfür muss beim Unternehmen liegen. Zudem müssen Arbeitgeber verpflichtet werden, den Abschluss von Teilzeitverträgen unter 22 Stunden mit dem Betriebsrat zu erörtern, der Betriebsrat muss ein Vetorechterhalten.
  • Beschäftigte in Privathaushalten brauchen Einkommen, die zum Leben reichen, und eine Stärkung ihrer Arbeitsrechte, alle Beteiligten brauchen Planungssicherheit. Um informelle Arbeit zurückzudrängen und zu gewährleisten, dass Beschäftigte nicht weiterhin auf mehrere prekäre Jobs angewiesen sind, wollen wir Beschäftigung im Bereich häuslicher Dienstleistungen (u.a. Reinigung, Pflege, Kinderbetreuung) regulieren. Bevorzugt soll Arbeit in Privathaushalten über zertifizierte Agenturen, gemeinwohlorientierte oder kommunale Träger organisiert werden. Die zertifizierten Dienstleistungsplattformen müssen Tarifverträge, unbefristete Beschäftigung, das Recht auf eine vertragliche Mindeststundenzahl und die Bezahlung nach dem Mindestlohn garantieren. Zudem müssen Beratungs- und Weiterbildungsangebote für Beschäftigte in Privathaushalten ausgebaut werden. Um Überausbeutung zurückzudrängen, müssen Beschäftigte in Privathaushalten ohne Arbeits- und Aufenthaltsrechte die Möglichkeit einer Legalisierung erhalten.
  • Die Regelungen im Arbeitsschutzgesetz, dass die Verhütung psychischer Belastung zum gesetzlich verpflichtenden Arbeitsschutz gehört, muss mit Leben erfüllt werden. Das gesetzliche Instrument der Gefährdungsbeurteilung ist deshalb schärfer durchzusetzen, zu kontrollieren und offensichtliche Mängel sind zu sanktionieren. Die Arbeitsschutzämter sind finanziell und personell besser auszustatten.
  • Um die gleichberechtigte Teilhabe der Beschäftigten zu verbessern, müssen entsprechende Strategien entwickelt und umgesetzt werden (Diversity-Strategien). Auch entsprechende Dienstvereinbarungen müssen abgeschlossen werden. Diskriminierungen und Mobbing sind zu ahnden. Für alle Beschäftigtengruppen, die von Diskriminierung betroffen sind oder sein könnten, müssen Gleichstellungspläne erstellt werden.

Höhere Löhne statt steigender Rendite

Die Einführung der Agenda 2010-Reformen durch die Regierung von SPD und Grünen – mit Zustimmung von Union und FDP – bereitete Niedriglöhnen, prekärer Beschäftigung und Tarifflucht den Weg. In den vergangenen Jahren sind die Löhne kaum gestiegen. Tarifverträge gelten nur noch für eine Minderheit der Beschäftigten. Wo Unternehmen Tarifflucht begehen, sinken häufig die Löhne; prekäre Arbeit, Stress und die Erpressbarkeit der Belegschaften nehmen zu. DIE LINKE kämpft für eine Umverteilung des Reichtums von den Profiten zu den Löhnen. Die Löhne für Gering- und Normalverdienende müssen deutlich steigen!

Die Bundesregierung hat nichts gegen die Tarifflucht der Unternehmen getan. Wir wollen die Verhandlungsposition von Beschäftigten und Gewerkschaften verbessern. Die Arbeitgeberseite kann gegen die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen ein Veto einlegen. Das wollen wir abschaffen.

  • Ein Tarifvertrag muss auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklärt werden, z. B. wenn ein Drittel der Beschäftigten der jeweiligen Branche von diesem Tarifvertrag erfasst werden. Ein Tarifvertrag ist ferner im öffentlichen Interesse auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich zu erklären, wenn die Absicherung des Tarifvertrages gegen die Folgen wirtschaftlicher oder sozialer Fehlentwicklungen erforderlich ist. Es muss als »öffentliches Interesse« angesehen werden, Tarifverträge in ihrer Reichweite zu stärken und einen Unterbietungswettbewerb zu Lasten von Löhnen und Arbeitsbedingungen zu verhindern. Bei Betriebsübergängen in nicht tarifgebundene Unternehmen und Auslagerungen müssen die bisherigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung unbefristet geschützt bleiben und auch für neu Eingestellte gelten.
  • Einige Unternehmen verstoßen systematisch gegen den Mindestlohn, das Arbeitsrecht und das Betriebsverfassungsgesetz. Recht muss durchgesetzt werden: In der Arbeitswelt gibt es aber häufig einen Freifahrtschein, der Rechtstaat versagt häufig. DIE LINKE fordert die Einrichtung einer staatlichen Beschwerdestelle unter Einbeziehung des DGB. Wir wollen Staatsanwaltschaften für Straftatbestände aus dem Arbeitsrecht schaffen und mehr Personal für die Aufsichtsbehörden einrichten.
  • Der Staat muss eine Vorreiterrolle für gute Löhne einnehmen: Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen wollen wir daran knüpfen, dass Tarifverträge eingehalten werden und an Kriterien der Gewerkschaften für gute Arbeit gebunden sind. Die Löhne in den unteren und mittleren Einkommensgruppen des Öffentlichen Dienstes müssen deutlich steigen.

DIE LINKE will gute Löhne für alle Beschäftigten. Wir wollen verbindliche Obergrenzen für Manager- und Vorstandsgehälter: Sie dürfen nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen. Die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der Schweiz hatten ein Verhältnis von 1 zu 12 gefordert – das ist der nächste Schritt. Jahresgehälter über einer halben Million Euro dürfen nicht mehr steuerlich abzugsfähig sein. Wir wollen Wege prüfen, wie sie in Portland (USA) gegangen werden: Dort wird für Unternehmen eine Strafsteuer erhoben, deren Löhne zu weit auseinander gehen. Wir fordern verbindliche Regeln für alle öffentlichen Unternehmen. Obergrenzen für Gehälter in Unternehmen sollen dazu beitragen, die Einkommen in der Gesellschaft gerechter zu machen. Wir schlagen vor, dass niemand mehr als 40 Mal so viel verdienen sollte wie das gesellschaftliche Minimum. Das sind derzeit knapp eine halbe Million Euro im Jahr.



Keine Aussage



Familien und Kinder im Mittelpunkt

Familien und Kinder sind unser großes Glück. Wenn zwei Menschen füreinander da sind und Verantwortung übernehmen, leisten sie einen Beitrag zu einer menschlichen und stabilen Gesellschaft. Wo immer Menschen Verantwortung für Kinder und ihre Erziehung übernehmen, leisten sie einen wertvollen Beitrag für unsere gemeinsame Zukunft. Es ist eine große Ermutigung, dass gerade junge Menschen dazu zunehmend bereit sind und dass die Zahl der Geburten wieder steigt. Ehe und Familien zu fördern, bleibt für uns eine der wichtigsten Aufgaben des Staates. Deshalb stehen Ehe und Familien unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes.

Wir schreiben Familien kein bestimmtes Familienmodell vor. Wir respektieren die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens. Menschen sollen selbst entscheiden, wie sie ihr Zusammenleben gestalten und ihren Alltag organisieren. Verantwortung wird auch in anderen Formen des Zusammenlebens, die auf Dauer angelegt sind, übernommen und gelebt: Zum Beispiel durch Alleinerziehende, Patchwork-Familien, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und die bestehenden eingetragenen Lebenspartnerschaften.

Dem fühlen sich CDU und CSU verpflichtet. Seit 2013 haben wir das ElterngeldPlus eingeführt, das Mutterschutzgesetz reformiert sowie Kindergeld und Kinderfreibeträge an die Steigerung der Lebenshaltungskosten angepasst. Wir haben rund 5,3 Milliarden in den Bau und Betrieb von Kindertagesstätten investiert und helfen finanzschwachen Städten und Gemeinden mit rund 7 Milliarden Euro bei der überfälligen Sanierung von Schulen und Einrichtungen.

Noch stärker als bisher wollen wir in den kommenden vier Jahren unsere Förderung auf Familien und Kinder ausrichten. Wir finden uns nicht mit Kinderarmut ab. Wir wollen, dass alle unsere Kinder die bestmögliche Erziehung, Bildung und Betreuung erhalten, unabhängig von Herkunft und Lebenssituation der Eltern. Wir wollen, dass Familien Zeit füreinander und miteinander haben, damit sie die schönste Zeit ihresLebens bewusst gestalten und erleben können. Und wir wollen, dass junge Familien mehr als bisher Wohneigentum für sich und ihre Kinder erwerben können.

Kinderrechte ins Grundgesetz

  • Schon jetzt stellt das Grundgesetz Ehe und Familie unter den besonderenSchutz des Staates. Auch Kinder brauchen einen besonderen Schutz. Der Schutz der Kinder hat für uns Verfassungsrang. Deshalb werden wir ihre Rechte in das Grundgesetz aufnehmen.

Bildung und Betreuung stärken

  • Die Wahlfreiheit der Eltern im Hinblick auf Erziehung und Betreuung ihrer Kinder ist uns wichtig. Das setzt voraus, dass Betreuung überall dort, wo sie von Eltern gewünscht oder benötigt wird, auch tatsächlich vorhanden ist. In den vergangenen Jahren wurden unter der Regierungsverantwortung von CDU und CSU bereits ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz eingeführt. Viele tausend Betreuungsplätze sind dadurch neu entstanden.
  • Wir werden deshalb in der kommenden Wahlperiode auch einen Rechtsanspruch auf Betreuung im Grundschulalter einführen: So wird Betreuung auch in dieser wichtigen Lebensphase sichergestellt. Dabei werden wir auf Flexibilität achten, bedarfsgerecht vorgehen und die Vielfalt der bestehenden Betreuungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Kinderhorte, erhalten. Durch den neuen Rechtsanspruch helfen wir jungen Familien, Arbeit und Familie besser miteinander zu verbinden. Wir wollen auch Anreize für mehr Engagement aufseiten der Unternehmer setzen. Die Steuerbefreiung für Zuschüsse der Arbeitgeber für Betreuungskosten werden wir bis zum Ende der Grundschule ausweiten.
  • Parallel zur Erhöhung der Zahl der Betreuungsplätze werden wir dafür sorgen, dass die Qualität von Bildung und Betreuung weiter ausgebaut wird. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Ausstattung von Kindertages- und Betreuungseinrichtungen mit ausreichend und gut ausgebildetem Personal zu.

Familien entlasten 

  • Wir werden die finanzielle Situation junger Familien spürbar verbessern, indem wir den Kinderfreibetrag in zwei Schritten auf das Niveau des Erwachsenenfreibetrags anheben und das Kindergeld entsprechend erhöhen. In einem ersten Schritt werden wir das Kindergeld um 25 Euro je Kind erhöhen. 300 Euro mehr pro Kind und Jahr sind ein starkes Signal. Gleichzeitig wird der Kinderfreibetrag entsprechend erhöht. Den zweiten Schritt werden wir abhängig von der wirtschaftlichen Lage verwirklichen, aber spätestens in der darauffolgenden Legislaturperiode.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern

  • Schon heute gibt es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Teilzeit. Um die Rückkehr in berufliche Vollzeit-Arbeit zu erleichtern, wollen wir künftig in Betrieben ab einer bestimmten Größe auch einen Anspruch auf befristete Teilzeit schaffen. Wir werden zügig mit den Sozialpartnern über Art und Inhalt der Regelung sprechen.
  • Wir werden sicherstellen, dass alleinerziehende Mütter und Väter, die nach der Geburt ihrer Kinder auf Berufstätigkeit verzichtet haben, eine regelmäßige Beratung über Möglichkeiten zur beruflichen Wiedereingliederung erhalten.
  • Gemeinsam mit den Tarifpartnern werden wir flexible Modelle entwickeln, die es Familien ermöglichen, gemeinsam mehr Zeit miteinander zu verbringen. Wir werden prüfen, ob im Rahmen von Familien- und Lebensarbeitszeitkonten mehr Spielraum für Familienzeit geschaffen werden kann.

Wohneigentum für Familien möglich machen 

  • Wir wollen jungen Familien beim Erwerb von Wohneigentum mehr helfen als bisher. Dies soll für Bestandsbauten und Neubauten gleichermaßen gelten. Damit der Traum vom eigenen Heim stärker in Reichweite rückt, werden wir ein Baukindergeld in Höhe von 1.200 Euro je Kind und pro Jahr neu einführen. Das Baukindergeld soll über einen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt werden. Dieser Anspruch soll für alle Kaufverträge beziehungsweise Baugenehmigungen gelten, die seit dem 1. Juli 2017 neu abgeschlossen oder erteilt wurden.
  • Wir wollen bei der Grunderwerbsteuer Freibeträge für Erwachsene und Kinder einführen. Die Zuständigkeit der Bundesländer bleibt gewahrt. Dies soll für den erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums gelten.
  • Vorschriften für Neubauten zum Schutz von Umwelt und Klima sowie zur Reduzierung von Energiekosten amortisieren sich oftmals erst nach Jahrzehnten. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Förderangeboten der KfW werden wir deshalb Lösungen prüfen, die eine Amortisation dieser Kosten über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes ermöglichen und so den Kreditrahmen junger Familien entlasten.

Gesellschaftliche Wertschätzung für Familien verbessern 

  • Wir wollen erreichen, dass die enorme Leistung, die Familien mit Kindern für unser Land erbringen, auch gesellschaftlich stärker anerkannt wird. Die Teilnahme und Teilhabe bei öffentlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen muss problemloser als bisher möglich sein. CDU und CSU stehen für eine gute Familienkultur. Wir wollen mehr als bisher Vorfahrt für Familien und Kinder in Behörden und Einrichtungen, beispielsweise an Flughäfen, Fahrkartenschaltern und Museen. Denn Familien und Kinder sind das Fundament unserer Gesellschaft.
  • Wir wollen eine Anlauf- und Auskunftsstelle für alle Familienangelegenheiten schaffen, damit junge Familien bestmöglich die Vielfalt der staatlichen Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen können.



Vielfältige Lebensrealitäten anerkennen

Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben könne – mit gleichen Rechten und Pflichten. Die Gleichheitsrechte in Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz müssen um die sexuelle Identität erweitert werden. Initiativen gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie werden wir verstärken. Wir werden die Lage von trans- und intergeschlechtlichen Menschen verbessern und gewährleisten, dass sie selbst über ihr Leben bestimmen können. Das betrifft medizinische, gesundheitliche, soziale und rechtliche Aspekte. Wir werden daher das Transsexuellengesetz und weitere Gesetze reformieren.

Wir unterstützen Familien in ihrer Vielfalt. Das Verständnis von Familie in Deutschland wird breiter: Familie ist dort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Wir werden daher die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnenund wollen die Ehe für alle. Das schließt das Adoptionsrecht ausdrücklich mit ein. Wir wollen ein modernes Familienrecht, das die Vielfalt von Familien widerspiegelt. Familien mit verheirateten, unverheirateten oder gleichgeschlechtlichen Paaren; getrennt, gemeinsam oder allein Erziehende; Stieffamilien, Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Pflegefamilien. Wir sorgen für Klarheit in all diesen Konstellationen, indem Rechte und Pflichten eindeutig definiert werden. Das Wohl der Kinder muss dabei immer im Mittelpunkt stehen.

Wir setzen uns für mehr Partnerschaftlichkeit in der Betreuung von Kindern ein. Wir wollen es deshalb Eltern erleichtern, sich auch nach einer Trennung oder Scheidung gemeinsam um ihre Kinder zu kümmern. Die Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen und der wissenschaftliche Fortschritt in der Reproduktionsmedizin führen dazu, dass die biologischen Eltern immer häufiger nicht die sozialen Eltern sind. Deshalb setzen wir unsfür ein modernes Abstammungsrecht ein, das diesen neuen Konstellationen Rechnung trägt.

Auch das Vormundschaftsrecht muss reformiert werden. Das Wohl des Kindes muss im Vordergrund stehen. Wo in der Vergangenheit die Vermögenssorge überbetont wurde, soll – im Interesse der betroffenen Kinder – die Verantwortung des Vormunds für die Erziehung, Fürsorge und Entwicklung des Kindes stärker hervorgehoben werden. Wir werden die Rechte von Pflegekindern stärken. Denn für Kinder, die in einer Pflegefamilie leben, sind Kontinuität und Sicherheit besonders wichtig.

Menschen können durch Krankheit, Unfall oder Behinderung handlungs- und entscheidungsunfähig werden. Eine moderne Gesellschaft braucht für diesen Fall verlässliche Regelungen. Dazu wollen wir die Vorsorgevollmacht stärker ins Bewusstsein bringen. Denn mit ihr können Bürgerinnen und Bürger selbst bestimmen, wer im Notfall stellvertretend für sie ihre Angelegenheiten regeln darf. Die Anordnung einer Betreuung muss immer das letzte Mittel bleiben. Deshalb werden wir den Grundsatz der Erforderlichkeit im Betreuungsrecht stärken. Betreute müssen sich darauf verlassen können, dass für sie ein guter Betreuer bestellt wird, der ihr Selbstbestimmungsrecht respektiert.



V. Wir holen Kinder aus der Armut und fördern Familien

Familien geben vielen Menschen hat. In Familien stehen Menschen sich nahe, sie lernen voneinander. Kinder können geborgen zu selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen. Familien begleiten alte Menschen in der letzten Phase ihres Lebens. Für uns GRÜNE ist Familie überall da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Familien leisten viel: füreinander, aber auch für die Gesellschaft insgesamt. Doch viele tun das unter oft schwierigen Bedingungen: In Alleinerziehendenfamilien muss eine Person die Aufgaben allein schultern; in manch einer Familie reicht das Geld hinten und vorne nicht. Immer noch übernehmen Frauen im Durchschnitt fast doppelt so viele Stunden der unbezahlten häuslichen Arbeit wie Männer. Doch immer mehr Paare wollen sich die Erziehung partnerschaftlich teilen, ohne dass dies zulasten der beruflichen Perspektiven geht. Wir GRÜNE stehen für eine zeitgemäße Familienpolitik, die diese Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit schließt. Fürsorge für andere kann das Leben bereichern. Und gleichzeitig funktioniert auch unsere Gesellschaft nur, wenn Menschen zusammenhalten.

Familien sind inzwischen so vielfältig wie das Leben selbst: Es gibt verheiratete Paare mit Kindern, Alleinerziehende, Patchworkfamilien, nichteheliche Familien, Regenbogenfamilien, Pflegefamilien oder Familien ohne Kinder. Wir GRÜNE machen eine Politik, die Familien in allen Formen und Modellen unterstützt. Deshalb sorgen wir dafür, dass die finanzielle Absicherung von Kindern und Familien nicht länger vom Lebensmodell der Eltern abhängt. Den sozialen Eltern, also Menschen, die wie in vielen Patchworkfamilien langfristig Verantwortung für ein Kind übernehmen, ohne dessen leibliche Eltern zu sein, fehlt ein rechtlicher Rahmen für ihre Familienform. Und das, obwohl sie feste Wegbegleiter*innen ihrer Kinder sind. Wir wollen Pflegekinder und Pflegefamilien unterstützen und ihre rechtliche Situation verbessern. Auch Pflegekinder haben ein Bedürfnis nach und ein Recht auf dauerhafte und stabile Lebens-verhältnisse.

Darüber hinaus wollen wir mit dem Pakt für das Zusammenleben eine neue Rechtsform schaffen, die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig von der Ehe rechtlich absichert.

1. Mehr Unterstützung für Familien

Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist heute eine der größten Herausforderungen für Familien, nach wie vor vor allem für Frauen. Wir wollen dafür sorgen, dass Eltern nicht die Puste ausgeht. Beweglichkeit und ein Abschiednehmen von überholten Mustern sind gefragt, um die Anforderungen der Arbeitswelt mit den Bedürfnissen der Beschäftigten mehr in Einklang zu bringen und dafür zu sorgen, dass Arbeit, Aus- und Weiterbildung sowie Studium besser ins Leben passen. Viele Unternehmen haben dies erkannt und angefangen, Arbeitszeit neu zu denken und innovative Konzepte für ihre Belegschaften zu entwickeln. Solche Wege wollen wir unterstützen: mit einer flexiblen Vollzeit, die es Beschäftigten ermöglicht, freier zu entscheiden, wie innerhalb eines Korridors von 30 bis 40 Stunden ihre persönliche Vollzeit aussieht; mit einem Rückkehrrecht auf die ursprüngliche Stundenzahl nach einer Phase der Teilzeit; mit einem Recht auf Homeoffice als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz sowie mit einer Pflegezeit, die hilft, die Sorge für einen nahestehenden Menschen mit dem Beruf besser zu vereinbaren. Vor allem aber mit einer gezielten Förderung von Familien durch unser Konzept KinderZeit Plus. Die KinderZeit Plus löst das Elterngeld ab und macht es rechtlich möglich, auch nach dem ersten Geburtstag des Kindes phasenweise die Arbeitszeit zu reduzieren. Familien bekommen damit mehr Beweglichkeit.

Familien brauchen eine sie unterstützende Infrastruktur. Frauen und Männer können ihre Arbeit und ihr Leben mit Kindern nur dann gut verbinden, wenn es gute Betreuungsangebote gibt. Neben einem Rechtsanspruch auf eine ganztägige Kinderbetreuung gehört dazu ganz zentral der flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen, mindestens aber ein Rechtsanspruch auf Hortbetreuung. Andernfalls brechen in vielen Familien alle Arrangements zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit der Einschulung des Kindes weg. Zur Entlastung pflegender Angehöriger sollen ambulante Unterstützungsangebote flächendeckend ausgebaut werden. So ist ein selbstbestimmtes Leben in vertrauter Umgebung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen möglich. Ältere Menschen haben viel beizutragen. Sie engagieren sich ehrenamtlich in Projekten. Sie tun das freiwillig, selbstbestimmt und mutig. Sie bauen Netzwerke auf und gründen Organisationen, mit denen sie wirkungsvoller handeln können.

Die Kinder- und Jugendhilfe unterstützt junge Menschen auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Ob Kinderbetreuung, Jugendarbeit, Hortbetreuung oder Hilfen bei der Erziehung: Fast alle nutzen im Laufe ihres Lebens einmal diese Angebote. Und die Aufgaben wachsen. Junge Menschen und ihre Familien brauchen eine gut ausgestattete Kinder- und Jugendhilfe und eine Jugendarbeit, welche die Jugendlichen – so verschieden sie auch sind – erreicht. Entscheidend für ein Ende der Hilfe darf nicht der 18. Geburtstag, sondern muss der tatsächliche Bedarf sein. Notwendig sind auch eine Zusammenführung der Leistungs- und Unterstützungssysteme für Kinder mit und ohne Behinderung im Jugendhilferecht sowie der Erhalt des individuellen Rechtsanspruchs auf Hilfen zur Erziehung. Das Aufwachsen von Kindern muss bestmöglich unterstützt werden. Hier darf es auch keine unterschiedlichen Standards für einheimische und geflüchtete Kinder geben. Alle Kinder und Jugendlichen sollen bestmöglich vor Vernachlässigung, emotionaler und körperlicher Misshandlung oder sexuellem Missbrauch geschützt werden. Deshalb: Wir brauchen mehr Präventionsangebote, damit es erst gar nicht so weit kommt, sowie ausreichend Hilfs-, Beratungs- und Therapieangebote für Kinder, denen etwas zugestoßen ist.

Dafür muss die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen verbindlich geregelt werden. Hierzu gehören klare Qualitätsvorgaben und eine entsprechende Finanzierung. Die ausreichende finanzielle Unterstützung des „Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ wollen wir gewährleisten sowie die Arbeit des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs dauerhaft absichern.

2. Familien entlasten und Kinder fördern – mit dem grünen Familien-Budget

Kinder leben bei uns sehr unterschiedlich. Sie haben alle die gleichen Rechte, kommen aber nicht alle gleichermaßen zu ihrem Recht. Um viele Kinder muss sich die Gesellschaft glücklicherweise keine Sorgen machen. Doch aktuell leben auch fast drei Millionen Kinder in Deutschland in Armut oder sind von Armut bedroht. Besonders gefährdet sind Alleinerziehende und ihre Kinder sowie Familien mit drei und mehr Kindern. Armut schmerzt und grenzt aus.

Mit dem grünen Familien-Budget schnüren wir ein großes Reformpaket, das zahlreiche Schwachstellen bei der Familienförderung angeht. Mit zwölf Milliarden Euro wollen wir Familien entlasten. Für uns ist die Bekämpfung von Kinderarmut ein prioritäres Ziel. Wir stärken Alleinerziehende durch eine echte Existenzsicherung für Kinder. Wir entlasten so Familien mit geringem und mittlerem Einkommen und beenden endlich die ungleiche Unterstützung von Kindern entlang des Einkommens ihrer Eltern.

Das Familien-Budget besteht aus drei Reformteilen. Die Regelsätze für Kinder und Erwachsene in der Grundsicherung müssen so ermittelt werden, dass sie das Existenzminimum verlässlich und in ausreichender Höhe absichern. Die Bedarfe müssen tatsächlich gedeckt werden, auch die zur Teilhabe am sozialen Leben, an Bildung, Kultur und Mobilität, soweit diese nicht durch Infrastruktur-Angebote gedeckt werden.

Eltern mit geringen Einkommen erhalten einen einkommensabhängigen KindergeldBonus, der ihren Bedarf (sächliches Existenzminimum) unbürokratisch und ohne Antrag garantiert. Eltern mit geringen Einkommen erhalten den KindergeldBonus in voller Höhe. Bei höheren Einkommen der Eltern wird der Betrag abgeschmolzen. Als Basis für alle wollen wir eine einkommensunabhängige Kindergrundsicherung einführen, die das Kindergeld und die Kinderfreibeträge ersetzt. Dadurch erhalten Eltern mit kleinen und mittleren Einkommen für ihre Kinder endlich die gleiche Unterstützung wie Eltern mit hohen Einkommen. Diese neue Kindergrundsicherung soll mit der Einführung einer Individualbesteuerung mit einem übertragbaren Grundfreibetrag verknüpft werden. Für bereits Verheiratete und Verpartnerte gilt: Sie können entscheiden, ob sie das alte Recht mit Ehegattensplitting, Kindergeld und Kinderfreibeträgen behalten oder in die neue Regelung mit Kindergrundsicherung und Individualbesteuerung wechseln. So stellen wir sicher, dass von unserer Reform alle profitieren.

Mit dem Familien-Budget werden Kinderfreibetrag, Kindergeld, Kinderzuschlag und Kinderregelsatz zu einer unbürokratischen Leistung zusammengeführt. Außerdem braucht es neben guter Bildung auch echte Teilhabe von Kindern an zentralen gesellschaftlichen Gütern wie Sport, Musik und Kultur. Das heutige Bildungs- und Teilhabepaket erreicht dieses Ziel nicht und soll deswegen abgeschafft werden. Wir wollen stattdessen die bisherigen Leistungen für die betroffenen Kinder zum Teil durch einen vom Bund finanzierten kostenfreien Zugang zu den entsprechenden Angeboten und zum Teil im Regelsatz gewähren.

Das beste Mittel gegen Kinderarmut bleibt nach wie vor die Erwerbstätigkeit der Eltern. Deshalb ist es besonders für Mütter ganz zentral, dass sie endlich eine angemessene Bezahlung in Jobs, die zum Leben reicht, eine bessere soziale Absicherung sowie gute Betreuungsangebote für ihre Kinder erhalten. Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass Beruf und Familie vereinbar sind.

3. Kinder und Jugendliche sollen mitbestimmen, wie ihre Welt aussieht

Wir GRÜNE machen Politik für ein kinderfreundliches Land. Darin kommen alle Kinder zu ihrem Recht, die aus den akademischen Haushalten genauso wie die aus den Arbeiterfamilien; die, deren Familien immer schon am gleichen Ort wohnen, genauso wie die, deren Eltern nach Deutschland eingewandert oder erst vor Kurzem zu uns gekommen sind; die mit Behinderung genauso wie die ohne; Mädchen genauso wie Jungs. Ganz vorn steht deshalb für uns die Festschreibung der Kinderrechte im Grundgesetz. Kinder und Jugendliche sollen mitbestimmen, wer ihre Welt gestaltet. Deshalb wollen wir das Wahlalter bei allen Wahlen auf 16 Jahre senken. Wer in der Kindheit ernst genommen wird und spürt, dass man Dinge selbst verändern kann, geht als Erwachsener sicherer durchs Leben.


Wer GRÜN wählt, stimmt für diese drei Projekte:

Für ein modernes Familienrecht – alle Familienformen anerkennen und schützen
Familie ist da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Über 30 Prozent aller Familien, in denen minderjährige Kinder leben, sind keine Ehen, sondern: nichteheliche Familien, Alleinerziehende mit Kind, Patchworkfamilien oder Regenbogenfamilien. Für viele dieser heute selbstverständlichen Familienkonstellationen gibt es keinen klaren Rahmen, der ihre Rechte benennt und ihre Familienform absichert. Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln und für diese Familien ein Angebot schaffen, das sie in ihrer Verantwortung als Eltern rechtlich stärkt (Rechtsinstitut der elterlichen Mitverantwortung). Damit wollen wir klar regeln, welche Rechte und Pflichten, beispielsweise in der Schule, beim Arztbesuch oder im Alltag, aber auch welche Verantwortung für das Kind die leiblichen und die nicht leiblichen, aber miterziehenden Eltern haben.

KinderZeit Plus – damit Eltern mehr für ihre Kinder da sein können
Eltern müssen vieles gleichzeitig schaffen: die Arbeit, den Haushalt, Zeit für die Kinder, die Freunde – und sie wollen möglichst auch ein wenig Zeit für sich selbst haben. Dabei ist es ihnen wichtig, Erwerbsarbeit und Kindererziehung partnerschaftlich untereinander aufzuteilen. Diese Ziele unterstützen wir durch unsere grüne Zeitpolitik: Mit der KinderZeit Plus lösen wir das Elterngeld ab. Denn es sind nicht nur die Kleinsten, die ihre Eltern brauchen. Die grüne KinderZeit Plus ermöglicht es, die Arbeitszeit für bestimmte Phasen zu reduzieren. Die KinderZeit Plus kann genommen werden, bis die Kinder 14 Jahre alt sind. Damit unterstützen wir Eltern auch nach dem ersten Geburtstag des Kindes. So bekommen auch Eltern mit geringem Einkommen mehr Spielraum, um sich Zeit für ihre schon etwas größeren Kinder zu nehmen. In der KinderZeit Plus erhält jeder Elternteil acht Monate finanzielle Unterstützung – weitere acht Monate können frei zwischen den Eltern aufgeteilt werden. Wir unterstützen Eltern insgesamt also zwei Jahre lang.

Familien entlasten, Kinder fördern – mit dem grünen Familien-Budget
Mit dem grünen Familien-Budget schnüren wir ein Zwölf-Milliarden-Euro-Entlastungspaket, das zahlreiche Schwachstellen bei der Familienförderung angeht. Denn derzeit ist die Kinder- und Familienförderung trotz ihrer Vielzahl von Leistungen weder gerecht noch wirksam. Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in einer Familie, die arm oder von Armut bedroht ist. Das wollen wir ändern. Dazu wollen wir endlich die ungleiche Unterstützung von Kindern entlang des Einkommens ihrer Eltern beenden. Denn heute steht die Familienförderung kopf. Eltern mit hohem Einkommen erhalten für ihre Kinder mehr Unterstützung vom Staat als Eltern mit kleinem oder mittlerem Einkommen. Alleinerziehende werden durch dieses System besonders benachteiligt. Mit dem grünen Familien-Budget werden wir alle Kinder gleich gut unterstützen und Familien in erheblichem Maße entlasten. Zukünftig werden Paare individuell besteuert und profitieren vom grünen Familien-Budget. Bereits Verheiratete und Verpartnerte können entscheiden, ob sie das alte Recht mit Ehegattensplitting, Kinderfreibeträgen und Kindergeld behalten wollen oder ob für sie die neue Regelung mit Individualbesteuerung und grünem Familien-Budget günstiger ist. So stellen wir sicher, dass von unserer Reform alle profitieren.



Modernes Recht für Ehe und Familie

Die wichtigsten Entscheidungen sind oft die persönlichsten. Wen wir lieben, wie wir lieben, wie wir leben, wie wir Kinder erziehen und aufziehen – darin müssen wir alle frei sein. Der Staat und die Gesellschaft können Glück nicht verordnen. Glück kann nur jeder und jede für sich selber finden. Lassen wir jedem diese Freiheit!

Öffnung der Ehe

Wir Freie Demokraten fordern die Öffnung der Ehe für alle. In der halben EU, den USA, Kanada, Südafrika und selbst in Teilen Mittel- und Südamerikas wurde die gleichgeschlechtliche Ehe bereits anerkannt. In Deutschland stellt man sich jedoch immer noch gegen ein Stück Fortschritt, der für viele gar nichts, aber für manche alles ändert. Wir Freie Demokraten wollen das Prinzip „Gleiche Pflichten, gleiche Rechte“ für alle Paare umsetzen – einschließlich vollem Adoptionsrecht und freiem Zugang zur Reproduktionsmedizin. Der Rechtsrahmen für Regenbogenfamilien muss verbessert werden. Elternschaftsvereinbarungen sollen bereits vor der Empfängnis wirksam geschlossen werden können. Mehreltern-Familien sind Realität und müssen auch bei der rechtlichen Elternschaft abgebildet werden. Wird das Kind mit Hilfe einer Samenbank gezeugt, so soll die eingetragene Lebenspartnerin der Mutter von Geburt an auch rechtlich zweite Mutter sein können.

Kindergeld 2.0

Wir Freie Demokraten wollen Kinderarmut bekämpfen und deshalb Kinder in den Mittelpunkt der familienpolitischen Förderung rücken. Dazu wollen wir die bisher den Eltern zustehenden, kindesbezogenen Leistungen zu einem „Kindergeld 2.0“ zusammenfassen und damit einen eigenständigen Anspruch des Kindes schaffen. Denn Chancengerechtigkeit und Bildungszugang sind die Grundlage für das persönliche Vorankommen und ein selbstbestimmtes Leben. Heute haben Kinder in Deutschland aber noch ungleiche Startchancen im Leben. Ein Grund dafür ist, dass die familienbezogenen Leistungen wegen der zahlreichen Bedingungen, Berechtigungen, Anrechenbarkeiten zu kompliziert geregelt sind und Kinderarmut nicht ausreichend entgegenwirken. So werden zum Beispiel familienbezogene Leistungen wie Kindergeld, Betreuungsgeld oder Unterhaltsvorschuss auf Leistungen nachdem SGB II angerechnet. Das wollen wir ändern: Der Strauß der kindesbezogenen Leistungen wird zu einem Leistungspaket gebündelt und von einer zentralen Stelle ausbezahlt. Dieses „Kindergeld 2.0“ besteht aus folgenden Komponenten: Dem einkommensunabhängigen Grundbetrag, dem einkommensabhängigen Kinder-Bürgergeld (Flexibetrag), das die wirtschaftliche Situation der Eltern berücksichtigt, und den Gutscheinen für Leistungen für Bildung und Teilhabe. Darüber soll zum Beispiel die Mitgliedschaft im Sportverein oder das Erlernen eines Musikinstrumentes in einer Musikschule unbürokratisch möglich sein. Diese Neuregelung des Kindergeldes soll sicherstellen, dass die Leistungen auch bei den Kindern ankommen. Falls Erziehungsberechtigte hier Geld zweckentfremden, ermöglicht der eigenständige Anspruch des Kindes, das Geld anderweitig verwalten zu lassen, zum Beispiel von Verwandten oder dem Jugendamt. Zudem fallen durch die Bündelung der Leistungen unnötige bürokratische Hemmnisse weg.

Wechselmodell

Wir Freie Demokraten wollen das sogenannte „Wechselmodell“ als Modell zur Regelung der Betreuung minderjähriger Kinder nach Trennung und Scheidung der Eltern zum Regelfall machen. Dies bedeutet eine gemeinsame Betreuung der Kinder mit zeitlicher Verteilung zwischen ein Drittel / zwei Drittel bis hin zur hälftigen Teilung. Falls die Eltern sich bei einer Trennung nicht über den gewöhnlichen Aufenthalt ihrer Kinder einigen können, so entscheidet ein Familiengericht. Wir sind der Ansicht, dass das Wechselmodell dem Kindeswohl besser Rechnung trägt und wollen daher, dass die Gerichte dieses künftig als Regelmodell anwenden. Deshalb fordern wir im Einklang mit der Wissenschaft, internationalen Rechtsnormen und den Empfehlungen des Ausschusses für Antidiskriminierung und Gleichstellung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates eine neue Rechtsgrundlage: Zukünftig ist im Streitfall durch die Familiengerichte grundsätzlich anzunehmen, dass die gemeinsame elterliche Betreuung von Trennungskindern in der Regel dem Kindeswohl am besten entspricht (Vorrang des Prinzips der Doppelresidenz, analog zur elterlichen Sorge). Im Einzelfall kann diese Annahme Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sein. Andere Gestaltungen zum Wohle des Kindes können notwendig sein. Entsprechend wollen wir auch das Unterhaltsrecht, das Recht der rechtlichen Vertretung des Kindes, das Sozialrecht, das Steuerrecht und das Rentenrecht überprüfen und dort anpassen, wo individuelle Lösungen von elterlicher Betreuung und Kindesaufenthalt dieser fordern. Großeltern vermitteln Scheidungskindern mit regelmäßigen Begegnungen den notwendigen Halt. Wir wollen auch ihre Rechte im Umgang mit den Enkeln stärken.

Einführung der Verantwortungsgemeinschaft

Wir Freie Demokraten setzen uns für die Einführung der Verantwortungsgemeinschaft als Rechtsinstitut neben der Ehe ein. In einer Zeit, in der traditionelle Familienstrukturen gerade im Alter nicht immer tragen, wächst der Bedarf an neuen Formen gegenseitiger Absicherung – jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehungen. Deshalb wollen wir im Bürgerlichen Gesetzbuch neben der Ehe das Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft mit flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme zwischen zwei oder mehreren Personen einführen. Um Rechtsklarheit gegenüber anderen Verpflichtungen zu wahren, dürfen diese Personen weder verheiratet, verpartnert oder in gerader Linie miteinander verwandt sein. Begünstigungen durch den Staat im Steuer- und Sozialrecht, aber auch im Erbrecht, sind nur gerechtfertigt, wenn die Partner volle Unterhalts- und Einstandspflichten wie Ehepaare übernehmen.



XII. Für einen linken Feminismus – sozial gerecht, sexuell selbstbestimmt und aktiv gegen Gewalt

Die feministischen Bewegungen und viele mutige Menschen haben in den vergangenen Jahrzehnten so manchen Fortschritt erkämpft – auch gegen heftige Widerstände: stereotype Rollenbilder wurden aufgeweicht, und es sind mehr Frauen erwerbstätig als noch eine Generation zuvor.

Doch die Revolution der Geschlechterverhältnisse ist unvollendet. Noch immer sind die Tätigkeiten zwischen den Geschlechtern ungerecht verteilt. Noch immer verdienen Frauen im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer, in vielen Bereichen trotz gleicher Qualifikation und gleicher oder gleichwertiger Arbeit. In den Familien übernehmen im Durchschnitt immer noch die Frauen den größeren Teil der Haus- und Pflegearbeit. Und Berufe, in denen überproportional viele Frauen arbeiten, sind in der Regel die schlechter bezahlten. Die Führungsetagen sind überwiegend von Männern besetzt. Der Kampf gegen den alltäglichen Sexismus stößt noch immer auf erbitterten Widerstand von Verteidigern des Patriarchats.

Der Niedriglohnsektor wächst, in dem besonders viele Frauen sich z.B. als Verkäuferinnen, Friseurinnen, Masseurinnen oder Gebäudereinigerinnen abrackern und mit dem Geld kaum über die Runden kommen. Frauen arbeiten häufiger in unfreiwilliger Teilzeit, insbesondere Alleinerziehende. Das führt dazu, dass vor allem Frauen von Altersarmut betroffen sind. Frauen erleben Sexismus zu Hause, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit – bis hin zu sexueller Belästigung oder Gewalt. Migrantinnen werden durch Rassismus doppelt diskriminiert und in der Folge besonders stigmatisiert und ausgebeutet.

Von rechts wird die heteronormative Kleinfamilie – Vater, Mutter, Kind – als vermeintlich sicherer Hafen in unsicheren Zeiten verkauft. Die rechtspopulistische Bewegung macht Stimmung gegen Menschen und deren Forderungen nach Gleichstellung, die nicht in ihr reaktionäres Weltbild passen. Und sie instrumentalisiert feministische Kritik für ihre rassistischen Parolen. Wichtige emanzipatorische Erfolge und Forderungen werden ins Gegenteil verkehrt und sollen wieder dem Weltbild des 19. Jahrhunderts angepasst werden. Diesem Kulturkampf von rechts stellt DIE LINKE einen solidarischen und freiheitlich-emanzipatorischen Entwurf einer Gesellschaft entgegen, in der alle selbstbestimmt leben können. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der Menschen sich frei von Existenzangst und Diskriminierung entfalten können. Wir streiten für die Gleichwertigkeit aller Lebensentwürfe, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen und ethnischen Identitäten.

Wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Männern. Doch Gleichstellung ist nur ein Etappenziel. Es geht nicht darum, dass Frauen das gleiche Recht bekommen sollen, sich im Hamsterrad bis zur Erschöpfung abzustrampeln, ihre Arbeit unter Zeitstress zu erledigen und schlecht bezahlt zu werden – so wie viele Männer auch. Es geht nicht nur um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit Frauen Kinder und Karriere noch schneller jonglieren können. Wir brauchen neue Arbeitszeitmodelle – und zwar für alle! Wir streiten deshalb für eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft, in der alle Tätigkeiten und Bedürfnisse zu ihrem Recht kommen, und nicht die Erwerbsarbeit allein den Takt vorgibt. Eine solche Gesellschaft muss verschiedene Lebensentwürfe absichern und Selbstbestimmung in Solidarität fördern, statt Ich-AGs in Konkurrenz.

Geschlechtergerechtigkeit heißt Emanzipation für die ganze Gesellschaft. Es geht um soziale Gerechtigkeit und Solidarität statt individuellem Durchschlagen gegen Männerdominanz und Konkurrenz. Das ist linker Feminismus.

Zeit für eine radikale Umverteilung von Erwerbsarbeit und Sorge-Arbeit

Dass wir die notwendigen Güter mit weniger Arbeit herstellen, könnte ein Glück sein: Wenn die Arbeit gerecht verteilt wird. Stattdessen müssen die einen Überstunden machen, während andere gar keine Arbeit finden. Um selbstbestimmt zu leben, müssen wir über die Zeit anders verfügen können. Vier Bestandteile gehören zusammen: Zeit für Erwerbsarbeit, für Familie und Freundinnen und Freunde, für gesellschaftliches Engagement, Bildung und Kultur sowie ausreichend Erholung und Zeit für sich selbst. Wir wollen

  • eine Arbeitszeitverkürzung, die um 30 Wochenstunden oder einen Sechs-Stunden-Tag kreist, bei vollem Lohn- und notwendigem Personalausgleich. In diesem neuen Normalarbeitsverhältnis werden die individuellen Bedürfnisse in der Arbeitszeit stärker berücksichtigt.
  • ein individuelles Recht auf Teilzeit sowie das Rückkehrrecht auf die vorherige Arbeitszeit, die Einführung von Auszeiten-Regelungen und die stärkere Kontrolle von Überstunden und Arbeitszeitgesetzen durch Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen.
  • die Stärkung sozialer Dienstleistungen und der öffentlichen Daseinsvorsorge, hin zu einer bedarfsgerechten Versorgung, durch bessere Finanzierung und mehr Personal.
  • Alle Menschen sollen gleichermaßen freie Zeit genießen können und Zugang zu unterschiedlichen Freizeit- und Kulturangeboten haben. Doch nicht nur die Zeit, auch Arbeit und Löhne sind ungerecht verteilt zwischen Frauen und Männern. Deshalb fordern wir:
  • Gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit! Dafür brauchen wir ein verbindliches Entgeltgleichheitsgesetz samt Verbandsklagerecht, damit Frauen nicht mehr allein vor Gericht ziehen müssen.
  • Die gerechte Verteilung von Erwerbsarbeit, unbezahlter Hausarbeit, Kindererziehung und Betreuung sowie von Pflege innerhalb der Gesellschaft und zwischen den Geschlechtern. Das heißt auch, eine Umverteilung der gut bezahlten Erwerbsarbeit hin zu Frauen. Wir wissen: Mehr Männer wollen und würden sich mehr an der Familienarbeit beteiligen, wenn die ökonomischen Verhältnisse es zuließen. Dass sie das genauso gut können wie Frauen, beweisen täglich viele Männer, die erziehen und pflegen.
  • Ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das nicht nur die 101 Dax-notierten Unternehmen und nicht nur die Aufsichtsräte betrifft.
  • Weg mit der unverbindlichen Flexi-Quote! Wir brauchen eine verbindliche Frauenquote von 50 Prozent für alle Aufsichtsräte sowie für die Vorstände aller Unternehmen.

Noch immer leisten Frauen den Löwinnen-Anteil der sogenannten Sorge-Arbeit. Dabei steht die Sorge um sich und andere im Zentrum einer solidarischen Gesellschaft. Wer sich professionell um andere sorgt, seien es Kinder, Alte oder Kranke, verdient ein hohes Maß gesellschaftlicher Anerkennung – nicht nur, aber auch finanziell. Viele werden zwischen Sorgeverpflichtung und eigener Erwerbsarbeit zerrieben, häufig bleibt Hartz IV als einziger Ausweg. Meist trifft es Frauen. Zudem sind immer mehr Frauen erwerbstätig, nicht selten sind sie Familienernährerinnen. Familien leben räumlich oft nicht mehr nah beieinander. Öffentliche Angebote fehlen, professionelle Rund-um-die-Uhr-Pflege können sich nur wenige leisten.

Wir brauchen ein revolutionäres Umdenken, wie Sorge- und Pflegearbeit (= Care) verteilt und anerkannt wird. Deshalb fordern wir im Sinne einer »Care Revolution«:

  • Eine solidarische Pflegevollversicherung (vgl. Kapitel IV »Solidarische Gesundheitsversorgung«).
  • Einen Rechtsanspruch für Beschäftigte auf regulär und durch den Arbeitgeber bezahlte Freistellung von bis zu sechs Wochen für die akut notwendige Pflegeversorgung. Menschen übernehmen heute in sehr unterschiedlichen Lebensmodellen Verantwortung füreinander. Der Rechtsanspruch auf Pflegezeit muss daher auch für Angehörige ohne verwandtschaftliche Beziehung gelten.
  • Die volle Anrechnung von Kindererziehung und eine bessere Anrechnung von Pflegezeiten bei der Rentenberechnung. So wirken wir Altersarmut entgegen, von der vor allem Frauen betroffen sind.
  • Eine Neubewertung aller gesellschaftlich erforderlichen Tätigkeiten und eine neue Verteilung aller bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen Männern und Frauen. Nur so kann Sorge-Arbeit langfristig aufgewertet werden.

Die Erkämpfung des Frauenwahlrechts war ein Meilenstein auf dem Weg der Gleichberechtigung. Dass die tatsächliche Geschlechtergleichstellung immer noch in weiter Ferne ist, liegt auch an der mangelnden Vertretung von Frauen bei den Wahlämtern.

  • Wir fordern ein Parité-Gesetz, das – wie in verschiedenen Ländern bereits üblich – die Parteien verpflichtet, ihre Wahllisten und Wahlkreise geschlechterparitätisch aufzustellen.

Ohne Angst verschieden sein können

Vielfalt ist für uns kein Lippenbekenntnis, sondern eine Selbstverständlichkeit, ein Zeichen von Lebensqualität und Humanismus. Dafür müssen wir gegen Diskriminierung vorgehen. Wir stehen an der Seite derjenigen, die von prekärer Arbeit und Niedriglohn, ungleichen Bildungschancen, Rassismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit und Altersdiskriminierung, Homo- und Transfeindlichkeit betroffen sind. Von Diskriminierung betroffene Menschen müssen aber nicht nur geschützt werden. Zugleich ist notwendig, ihre (Selbst-)Organisationen finanziell und politisch zu stärken.

Wir wollen, dass die vielfältigen Lebensweisen rechtlich gleichgestellt werden und setzen uns für ihre gesellschaftliche Akzeptanz ein. Dazu gehört, die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften zu überwinden. Bisher sind Ehe und Lebenspartnerschaft in den Pflichten gleichgestellt (z.B. gegenseitige Unterhaltspflichten). Doch gleiche Rechte, wie z.B. ein gemeinsames Adoptionsrecht, haben sie nicht.

Die Anerkennung aller Familienformen und Lebensentwürfe ist für uns leitendes Prinzip. Überkommene Privilegien der Ehe sollen überwunden werden. Deswegen sollen der besondere Schutz und die Förderung durch Staat und Gesellschaft in Zukunft nicht Ehepaaren, sondern denjenigen zu Gute kommen, die mit Kindern oder Pflegebedürftigen leben und Kompensation für daraus erwachsende Nachteile benötigen.

  • Die staatliche Subventionierung eines überholten Alleinernährer- oder Zuverdienerinnen-Modells wollen wir beenden. Stattdessen sollen die tatsächlichen Betreuungs- und Pflegeleistungen sowie das Zusammenleben mit Kindern gefördert und im Rentenrecht ausgeglichen werden. Das Ehegattensplitting wird durch familienfreundliche Steuermodelle ersetzt. Dabei muss das nicht ausgeschöpfte steuerliche Existenzminimum zwischen den Eheleuten bzw. Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern frei übertragbar sein.
  • Wir wollen als ersten Schritt die Öffnung der Ehe und das Adoptionsrecht für alle. Die Ehe soll perspektivisch durch ein System der Wahlverwandtschaften ergänzt werden (vgl. Kapitel XIII »Queer«).
  • Reproduktionsmedizin muss auch nicht-verheirateten, lesbischen und Single-Frauen durch Kostenübernahme der Krankenkasse zur Verfügung stehen.
  • Kinder brauchen Erwachsene, die sich liebevoll und verbindlich um sie kümmern. Eltern und Sorgeberechtigte sind nicht unbedingt dieselben Personen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch (bis zu) vier Personen Eltern für ein Kind sein können, also in Co-Elternschaft das gemeinsame Sorgerecht innehaben. Neben den Pflichten betrifft das auch Rechte wie Kinderfreibeträge und Rentenansprüche. Diese vertraglich zu regelnde Verbindlichkeit betrifft umgekehrt auch Rechte des Kindes gegenüber allen Elternteilen, wie Unterhaltsanspruch und Erbe.
  • Jede Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen, queeren und asexuellen Menschen (LSBTTIQA) muss aufhören. Das gilt auch für Kirchen und Religionsgemeinschaften als Arbeitgeber. Ebenso müssen Geschiedene, von ihren Partner*innen getrennt oder unverheiratet in Beziehungen Lebende vor Diskriminierung und Kündigung durch Kirchen und Religionsgemeinschaften aufgrund Ihres Beziehungsstatus’ geschützt werden.
  • Die Unrechtsurteile der nach § 175 StGB in der BRD und DDR verfolgten Homosexuellen und Menschen mit Trans*hintergund müssen aufgehoben werden! Die Betroffenen müssen vollständig rehabilitiert und entschädigt werden.

Frauen müssen Zugang zu gesellschaftlichen Positionen haben, ohne dass ihnen Lebensformen aufgedrängt werden. Sowohl das Verbot von Kopftüchern wie der Zwang dazu wären eine Einschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen. Es gilt, Frauen in ihrer persönlichen Entscheidung, wie sie sich kleiden, nicht zu bevormunden und keinen Druck auf sie auszuüben – weder in die eine noch die andere Richtung.

  • Wir wollen mehr und ausfinanzierte Hilfs- und Beratungsangebote für unter Druck gesetzte Frauen schaffen, kostenlos und in ihrer Sprache. Das Personal dafür benötigt gute Arbeitsbedingungen.

Rechte von Frauen stärken

Wir setzen uns ein für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Selbstbestimmung über den eigenen Körper und treten jeglichem Sexismus energisch entgegen.

  • In diesem Sinne sind wir für die Streichung der Paragraphen 218 und 219 aus dem Strafgesetzbuch, die Schwangerschaftsabbruch weiterhin als Straftatbestand aufführen und nur unter der Bedingung einer Zwangsberatung in den ersten drei Monaten straffrei lässt. Wir wollen stattdessen eine gesetzliche Regelung, die das Recht auf und den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen wohnortnah und barrierefrei garantiert. Wir wollen eine dichte Beratungsstellenlandschaft, damit Frauen im Falle gewollter und ungewollter Schwangerschaften professionelle Unterstützung erfahren. Plankrankenhäuser müssen verpflichtet werden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.
  • Verhütung ist Teil der Selbstbestimmung aller Menschen. DIE LINKE fordert deshalb, sämtliche Verhütungsmethoden in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen. Ihre Kosten sind vollständig durch die Krankenkassen zu tragen. Auch Frauenhygieneprodukte müssen von öffentlichen Gesundheitsstellen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Als Zwischenschritt sollen sie zumindest mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belegt werden, anstatt weiter als »Luxusprodukte« mit einem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu gelten.

Gesellschaftliche Machtverhältnisse schlagen sich auch in der Prostitution nieder. In der LINKEN werden unterschiedliche Wege diskutiert, mit Prostitution politisch umzugehen. Einigkeit besteht darin: Die in der Prostitution Tätigen müssen geschützt und gestärkt werden. Sie dürfen nicht zu Objekten gemacht werden.

Schutz vor Gewalt

Jeder Mensch ist – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung und Lebensentwurf – effektiv vor Gewalt zu schützen. Dies muss als bundespolitische Pflichtaufgabe anerkannt und rechtlich verbindlich verankert werden. Sicherer, schneller und bedarfsgerechter Schutz und qualifizierte Hilfe, zum Beispiel in Frauenhäusern und anderen Schutzräumen sowie Beratungsstellen, müssen den Betroffenen zugänglich sein – unabhängig von körperlichen Beeinträchtigungen, ihrem Aufenthaltsstatus oder ihrer Lebenssituation. Das muss einheitlich im Bund finanziert werden.

  • Wir wollen ein Gesetz, das den Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz und umfassende Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder regelt – ohne Nachweispflichten, die die Frauen zusätzlich belasten oder ihre Sicherheit gefährden.
  • Schutz- und Hilfseinrichtungen sollen einzelfallunabhängig, pauschal und verlässlich finanziert sowie barrierefrei werden. Die Finanzierung über Tagessätze muss beendet werden. Die Finanzierung der Frauenhäuser ist Bestandteil einer Schutzpflicht und darf nicht länger eine freiwillige Leistung bleiben. Hier muss auch der Bund endlich in die Verantwortung genommen werden und die Kommunen entsprechend finanziell ausstatten.
  • Staatliche Behörden wie Polizei, Gerichte und Ämter sowie die Notaufnahmen von Krankenhäusern müssen für das Thema Gewalt gegen Frauen noch stärker und intensiver durch kontinuierliche Fortbildungen sensibilisiert werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Umgangs- und Sorgerecht, wenn Kinder als Zeugen oder selbst von Gewalt betroffen sind.
  • Alle Formen von Gewalt und Gewaltverherrlichungen gegen Frauen, Kinder und LSBTTIQ*-Menschen – in den unterschiedlichsten Medien – müssen konsequent geahndet werden.
  • Wir wollen Zwangsprostitution als Ausbeutung bekämpfen, ohne die zur Prostitution gezwungenen Menschen zu bekämpfen. DIE LINKE will Opfer von Menschenhandel besser schützen. Solange die Betroffenen keinen sicheren und eigenständigen Aufenthaltsstatus erhalten, sind die Täter durch die Angst der Opfer geschützt. Aufenthaltstitel, Schutz und Entschädigung müssen unabhängig von der Bereitschaft der Opfer, als Zeugin oder Zeuge in einem Strafverfahren auszusagen, gewährt werden. Für die Betroffenen fordern wir Therapiemittel, medizinische sowie psychologische Betreuung, Rechtsbeistand und Rechtshilfe, Zugang zu sozialen Leistungen und Bildungsangebote.
  • Zur Durchsetzung des Verbots der weiblichen Genitalverstümmelung müssen geeignete Maßnahmen entwickelt werden. Zum Schutz der betroffenen Mädchen und Frauen werden Beratungsmöglichkeiten und Schutzräume geschaffen.
  • Eine besondere Rolle spielt Gewalt gegen Frauen in Kriegs- und Krisengebieten. Wenngleich das Zuwanderungsgesetz in Deutschland die geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund anerkennt, haben in der Praxis viele betroffene Frauen keine Chance auf Asyl. Insbesondere das vom Ehemann bisher abhängige Aufenthaltsrecht muss aufgehoben und in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht umgewandelt werden. Auch der Schutz in Flüchtlingsunterkünften weist noch erhebliche Defizite auf. Damit wird auch die aufnehmende Gesellschaft mitverantwortlich für die Gewalt, die vielen Frauen widerfährt.
  • Wir wollen eine bedürfnisorientierte Unterbringung und ausreichend Schutzräume für geflüchtete Frauen und ihre Kinder sowie für Lesben, Schwule und Trans-Menschen.
  • Das Personal in den Unterkünften muss entsprechend sorgsam geschult werden.

Weltweit kämpfen Frauen nach wie vor um die völlige Gleichstellung. Aber immer noch arbeiten vorwiegend Frauen in Teilzeit, der Gender Pay Gap liegt bei über 20 Prozent. Altersarmut ist weiblich. Alleinerziehende, die das höchste Armutsrisiko tragen, sind fast immer Frauen. Trotzdem werden Frauenrechte seit einiger Zeit wieder in Frage gestellt. Es gilt, sie weiter zu verteidigen und sich nicht zufrieden zurückzulehnen. Bessere Löhne und Gehälter, sichere Arbeitsplätze, Einbeziehung der Haus- und Pflegearbeit in Gehaltsverhandlungen, der Kampf um weitere Verkürzungen der Arbeitszeiten. Um diesen Kämpfen eine besondere Würdigung zu verleihen, aber auch unseren Vorkämpferinnen und Vorkämpfern zu gedenken, wollen wir den 8. März als gesetzlichen Feiertag!

XIII. Queer – Gleichberechtigung für alle Lebensweisen!

DIE LINKE setzt sich für die Gleichberechtigung aller Lebensweisen ein. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ist gesellschaftliche Realität. Wir fordern, die gesetzliche Realität der gesellschaftlichen Realität anzupassen und wenden uns gegen jegliche Diskriminierung, sei es privat, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Wir unterstützen alle Schritte, die dabei helfen, mit der staatlichen und gesellschaftlichen Heteronormativität, Cisnormativität und der Zweigeschlechtlichkeit als Norm zu brechen. Neben dem Recht auf Selbstbestimmung von Menschen mit Trans*- oder Inter*hintergrund im Personenstandsrecht ohne das entwürdigende Begutachtungswesen streben wir auch eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen im Ehe- und Adoptionsrecht ein.

Es darf keine Ungleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe mehr geben. Wir fordern die Öffnung der Ehe, um rechtliche Gleichstellung für alle zu ermöglichen. Gleichzeitig fordern wir, dass die Privilegien der Ehe zurückgenommen werden. Das Ehegattensplitting, begünstigt eine klassische Hausfrauenehe oder Zuverdienst-Ehe, besonders von Gutverdienenden. Wir wollen es durch Steuermodelle ersetzen, die der Vielfalt der Lebensweisen mit Kindern gerecht werden und niemanden benachteiligen: nicht Alleinerziehende und Regenbogenfamilien oder allgemein Menschen, die nicht-heteronormativ oder in einer Ehe leben. (vgl. Kapitel IX »Linker Feminismus«)

Gleichberechtigung aller Lebensweisen voranbringen!

Die Gleichberechtigung der Lebensweisen ist mit einer Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft noch nicht erreicht. Sie ist durch ein System der Wahlverwandtschaften zu ergänzen. Hierbei sollen nicht nur monogame Zweierbeziehungen Verantwortung füreinander übernehmen dürfen, sondern jegliche Gemeinschaft, die sich einander verbunden fühlt. Dies kann eine mehr als zwei Personen umfassende Beziehung meinen. Diesen Menschen ist ein umfangreiches Besuchsrecht im Krankheitsfall, Adoptionsrecht und Aussageverweigerungsrecht einzuräumen. Gleichzeitig werden besondere Zuwendungen fällig, wenn ein Angehöriger (nach dem Wahlverwandtschaftsrecht) gepflegt werden muss oder sich Kinder in einer Wahlverwandtschaft befinden. Lebensweisen in allen Formen verdienen Akzeptanz und gesellschaftliche Gleichstellung.

Gewaltprävention und Hilfe für Gewaltopfer

Noch immer sind queere Menschen überproportional von Übergriffen und Gewalttaten betroffen. Dies betrifft sowohl das private bzw. familiäre Umfeld als auch den öffentlichen Raum. Homo- und transfeindliche Übergriffe nehmen seit dem Aufschwung von Rechtspopulisten und anderen radikalen Gruppen sogar zu. Hier kommt dem Staat eine Schutzrolle zu. DIE LINKE setzt sich für die umfassende Unterstützung von Präventionsprojekten und Organisationen ein, die sich mit der Hilfe für Gewaltopfer beschäftigen. Die Strafverfolgung von queerfeindlicher Gewalt muss dementsprechend geahndet und stärker verfolgt werden als bisher.

Inter- und Transsexualität

Die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit – die Anforderung der Gesellschaft, sich unzweifelhaft als Frau oder Mann zu definieren – grenzt aus. Eine geschlechtergerechte Politik muss darauf hinwirken das Frauen, Männer, Menschen mit Trans*hintergrund und Menschen mit Inter*hintergrund gleich zu behandeln und rechtlich gleichzustellen sind, ohne dass ein Geschlecht oder eine Lebensweise als Norm gesetzt wird. Geschlechtergerechtigkeit muss schon im Kindesalter gefördert und dabei Raum für persönliche Entfaltung und geschlechtliche Vielfalt gesichert werden.

Wir unterstützen Menschen mit Trans*hintergrund in ihrem Kampf für das Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Menschen mit Trans*hintergrund sollen bei ihren eigenen Veränderungen unterstützt werden. Die Eingriffe sollen abgesichert und nicht mehr als Krankheit angesehen werden: Die derzeitige Klassifikation als »psychische Erkrankung« stammt noch aus dem 19 Jahrhundert. Die entsprechenden Sexualforscher diagnostizierten Neurosen bei Menschen mit Trans*hintergrund und stuften sie Menschen als entartet ein. Menschen mit Inter*hintergrund sind gezwungen, ihren Hintergrund verschleiern, damit sie über das Transsexuellengesetz Operationen und Maßnahmen bewilligt und bezahlt bekommen.

  • Begutachtungspflicht, Therapiezwang und das gerichtliche Verfahren müssen abgeschafft werden, wenn es darum geht, Vornamen und Personenstand zu ändern. Stattdessen muss dieses Verfahren in einen Verwaltungsakt überführt und auf Antrag ohne Vorbedingung diskriminierungsfrei geregelt werden.
  • Medizinisch nicht notwendige Operationen an Menschen zum Zwecke der Geschlechtsangleichung dürfen nur durchgeführt werden, wenn diese selbst einwilligungsfähig sind und ihre Zustimmung selbst gegeben haben.
  • Das Transsexuellengesetz muss als Sondergesetz aufgehoben und in bestehendes Recht integriert werden. Im Sinne einer bedürfnisorientierten und präventiven Gesundheitsversorgung brauchen Menschen mit Trans*hintergrund und Inter*hintergrund (auch Geflüchtete) Zugang zu allen spezifischen medizinischen, therapeutischen und beratenden Leistungen (und die damit verbundenen Medikamente) und eine unbürokratische Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Alle benötigten Leistungen müssen im Katalog der Kostenträger enthalten sein. Wir setzen uns für den flächendeckenden Ausbau von Beratungsangeboten in Zusammenarbeit mit Trans*Initiativen ein.
  • Wir fordern Beratungs- und Aufklärungszentren für Betroffene und deren Angehörige sowie einen Entschädigungsfond für Menschen mit Inter*hintergrund, denen durch geschlechtsangleichende Operationen erhebliches Leid widerfahren ist.
  • Wir fordern Reproduktionsmöglichkeiten für Trans*menschen. Sie müssen in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden. Wenn das Recht auf Reproduktion nicht willentlich abgetreten wurde, kann Anspruch auf eine Entschädigung erhoben werden.
  • Wir wollen den Schutz vor Diskriminierungen aufgrund der körperlichen Variation, sexuellen Identität und Lebensweise in Artikel 3 des Grundgesetzes und in das Antidiskriminierungsgesetz aufnehmen. Um dieses erweiterte Grundrecht zu garantieren, braucht es Antidiskriminierungsstellen, ein echtes Klagerecht für Verbände im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz sowie dessen EU-rechtskonforme Ausgestaltung.
  • Die Unrechtsurteile gegen und Verfolgung im Nationalsozialismus von Menschen mit Transhintergrund und Interhintergrund müssen aufgearbeitet werden! Die Betroffenen müssen vollständig rehabilitiert und gewürdigt, wertgeschätzt und entschädigt werden.

Wir wollen mit Angeboten und Maßnahmen einen Wandel im gesellschaftlichen Bewusstsein anstoßen. In den Lehrplänen der Bildungseinrichtungen muss sich die real existierende Vielfalt an Lebensentwürfen und Identitäten ganzheitlich abbilden, statt Klischees und alte Rollenmuster zu bedienen.

Dialog der queeren Community mit allen gesellschaftlichen Gruppen stärken

DIE LINKE setzt sich für die Förderung des Dialogs mit dem Ziele der Verständigung und der Bekämpfung von Vorurteilen ein. Dies betrifft auch den Diskurs mit christlichen Kirchen, jüdischen Gemeinden und nicht-jüdisch-christlichen Glaubensgemeinschaften. Insbesondere von einem Dialog mit den vielfältigen muslimischen Gemeinschaften erhoffen wir uns emanzipatorische Fortschritte auf beiden Seiten sowie ein konfliktärmeres Zusammenleben.

Dieser Dialog ist auch deshalb dringend, weil u.a. rechte Gruppen und Parteien Kapital daraus schlagen wollen, dass sie die queere und die muslimische Community gegeneinander aufhetzen und spalten wollen. Für DIE LINKE ist die Bekämpfung von Rechtsradikalismus, antimuslimischem Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ebenso wichtig wie die von queerfeindlichen Übergriffen.



Kapitel 7 – Willkommenskultur für Kinder: Familienförderung und Bevölkerungsentwicklung

Die dramatische Zunahme der Ehe- und Kinderlosigkeit und das Verschwinden normaler mittelgroßer Familien – von den etablierten Parteien längst als alternativlos hingenommen – sorgen für eine Schrumpfung unserer angestammten Bevölkerung um mehr als 250.000 Personen pro Jahr, mit stark steigender Tendenz. Die AfD stemmt sich gegen diesen Trend zur Selbstabschaffung und will Deutschlands Gesellschaft von Grund auf familien- und kinderfreundlicher gestalten. Wir wollen das Land unserer Väter und Mütter nicht irgendjemandem hinterlassen, der dieses Erbe verschleudert oder ausplündert, sondern unseren Nachkommen, denen wir unsere Werte vorgelebt und mitgegeben haben. Stabile Familien sind die Mitte und Grundlage jeder sich selbst erhaltenden Gesellschaft, in der Wohlstand und sozialer Frieden herrschen und Werte weitergegeben werden.

Deutschland braucht einen Paradigmenwechsel hin zu einer nationalen Bevölkerungspolitik. Familienpolitik soll deshalb den Maßstab für alle mit ihr verbundenen Politikfelder setzen, insbesondere für die Sozial-, Steuer- und Bildungspolitik.

7.1 Deutschland nicht abschaffen

Der Erhalt des eigenen Staatsvolks ist vorrangige Aufgabe der Politik und jeder Regierung. Dies kann in der derzeitigen demografischen Lage Deutschlands nur mit einer aktivierenden Familienpolitik gelingen.

Deutschland braucht mehr stabile Familien mit mehr Kindern. Ohne ausgeglichene Geburtenbilanz ist der soziale Friede gefährdet, soweit er auf unserem Sozial-, Renten- und Gesundheitssystem beruht. Daher sind Maßnahmen zur mittelfristigen Erhöhung der Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung unverzichtbar, auch um unsere Sozialversicherungssysteme zu stabilisieren.

Das „Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend“ ist in ein „Bundesministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung“ umzuwandeln, das Bevölkerungsentwicklung nach wissenschaftlichen Kriterien koordiniert und fördert.

Eine kinderfreundliche Gesellschaft und der Erhalt des Staatsvolks sind daher als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen.

7.2 Ehe und Familie stärken

Die AfD will das vom Grundgesetz geschützte und bewährte Leitbild der Ehe und traditionellen Familie mit Kindern bewahren und stärken.

Durch Aufklärung und Hilfen wollen wir junge Menschen ermutigen und in die Lage versetzen, eine Familie zugründen und zu erhalten. Wir wollen unnötige Hemmnisse beseitigen, damit stabile Ehen und Familien entstehen und bestehen bleiben. Hiermit wollen wir schon früh beginnen, indem anerkannte Regeln zu Partnerschaft und Familie, Haushaltsführung, Lebensschutz und Kindererziehung in Lehrplänen und Schulbüchern aller allgemeinbildenden Schulen wieder fester Bestandteil werden.

7.3 Kinder brauchen beide Eltern: Allein erziehen ist kein Idealfall

Die Anzahl traditioneller Familien in Deutschland ist seit vielen Jahren rückläufig – die Zahl sogenannter „Alleinerziehender“ hat in den letzten Jahren dagegen stark zugenommen. Für Alleinerziehende und Kinder bedeutet diese Lebenssituation ein überdurchschnittliches Risiko, in relativer Armut zu leben. Trotz alarmierender Erkenntnisse über die Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung sprechen sich nahezu alle Parteien für eine bedingungslose Förderung Alleinerziehender aus. Eine Differenzierung, ob diese Lebenssituation schicksalhaft, durch Selbstverschulden oder auf Grund eigener Entscheidungen zustande gekommen ist, findet nicht statt. Die Entscheidung für die Lebensform „alleinerziehend“ ist Privatsache – für eine daraus resultierende Bedürftigkeit haftet jedoch die Solidargemeinschaft.

Die AfD möchte Alleinerziehenden helfen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Sie ist jedoch gegen jede finanzielle Unterstützung von Organisationen, die „Einelternfamilien“ als normalen, fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf propagieren. Der Vorteil einer besonderen Unterstützung durch die Solidargemeinschaft sollte nur denjenigen Alleinerziehenden gewährt werden, die den anderen Elternteil nicht aus der Teilhabe an der Erziehungsverantwortung und praktischen Erziehungsleistung hinausdrängen.

7.3.1 Mehr Gerechtigkeit bei Scheidungen

Die Reform des Familienrechts von 1977 führte dazu, dass selbst Straftaten und schwerwiegendes Fehlverhalten gegen den Ehepartner bei der Bemessung finanzieller Ansprüche nach Trennung und Scheidung oft ohne Auswirkung bleiben. Eine derartige Rechtsprechung ist nicht geeignet, die Partner zu ehelicher Solidarität anzuhalten und beeinträchtigt die Stabilität bestehender Ehen.

Schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität muss bei den Scheidungsfolgen wieder berücksichtigt werden.

7.3.2 Väter stärken

Einer gezielten Politik für Männer und Väter, hat sich bislang keine Partei angenommen. Bei vielen getrennt lebenden Paaren leiden viele Väter unter den familienrechtlichen Bestimmungen, wünschen sich beispielsweise mehr Umgang mit ihren Kindern haben zu können.

Wir wollen uns deshalb für die Rechte von Vätern stark machen.

7.4 Familiennahe Betreuung würdigen

Kinder unter drei Jahren fühlen sich am wohlsten, wenn sie durch die eigenen Eltern betreut werden. Es muss wieder möglich sein, dass eine Familie mit kleinen Kindern von einem Gehalt leben kann, so dass die Eltern frei zwischen Berufstätigkeit oder Erwerbspause entscheiden können.

Der Staat muss dafür die elterliche Betreuung genauso finanziell unterstützen wie Kitas und Tagesmütter.

Eltern, die ihre Kleinkinder selbst betreuen, erleben die Entwicklung ihrer Kinder unmittelbar, vermitteln Ihnen Herzensbildung und erhalten damit die körperliche und seelische Gesundheit ihrer Kinder. Sie leisten insofern einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft und verdienen dafür Anerkennung. Im Anschluss an die Betreuungspause muss es ihnen ohne große Hürden möglich sein, ihren Beruf wieder aufzunehmen.

Die AfD will auch die Fürsorge für pflegebedürftige Angehörige besser unterstützen. Diese Familienarbeit ist gleichwertig und muss anerkannt werden wie jede andere berufliche Tätigkeit.

7.5 Schutz des ungeborenen Lebens

Auch ungeborene Kinder haben ein Recht auf Leben. Viel zu oft wird dieses Recht der Selbstverwirklichung oder sozialen Zukunftsängsten untergeordnet. Solchen Ängsten will die AfD durch konkrete Hilfen für Familien in allen Lebenslagen vorbeugen, insbesondere den lebensrettenden Ausweg der Adoption erleichtern und fördern.

Bereits vorher muss aber die Gesellschaft in Familien, Schule und Medien den Respekt vor dem Leben und ein positives Bild von Ehe und Elternschaft vermitteln. Die Schwangerschaftskonfliktberatung muss tatsächlich dem Schutz des Lebens dienen. Wie vom Bundesverfassungsgericht zur Bedingung gestellt, ist regelmäßig die Wirksamkeit der Beratungsscheinregelung zu überprüfen. Gegebenenfalls ist durch gesetzliche Korrekturen ein wirksamer Lebensschutz zu gewährleisten.

Um realistische Abtreibungszahlen erheben zu können, muss die Meldepflicht für Abtreibungen verbessert werden. Eine Unterlassung der Meldung seitens des ausführenden Arztes muss spürbare Sanktionen nach sich ziehen. Die Anonymität der Schwangeren ist dabei zu gewährleisten.

Wir lehnen alle Bestrebungen ab, die Tötung Ungeborener zu einem Menschenrecht zu erklären.

7.6 Kinder willkommen heißen

Eine Willkommenskultur für Kinder muss sich auch in konkreten Maßnahmen zeigen, mit denen wir vor allem Familien mit unterdurchschnittlichem Einkommen finanziell entlasten und so Mut zu Kindern machen wollen:

  • Ehe-Start-Kredite mit Teilerlassen für Kinder sollen Ehepaare motivieren, eher mit der Familienplanung zu beginnen.
  • Fahrtkosten und Zuzahlungen bei medizinisch notwendigen Arztbesuchen für bedürftige Familien mit Kindern und werdende Eltern soll der Staat übernehmen.
  • Leistungen zur Teilhabe (Schulbus, Schulausstattung, Klassenfahrten,…) sollen leichter zugänglich werden.
  • Anerkannte Freiwilligendienste (FSJ, FÖJ, BFD, IJFD u.a.), die einen wertvollen Beitrag zur Praxisbildung von Jugendlichen leisten, wollen wir großzügig fördern, so dass diese auch Kindern zugänglich werden, deren Eltern ein geringes Einkommen haben.
  • Eltern soll ein längerer Anspruch auf Arbeitslosengeld I zustehen und ihre Neueinstellung durch Wiedereingliederungshilfen an den Arbeitgeber gefördert werden.
  • Studenten und Auszubildenden, die während ihres Studiums bzw. ihrer Ausbildung oder kurz danach Elternwerden, wollen wir bei gutem Berufs- oder Studienabschluss die BaFöG-Rückzahlung erlassen.
  • Jugendliche in Ausbildung sollen einen Ausgleich für die von Kommunen erhobene Zweitwohnungssteuer erhalten.

Familien, in denen Kinder erzogen werden, leisten einen ebenso wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme wie aktive Beitragszahler. Daher will die AfD durch einen umfassenden Leistungsausgleich eine Steuer- und Beitragsgerechtigkeit für Familien herstellen.

Dazu gehört ein Familiensplitting, das über angemessene Freibeträge pro Familienmitglied zu einer spürbaren Entlastung von Familien führen soll.

Kinder dürfen nicht länger ein Armutsrisiko sein.

7.7 Für ein klares Familienbild – Gender-Ideologie ist verfassungsfeindlich

Gender-Ideologie marginalisiert naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern und stellt geschlechtliche Identität in Frage. Sie will die klassische Familie als Lebensmodell und Rollenbild abschaffen. Damit steht sie in klarem Widerspruch zum Grundgesetz, das die (klassisch verstandene) Ehe und Familie als staatstragendes Institut schützt, weil nur dieses das Staatsvolk als Träger der Souveränität hervorbringen kann. Die Gender-Ideologie widerspricht sowohl den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Biologie und der Entwicklungspsychologie als auch der lebenspraktischen Alltagserfahrung vieler Generationen.

Wir lehnen daher Bestrebungen auf nationaler wie internationaler Ebene ab, diese Ideologie durch Instrumente wie Gender-Studies, Quotenregelungen z.B. für Frauen, Propagandaaktionen wie den „Equal Pay Day“ oder die „geschlechterneutrale Sprache“ umzusetzen.

Die AfD will, dass sich die Familienpolitik des Bundes und der Länder am Bild der Familie aus Vater, Mutter und Kindern orientiert. Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes „Familie“ in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen und der Familie auf diesem Wege den besonderen staatlichen Schutz zu entziehen.

7.7.1 Gender-Ideologie raus aus den Schulen – Frühsexualisierung stoppen

Eine einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht, wie sie die sogenannte „Sexualpädagogik der Vielfalt“ praktiziert, stellt einen unzulässigen Eingriff in die natürliche Entwicklung unserer Kinder und in das vom Grundgesetz garantierte Elternrecht auf Erziehung dar. Dadurch werden Kinder und Jugendliche – oft von schulfremden Personen und meist gegen den Willen ihrer Eltern – in Bezug auf ihre sexuelle Identität verunsichert, überfordert und in ihren Schamgefühlen verletzt.

Die AfD stellt sich allen Versuchen klar entgegen, durchstaatlich geförderte Umerziehungsprogramme in Kindergärten und Schulen das bewährte, traditionelle Familienbild zu beseitigen.

Unsere Kinder dürfen nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden. Das ideologische Experiment der Frühsexualisierung ist sofort zu beenden.

7.7.2 Steuerverschwendung durch „Gender-Forschung“ beenden

Die „Gender-Forschung“ ist keine seriöse Wissenschaft, sondern folgt der ideologischen Vorgabe, dass das natürliche Geschlecht (Sex) und das soziale Geschlecht (Gender) voneinander völlig unabhängig seien. Ziel ist letztlich die Abschaffung der natürlichen Geschlechterpolarität.

Bund und Länder dürfen keine Mittel für die „Gender-Forschung“mehr bereitstellen und keine „Gender-Professuren“mehr besetzen.

Bestehende Förderlinien sollen beendet werden, die der „Gender-Ideologie“ verpflichteten „Gleichstellungsbeauftragten“ an den Universitäten sind abzuschaffen




Europa: Mit Sicherheit!

Die Welt scheint an vielen Stellen aus den Fugen geraten. Autoritäre Staatssysteme sind auf dem Vormarsch, scheinbar stabile Staaten sind zerbrochen. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Selbst in unserer Nachbarschaft ist die territoriale Integrität der Ukraine durch die russische Aggression in Frage gestellt. Auch die neue amerikanische Administration hat ihre Haltung zu vielen außenpolitischen Fragen noch nicht festgelegt.

Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück weit vorbei. Wir Europäer müssen unser Schicksal konsequenter als bisher in die eigene Hand nehmen.

Deshalb wollen CDU und CSU ein starkes, selbstbewusstes und dynamisches Europa. Ein Europa, das imstande ist, seine Interessen zu wahren und sich seiner internationalen Verantwortung zu stellen. Ein Europa der Freiheit, der Sicherheit und der Prosperität, die es – falls erforderlich – auch gemeinsam verteidigen kann. Die Zustimmung der Bürger zu Europa ist gestiegen. Zehntausende in ganz Europa gingen für „Pulse of Europe“ auf die Straße, Frankreich und Deutschland sind näher zusammengerückt. Diesmal müssen wir die Chance ergreifen und Europa fit machen für Gegenwart und Zukunft.

Friedensprojekt Europa

Die Gründung der EU war die Lehre aus den verheerenden Zivilisationskatastrophen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. Seither sind über 60 Jahre vergangen. Seitdem gab es zwischen EU-Mitgliedstaaten keinen einzigen Krieg, keinen einzigen Ausbruch von Gewalt. Europa ist ein Friedensprojekt. Das ist ein einzigartiger Erfolg, Rechtfertigung und Auftrag zugleich: Wir müssen unsere gemeinsame geostrategische Verantwortung für Freiheit und Frieden wahrnehmen und bei der Bewältigung von Konflikten in unserer Nachbarschaft mithelfen. Deshalb hat die EU sich im Russland-Ukraine-Konflikt engagiert, deshalb streiten wir gemeinsam für das Klimaabkommen von Paris.

  • Wir unterstützen den Vorschlag für eine Europäische Verteidigungsunion und für einen Europäischen Verteidigungsfonds.
  • Wir sind überzeugte Mitglieder der NATO und arbeiten für ihren Erfolg. Aber die EU muss sich selbstständig wappnen, wenn sie dauerhaft bestehen will.

Europa als Sicherheitsgarantie

Europa muss eine wirksame Sicherheitsgarantie für die innere und äußere Sicherheit seiner Mitgliedstaaten sein. In einer zunehmend globalisierten Welt kann kein Land in Europa seine Interessen alleine und ohne Unterstützung durch andere wahren.

  • Europa muss seine Außengrenzen wirksam gegen illegale Migration schützen, die Grenzschutzagentur Frontex stärken und das Europäische Asylsystem vollenden. Bis der Schutz der EU-Außengrenzen funktioniert, halten wir an Binnengrenzkontrollen fest.
  • Europa muss Abkommen nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens auch mit anderen Ländern in der Region und im nördlichen Afrika schließen. Wir müssen verhindern, dass tausende Flüchtlinge von gewissenlosen Schleppern durch halb Afrika geschleust werden, um dann auf dem Mittelmeer elend zu ertrinken.
  • Europa hat eine gemeinsame Verantwortung für Flüchtlinge, die verfolgt oder in großer Not sind und somit einen Schutzanspruch haben. Hier müssen alle europäischen Staaten ihrer Verantwortung nachkommen.
  • Die EU muss das auf unser Drängen beschlossene europäische Ein- und Ausreiseregister schnellstmöglich umsetzen, damit wir wissen, welche Drittstaatsangehörigen sich bei uns aufhalten, und um terroristischen Gefährdern und Schleppern leichter das Handwerk zu legen.
  • Die EU braucht dringend einen besseren Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden ihrer Mitgliedsstaaten, denn islamistischer Terrorismus und organisierte Kriminalität sind grenzenlos.

Wohlstandsraum Europa

Mit dem Gemeinsamen Markt und dem europäischen Binnenmarkt hatte die EU die Voraussetzungen für einen jahrzehntelangen wirtschaftlichen Aufschwung ihrer Mitgliedstaaten geschaffen. Dafür sorgten die Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeit, das Beihilfen- und Wettbewerbsrecht und die Abschaffung der Grenzkontrollen. In den letzten Jahren haben einige Länder ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verloren. Eine immer höhere Staatsverschuldung war die Folge.

  • Wir sind bereit, bei der Überwindung der Probleme gerade beim Abbau der hohen Jugendarbeitslosigkeit solidarisch zu helfen, denn wir wollen den Erfolg der gesamten EU. Dieser ist nur möglich, wenn gemeinsam vereinbarte Regeln wie der Stabilitätspakt eingehalten werden.
  • Wir wollen die dauerhafte Stabilisierung der Euro-Zone erreichen. Maßstab muss dabei bleiben: Eine Vergemeinschaftung von Schulden schließen wir weiter aus. Wir sind bereit, mit der neuen französischen Regierung die Euro-Zone schrittweise weiterzuentwickeln, zum Beispiel mit der Schaffung eines eigenen Währungsfonds.
  • Europa hat eine Zuständigkeit für Forschung und Entwicklung, für einen digitalen Binnenmarkt und für die Vollendung der Energie-Union. Europa hat die Chance, erneut zu einem Wachstumsmotor zu werden. Dafür bedarf es großer Anstrengungen und der Erkenntnis, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum zentral für unseren künftigen Wohlstand ist.

Europa als Wertegemeinschaft 

  • Die EU war vom ersten Tag ihres Bestehens an eine Wertegemeinschaft. Dem Schutz von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Religionsfreiheit verpflichtet. In der Europäischen Grundrechtecharta wird die Todesstrafe geächtet und die Menschenwürde geschützt. An diesen Kriterien mussten sich alle Länder messen lassen, die bisher der EU beigetreten sind.
  • Großbritannien hat sich entschieden, die Europäische Union zu verlassen. Es liegt in unserem Interesse, dass wir auch nach dem BREXIT mit Großbritannien intensive wirtschaftliche und politische Verbindungen pflegen. Ziel muss es sein, die negativen Auswirkungen des BREXIT für die Menschen und die Wirtschaft in Grenzen zu halten. Klar ist aber auch: Wer die EU verlässt, kann nicht weiter von allen Vorteilen der Gemeinschaft profitieren.
  • Wir sehen die strategische und wirtschaftliche Bedeutung der Türkei für Europa ebenso wie die vielfältigen Beziehungen zwischen den Menschen in unseren beiden Ländern. Wir möchten daher die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei weiter vertiefen. Eine enge und besondere Zusammenarbeit dient sowohl den Menschen in Europa als auch in der Türkei. Wir wollen daher eine möglichst starke Kooperation zwischen der Europäischen Union und der Türkei sowie eine enge strategische Zusammenarbeit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen.
  • Eine Vollmitgliedschaft der Türkei lehnen wir aber ab, weil sie die Voraussetzungen für einen Beitritt nicht erfüllt. Wir sehen mit großer Sorge die jüngsten Entwicklungen in der Türkei im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit, insbesondere Meinungs- und Pressefreiheit.

Deutschland und Frankreich als Motor Europas

Die deutsch-französische Freundschaft, wie sie von Präsident de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer begründet wurde, war seit ihrem Bestehen der Dreh- und Angelpunkt der Europäischen Union. Viele wichtige Initiativen sind von unseren beiden Ländern ausgegangen. Frankreich und Deutschland hatten immer wieder die Kraft, sich auf große Projekte zu verständigen. So soll es auch künftig wieder sein.

  • In dieser außenpolitisch schwierigen Zeit sind wir entschlossen, die deutsch-französische Freundschaft neu zu beleben und zum Erfolg zu führen. Unsere Gemeinsamkeit kann ganz Europa neuen Schwung verleihen.
  • Wir streben an, die Körperschaftsteuer zwischen unseren Ländern anzunähern und zu harmonisieren. Dies wäre ein deutliches Signal für unsere Bereitschaft, um Märkte und Investitionen zu kämpfen.
  • Die Entwicklung von Maschinen mit sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) wird weltweit eine große technologische Innovation bedeuten. Sie wird große Konsequenzen für alle Wirtschafts- und Lebensbereiche haben. Deutschland und Frankreich sollten diese Herausforderung gemeinsam angehen und um die internationale Technologieführerschaft kämpfen. Nach Airbus und Ariane wäre es ein weiteres großes europäisches Projekt.
  • Neben der deutsch-französischen Freundschaft und Zusammenarbeit hat sich auch im Verhältnis zu unserem Nachbarland Polen eine intensive Zusammenarbeit und Kooperation entwickelt. Diese wollen wir fortsetzen und intensivieren dazu auch die gemeinsame deutsch-französisch-polnische Zusammenarbeit im Rahmen des Weimarer Dreiecks.



Es ist Zeit für ein besseres Europa – sozialer und demokratischer

Die europäische Einigung ist ein einzigartiger historischer Erfolg. Sie beruht auf der Idee des freien, friedlichen und solidarischen Zusammenlebens der Menschen und Völker Europas. Auch wenn manches zu verbessern ist, eines stimmt auf jeden Fall: In keiner Region auf der Welt leben Menschen so frei und demokratisch und so friedlich und sicher wie in Europa! Deshalb kämpfen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für Europa – gerade jetzt, da das Einigungswerk von innen wie von außen bedroht ist wie vielleicht noch nie in seiner Geschichte. Wir wollen ein europäisches Deutschland, kein deutsches Europa!

Deutschland ist ein stabiles Land. Wir sind zugleich Stabilitätsanker für Europa. Das wollen wir auch in Zukunft sein. Allerdings wissen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass nur alle gemeinsam Europa führen können und niemand den Anspruch erheben kann, dass alle anderen ihm folgen. Europa besteht aus vielen Mitgliedsstaaten. Unabhängig von ihrer Größe gilt: Alle sind gleichberechtigt. Dabei kommt Deutschland mit Frankreich eine besondere gemeinsame Verantwortung für den Zusammenhalt der EU und die Einigung Europas zu.

Aber nur in der gleichberechtigten Zusammenarbeit aller Mitgliedsstaaten schaffen wir für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union das, was wir allein als einzelne Nationalstaaten in einer sich ändernden Welt nicht mehr erreichen können. In dieser Welt, in der Asien, Lateinamerika und Afrika wachsen, werden unsere Kinder und Enkel nur dann eine Stimme haben, wenn es eine gemeinsame europäische Stimme ist. Europa ist deshalb kein Verlust, sondern ein Gewinn an Souveränität, die wir als einzelne Nationalstaaten nicht mehr hätten.

Das europäische Gesellschaftsmodell beruht auf den Werten der Aufklärung und verbindet Freiheit und Verantwortung, wirtschaftlichen Erfolg und soziale Sicherheit.

Diese gemeinsame europäische Idee werden wir stärken. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie infolge der Flüchtlingsbewegungen hat das Vertrauen in die EU gelitten. Nationale Gegensätze und Egoismen sind zurückgekehrt und populistische, anti-europäische Parteien sind auf dem Vormarsch. Wir stellen uns diesen autoritären und nationalistischen Kräften in Europa entschieden entgegen und kämpfen für mehr europäischen Zusammenhalt und Solidarität.

Wir wollen einen mutigen Aufbruch für ein selbstbewusstes Europa. Ein Europa, das die Menschen und ihre Alltagssorgen in den Blick nimmt. Ein Europa, das massiv in Ausbildung, Arbeit, wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz investiert. Ein Europa, in dem große Konzerne faire Steuern zahlen. Ein Europa, das den Nationalismus überwindet, solidarisch handelt und den Menschen Sicherheit gibt.

Investitionen in Arbeit und Ausbildung:

Wir wollen das europäische Wohlstandsversprechen erneuern. Daher fordern wir mehr Investitionen in Europas Zukunft. Deutschland ist zwar „Nettozahler“, aber nicht Lastesel der Europäischen Union, sondern Nettogewinner. Millionen von Arbeitsplätzen in unserem Land hängen davon ab, dass es anderen in Europa auch gut geht. So gut, dass sie sich unsere hochwertigen Waren und Dienstleistungen leisten können. Rund 60 Prozent unserer Exporte gehen in die Europäische Union. Jede Investition in die Stärkung unserer Nachbarländer und in eine erfolgreiche europäische Entwicklung ist deshalb zugleich eine Investition in unsere eigene Zukunft.

Wir wollen Europa aus der Wachstumsschwächeherausführen, indem wir die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents verbessern und die viel zu hohe Arbeitslosigkeit vor allem in Süd- und Westeuropa bekämpfen. Deshalb brauchen wir ein breit angelegtes europäisches Investitionsprogramm: Mit Zukunftsinvestitionen in die grenzüberschreitenden europäischen Verkehrs- und Energienetze, in den Aufbau der modernsten Infrastruktur der Welt für schnelles Internet (europäisches Gigabit-Netz), in Bildung und Ausbildung, Forschung und Entwicklung und die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit.

Um innovative Unternehmensgründungen zu fördern, wollen wir die Bedingungen für Risikokapital verbessern. Die EU muss durch eine aktive Innovations- und Industriepolitik ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Dazu werden wir mehr Mittel für Innovationen bereitstellen. Mit neuen Maßnahmen wollen wir eine zielgenauere Förderung erreichen und dafür sorgen, dass aus guten Ideen schneller neue Produkte werden.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss seinem Namen gerecht werden. Die Regeln müssen so weiterentwickelt werden, dass sie übermäßige Verschuldung verringern, aber ausreichende Freiräume für langfristig wirkende Reformen und nachhaltiges Wachstum geben.

Die im Stabilitäts- und Wachstumspakt angelegte Flexibilität muss dazu genutzt werden, dass Mitgliedstaaten in guten Zeiten solide haushalten, um in Krisen mit einer antizyklischen Politik erfolgreich gegensteuern zu können.

Die junge Generation ist unsere gemeinsame Zukunft. Wir wollen deshalb die EU-Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit deutlich aufstocken und in einem permanenten Jugendbeschäftigungsfonds bündeln. Wir wollen den europäischen Freiwilligendienst und die Austauschprogramme der EU wie Erasmus+ ausbauen. Und wir brauchen ein Europäisches Mobilitätsprogramm, aus dem junge Menschen unterstützt werden können, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz aufnehmen möchten.

Soziales Europa:

Wir wollen eine europäische Sozialunion, die ihre Politik an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet, soziale Mindeststandards sichert und Lohn- und Sozialdumping wirksam unterbindet. Auch auf europäischer Ebene wollen wir den Grundsatz verankern, dass es in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wirksame soziale Grundsicherungssysteme geben muss. Es muss in Europa das Prinzip gelten: gleicher Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen für gleichwertige Arbeit am gleichen Ort – für Männer und Frauen! Keine Toleranz gegenüber Sozialdumping.

Unser übergeordnetes Ziel ist die Stärkung der sozialen Grundrechte: Durch ein soziales Fortschrittsprotokoll, verankert im europäischen Primärrecht, wollen wir festschreiben, dass soziale Rechte gleichrangig sind gegenüber den wirtschaftlichen Grundfreiheiten des Binnenmarktes.

Zudem wollen wir wirksame EU-Regeln gegen Sozialdumping, insbesondere bei der Vergabe von Unteraufträgen, bei Briefkastenfirmen, bei vorgetäuschter Entsendung von Arbeitskräften und bei Scheinselbstständigkeit. Wir werden Unternehmen nicht gestatten, nur auf dem Papier ins Ausland zu gehen, während sie gleichzeitig ihre Aktivitäten im eigenen Land fortsetzen. Was sie hiermit bezwecken, sind lediglich geringere Lohnkosten und geringerer Arbeitnehmerschutz. Verstöße gegen das Arbeitsrecht sollen wie Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht auf europäischer Ebene geahndet werden können.

Starke Gewerkschaften und Tarifverträge gewährleisten eine angemessene Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir müssen die Mitbestimmungsrechte in ganz Europa stärken. Die soziale Marktwirtschaft, die in Deutschland erfolgreich Arbeitgeber und Gewerkschaften zu Sozialpartnern gemacht hat, ist auch unsere Leitlinie für Europa. Wo Gewerkschaftsrechte oder die Tarifautonomie im Zuge der Hilfen für in der Krise befindliche Staaten ausgesetzt wurden, sind diese wiederherzustellen.

Ein starker sozialer Dialog ist ein wesentlicher Pfeiler eines sozialeren Europas. Deshalb gilt: Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände müssen als Sozialpartner mit der Zivilgesellschaft direkt und umfassender als bisher in die Entwicklung und Umsetzung der europäischen Politik einbezogen und in ihrer Arbeit unterstützt werden. Es muss zudem sichergestellt sein, dass Vereinbarungen der Sozialpartner auf EU-Ebene respektiert werden. Starke Arbeitnehmerrechte und hohe Sozialstandards sind kein wirtschaftliches Hemmnis, sondern können im Gegenteil Produktivität und Innovation begünstigen.

Die EU war in den letzten 30 Jahren immer ein wichtiger Motor für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Die europäische Gleichstellungspolitik hat mit ihren vielfältigen Aktivitäten, Maßnahmenplänen und Vorgaben den gleichstellungspolitischen Fortschritt in den Mitgliedstaaten mitbestimmt und angetrieben. Deshalb werden wir uns für die Fortsetzung der EU-Gleichstellungsstrategie einsetzen.

Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion:

Wir sind nicht einzeln stark, sondern nur gemeinsam. Daher brauchen wir eine koordinierte Wirtschaftspolitik in Europa. Unser Ziel ist es, die konjunkturellen Entwicklungen der Mitgliedstaaten Europas besser aufeinander abzustimmen. Exzessive Ungleichgewichte wollen wir überwinden. Dafür brauchen wir eine bessere und wirksamere Integration der Wirtschaftspolitik – perspektivisch mit der Einrichtung einer Wirtschaftsregierung für den Euro-Raum. Die europäische Wirtschaftsregierung soll sich zusammensetzen aus den Mitgliedern der Kommission mit entsprechendem Zuständigkeitsbereich – unter politischer Führung eines europäischen Wirtschafts- und Finanzministers. Die Wirtschaftsregierung und ihre Mitglieder müssen insbesondere über das Europäische Parlament legitimiert und kontrolliert werden. Hierzu sollte im Rahmen des Europäischen Parlamentes eine Struktur geschaffen werden, die die Aufgabe eines „Eurozonen-Parlamentes“ übernimmt.

Wir wollen insbesondere dort, wo wir mit dem Euro eine gemeinsame Währung haben, ein gemeinsames Finanzbudget schaffen. Es ermöglicht Investitionsimpulse und wirkt zugleich stabilisierend als Ausgleichsmechanismus bei Krisen. Eine wirksame Besteuerung der Finanzmärkte muss zu dessen Finanzierung beitragen. Sie haben durch ihre Gier und verantwortungslose Spekulationen Europa an den Rand des Abgrunds geführt. Nur durchstaatliche Hilfen konnte Europa stabilisiert werden. Aber bis heute leisten die Finanzmärkte keine finanziellen Beiträge aus ihren Finanzmarktgeschäften zum Gemeinwohl, um wenigstens einen Teil dieser öffentlichen Kosten der Finanzkrise zurückzuzahlen.

Wir unterstützen die wachstumsschwachen und hoch verschuldeten EU-Länder und arbeiten gemeinsam mit ihnen an ihrer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung, damit ein sich selbst tragender wirtschaftlicher und sozialer Aufschwung einsetzen kann. Außerdem sollte der Europäische Stabilitätsmechanismus ins Gemeinschaftsrecht überführt und zu einem Europäischen Währungsfonds weiterentwickelt werden. Wir wollen die Integrität des gemeinsamen Währungsraums erhalten, kein Mitglied der Eurozone soll zum Ausstieg gedrängt werden. Europa braucht insgesamt klarere, demokratischere Strukturen und Verantwortlichkeiten als bisher, um Staaten in Krisenlagen zu helfen und die gemeinsame Währung zu sichern.

Mehr Wachstum und Investitionen in Europa setzen solide Einnahmen voraus. Deshalb muss Europa endlich Schritte zur Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung und des Steuervollzugs in Europa auf den Weg bringen. Europa braucht Instrumente, um Steuervermeidung und Steuerbetrug effektiv zu bekämpfen. Wir wollen durchsetzen, dass Unternehmen dort ihre Steuern bezahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. Wir wollen die Möglichkeiten von Unternehmen systematisch einschränken, ihre steuerpflichtigen Gewinne in andere Länder zu verschieben.

Friedensprojekt Europa:

Die europäische Idee vom Leben in Freiheit und Verantwortung sichert den Frieden in Europa. Die europäische Einigung und Erweiterung ist ein einzigartiges und erfolgreiches Projekt der Friedenspolitik, nach innen wie nach außen. Deutsche und europäische Außenpolitik müssen Hand in Hand gehen.

Wir machen eine präventive, umfassende Friedens- und Entwicklungspolitik zum strategischen Schwerpunkt der europäischen Politik. Auch muss die europäische Außenpolitik enger mit innenpolitischen Themen verzahnt werden, etwa bei Fragen der Flüchtlings- und Migrationspolitik, der Cyber-Sicherheit, der Handels-, Energie- und Klimapolitik.

Zugleich muss die Außenpolitik der EU auf die Stärkung des Völkerrechts und die Wahrung der Menschenrechte, starke internationale Institutionen und auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Zivile Maßnahmen und Mittel der Gewaltprävention und Konfliktbewältigung haben für uns stets Vorrang. Wir wollen daher besonders die zivile Dimension der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik aufwerten, etwa auch durch den Aufbau eines europäischen zivilen Friedenskorps. Auch wollen wir im Geiste Willy Brandts darauf hinwirken, dass in Europa die Tradition der Entspannung, des Gewaltverzichts sowie der Abrüstung Grundlage einer erneuerten gesamteuropäischen Sicherheitspolitik sind.

Auch in der Verteidigungspolitik wollen wir stärker zusammenarbeiten und die Integration von Streitkräften der Mitgliedsstaaten voranbringen – als Teil einer umfassenden, präventiven und in das internationale Recht eingebetteten Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bieten die große Chance, durch mehr Zusammenarbeit auch bei den Verteidigungsausgaben effizienter, leistungsfähiger und kostengünstiger zu werden. Gemeinsam mit den EU-Mitgliedern, die unsere Ziele bereits heute teilen, wollen wir uns über die Gründung einer Europäischen Verteidigungsunion verständigen, die einer demokratischen und rechtstaatlichen Kontrolle unterliegen muss. Die im Lissabon-Vertrag vorgesehene ständige Zusammenarbeit ist ein wichtiger Schritt und ermöglicht schon jetzt konkrete Maßnahmen der engeren Kooperation und Arbeitsteilung auf dem Weg zu einer europäischen Armee. Ein solcher Zusammenschluss versteht sich als ergänzende Anstrengung zur NATO, nicht als deren Konkurrenz. Die NATO ist und bleibt ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft. Sie ist für Frieden und Sicherheit in einer Zeit neuer internationaler Unsicherheiten und Herausforderungen unverzichtbar.

Die EU-Erweiterungspolitik bleibt wichtig, um Frieden, Stabilität und Zusammenarbeit zu fördern. Zugleich muss die EU durch innere Reformen ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Alle Länder des westlichen Balkan haben eine Beitrittsperspektive. Wir unterstützen ihre Annäherung an die EU und schenken der Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit besondere Aufmerksamkeit.

Eine besondere Herausforderung für uns ist die Zusammenarbeit mit der Türkei. Die Türkei ist in vielen Bereichen ein wichtiger, wenngleich mittlerweile sehr schwieriger Partner. Die gegenwärtigen Entwicklungen in der Türkei sehen wir mit größter Sorge und verurteilen die massenhaften Verhaftungen von Journalistinnen und Journalisten und Oppositionellen sowie die Einschränkungen fundamentaler Grundrechte wie der Freiheit von Medien und Wissenschaft in aller Schärfe. Das Vorgehen der türkischen Regierung steht im Widerspruch zu den Werten der Demokratie und Rechtstaatlichkeit, die grundlegend für die europäische Wertegemeinschaft sind.

Die Wahrheit ist: Weder die Türkei noch die Europäische Union sind in absehbarer Zeit für einen Beitritt zur bereit. Allerdings sind die Beitrittsverhandlungen das einzige kontinuierliche Gesprächsformat der Europäischen Union mit der Türkei. Eine Isolierung der Türkei ist nicht im Interesse Europas. Die Stärkung der demokratischen Kräfte der Türkei ist in unserem besonderen Interesse. Wir setzen uns deshalb für Unterstützung und Reiseerleichterungen für Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, türkisch-deutscher Unternehmen, der Wissenschaften und der Künste sowie für Journalistinnen und Journalisten ein. Klar ist: Hält die türkische Regierung an ihrem konfrontativen Kurs fest, entfernt sie die Türkei von Europa. Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, entscheidet sie sich offen gegen die Mitgliedschaft in der Europäischen Union! Dann müssen die Beitrittsverhandlungen beendet werden. Wahlkampf und eine Abstimmung über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei wird es auf deutschem Boden nicht geben.

Demokratisches und handlungsfähiges Europa:

Die EU braucht starke Institutionen, allen voran ein starkes Europäisches Parlament und eine handlungsfähige Europäische Kommission. Statt nationaler Egoismen setzen wir auf die Gemeinschaftsmethode. Zugleich erkennen wir an, dass innerhalb der Europäischen Union unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft und die Arbeitsweise der Europäischen Union bestehen. Deshalb muss die EU flexibler werden. Gruppen von Mitgliedstaaten sollen bei gemeinsamen Projekten vorangehen können. Die europäischen Verträge lassen dies ausdrücklich zu. Wir wollen auch, dass sich die EU und ihre Organe auf das wirklich Wesentliche konzentrieren: Auf die Zukunftsaufgaben, die wir nur mit gemeinsamer europäischer Kraft meistern können.

Das Vereinigte Königreich will die Europäische Union verlassen. Diese Entscheidung gilt es zu respektieren. Klar ist zugleich aber: Ein Land, das nicht mehr Mitglied der Europäischen Union sein will, kann auch nicht dessen Vorteile genießen. Die vier Grundfreiheiten (freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital) und der Binnenmarkt sind untrennbar miteinander verbunden. Bei den Austrittsverhandlungen mit Großbritannien gibt es kein „Europa à la carte“. Natürlich ist eine enge Partnerschaft mit Großbritannien auch künftig in beiderseitigem Interesse, vor allem bei der Außen- und Sicherheitspolitik. Für uns ist aber in den Verhandlungen das wichtigste deutsche Interesse der Erhalt der europäischen Einigung.

Für eine Europäische Verfassung für Wachstum, sozialen Fortschritt und mehr Demokratie:

Die EU ist eine Gemeinschaft unteilbarer und universeller Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Grundrechte. Die Mitgliedstaaten müssen nicht nur vor, sondern auch nach dem Beitritt zur EU die Einhaltung dieser Werte gewährleisten. Die bestehenden Mechanismen hierfür wollen wir ausbauen. Nur dann ist die EU als eine Wertegemeinschaft auch glaubwürdig. Wir werden uns insbesondere jeder Einschränkung der unabhängigen Justiz, der Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit entschieden entgegenstellen.

Die Kompetenzen des Europäischen Parlamentes müssen ausgeweitet werden, um das demokratische Defizit der EU zu beseitigen und die neue Wirtschaftsregierung demokratisch kontrollieren zu können. Dazu wollen wir dem Europäischen Parlament die vollständige Mitwirkung an der Wirtschafts- und Währungspolitik, das vollständige Budgetrecht, das Recht zur Wahl der einzelnen Kommissionsmitglieder und das Recht zur Gesetzesinitiative übertragen. Um die Handlungsfähigkeit des Europäischen Parlamentes sicherzustellen und mehr demokratische Teilhabe zu ermöglichen, unterstützen wir ein einheitliches europäisches Wahlrecht, das auch Sperrklauseln vorsehen sollte. Die EU-Kommission muss reformiert werden. Dazu gehört, der Kommission eine solche Struktur zu geben, dass sie handlungsfähig und entscheidungsorientiert arbeiten kann. Die Aufstellung von gemeinsamen Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten – wie zum ersten Mal bei der Europawahl 2014 geschehen – wollen wir dauerhaft verankern. Wir wollen insgesamt die europäischen Parteien weiter stärken und die Möglichkeiten, sich in ihnen zu engagieren, erweitern. Die europäischen Parteien sind Träger einer transnationalen politischen Willensbildung. Um diesen wichtigen Aspekt europäischer Demokratie zusätzlich zu stärken, setzen wir uns auch dafür ein, dass die durch das Ausscheiden Großbritanniens freiwerdenden Sitze im Europäischen Parlament künftig durch Abgeordnete besetzt werden, die anhand transnationaler Listen gewählt worden sind.

Mittelfristig bedarf eine erneuerte Europäische Union einer Überarbeitung des Lissaboner Vertrages. Ziel ist eine europäische Verfassung, die sicherstellt, dass wirtschaftliche Integration mit sozialem Fortschritt und mehr Demokratie verbunden wird.



Europa zusammenführen

Wir wollen das vereinte Europa stärken. Denn ohne ein vereintes Europa wird es für uns alle weder Frieden noch Wohlstand noch Sicherheit in der globalisierten Welt geben. Mit uns wird es eine klare Kurskorrektur in der deutschen Europapolitik geben. Denn es braucht Partnerschaft mit Respekt auf Augenhöhe und mehr Solidarität und Nachhaltigkeit statt einseitiger Sparpolitik. Wir werden massiv in die ökologische Modernisierung und die digitale Zukunft unseres Kontinents investieren und so auch zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in vielen Ländern beitragen – statt zwei Prozent der Wirtschaftsleistung und damit allein in Deutschland 30 Milliarden Euro mehr in Verteidigung zu stecken. Wir wollen mehr Transparenz für Bürgerinnen und Bürger und mehr Entscheidungsrechte für die Parlamente in der Europapolitik. Durch gemeinsame Regeln werden wir Steuerdumping und Geldwäsche wirksam entgegentreten. Wir kämpfen dafür, dass CETA in dieser Form nicht ratifiziert wird.



Europa bleibt unsere Zukunft

Wir Freie Demokraten sind überzeugte Europäer. Denn die Geschichte hat gezeigt, in welche Sackgassen aggressiver Nationalismus führt. Das europäische Projekt hat unserem Kontinent Frieden und Wohlstand gebracht. Doch kann niemand übersehen, dass einzelne Teile heute noch nicht perfekt sind. Daher lasst uns Europa stärker machen, indem wir seine Schwächen beheben!

Reformen für eine bessere EU

Wir Freie Demokraten fordern institutionelle Reformen für mehr Transparenz und Effizienz in der EU. Das Europäische Parlament soll nach einem einheitlichen Wahlrecht mit staatenübergreifenden Listen und Spitzenkandidaten gewählt werden. Es muss zu einem Vollparlament mit Initiativrecht aufgewertet werden. Ein Sitz in Brüssel ist dabei ausreichend. Das spart Zeit und Geld im Vergleich zum Parallelbetrieb zwischen zwei Parlamentssitzen. Die EU-Kommission kann auf 16 Kommissare verkleinert werden. Hierbei sollten klare und einfach zurechenbare Ressorts vergeben werden, die den EU-Zuständigkeiten entsprechen. Ferner soll sich die Kommission nur um die Dinge kümmern, die besser auf europäischer Ebene geregelt werden und den Rest den nationalen Ebenen überlassen. Der Rat der Europäischen Union muss sich zu einer modernen zweiten Kammer entwickeln. Dort kann jeder Mitgliedstaat seine Position öffentlich vortragen. Mit diesen Reformen schaffen wir Transparenz und Effizienz, die wichtigsten Bausteine für eine gelungene Integration.

Zu einer starken Gemeinschaft gehört es, das Subsidiaritätsprinzip in der EU zu wahren. Deshalb sind die Vorschläge der Europäischen Kommission zu einer sozialen Säule Europas nicht zielführend. Wir sprechen uns hier nachdrücklich gegen eine Einflussnahme der Europäischen Union im Rahmen von verpflichtenden Rechtsakten aus. Jeder Mitgliedsstaat muss nach wie vor für seine eigene Arbeitsmarktpolitik, sein soziales Sicherungssystem und seine finanzielle Unterstützung sozial Schwacher selbst verantwortlich bleiben. Deshalb erteilen wir insbesondere einer gemeinsamen europäischen Arbeitslosenversicherung eine klare Absage.

Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten

Wir Freie Demokraten möchten, dass die europäische Integration durch ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ vereinfacht wird. Auch nach dem Brexit mit zukünftig 27 Mitgliedstaaten bleibt die europäische Integration angesichts der Vielfalt und Unterschiedlichkeiten der Mitgliedstaaten ein schwieriger Prozess. Deshalb möchten wir differenzierte Möglichkeiten für unterschiedliche Tiefen und Geschwindigkeiten bei der weiteren Integration schaffen. Mitgliedstaaten, die an der Weiterentwicklung der EU nicht oder nur langsamer teilnehmen wollen, sollen die anderen nicht aufhalten. Wenn weitere Schritte der europäischen Integration nicht von allen Mitgliedstaaten mitgetragen werden, wollen wir mehr Gebrauch von den Möglichkeiten der „Verstärkten Zusammenarbeit“ machen, um die Integration mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voranzutreiben. Deshalb muss das Projekt der Europäischen Staatsanwaltschaft nun endlich abgeschlossen und schnell umgesetzt werden. Damit weitere Staaten später stufenweise aufschließen können, soll ihnen ein Nachholen der vorangegangenen Integrationsschritte ermöglicht werden. Wir sind davon überzeugt, dass der europäische Einigungsprozess fortgesetzt werden muss, hin zu einer dezentral und bundesstaatlich verfassten Europäischen Union. Dieser Weg ist das erklärte Gegenmodell zum Rückfall Europas in nationalstaatliche Kleinstaaterei einerseits oder die Schaffung eines zentralisierten europäischen Superstaats andererseits.

Effektiver Schutz der EU-Außengrenzen

Wir Freie Demokraten wollen einen effektiven Schutz der EU-Außengrenzen. Nur so können wir wirksam kontrollieren, wer in die EU einreist und gleichzeitig die Grenzen zwischen den EU-Mitgliedstaaten offenhalten. Die Grenzagentur FRONTEX soll von der jetzigen zwischenstaatlichen Struktur zu einem echten europäischen Grenzschutz mit eigener Handlungsbefugnis und Kontrolle durch das Europäische Parlament ausgebaut werden. Sie braucht zentrale Führung, genügend schlagkräftiges Einsatzpersonal und modernste Überwachungs- und Reaktionsmittel. Wie alle EU-Akteure ist FRONTEX an die Europäische Charta der Grundfreiheiten gebunden, denn innere Sicherheit in Europa darf nie auf Kosten der Menschenrechte erzielt werden. Daher soll sie auch Aufgaben der Hochseenotrettung im Mittelmeer wahrnehmen, um weitere Tote durch kenternde Schlepperboote zu verhindern.

Echte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa

Wir Freie Demokraten wollen eine echte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in Europa. Wir stehen zum Ziel, dass Europa gemeinsam Verantwortung für Frieden, Freiheit und Sicherheit trägt und wollen die GASP der EU stärken. Nur wenn wir in Fragen globaler Abkommen geeint auftreten, wird die europäische Stimme Gewicht erlangen. Der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik sollte dabei eine Schlüsselposition als „EU-Außenministerin“ zukommen. Nur wenn es uns gelingt, auch in den strittigen Fragen im passenden Moment eine europäische Antwort zugeben, wird man uns als Friedensmacht ernst nehmen. Deswegen setzen wir uns für einen konsequenten Ausbau der gemeinsamen Fähigkeiten ein, auch abseits der Europäischen Verträge. Einzelne EU-Staaten sollten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit gemeinsam handeln können, wenn es ihre Fähigkeiten und Sicherheit erhöht. Vielmehr sollen auch einzelne EU-Staaten zusammenarbeiten, wenn es ihre Fähigkeiten und Sicherheit erhöht.

Nutzung europäischer Synergien bei Rüstungsentwicklung und -beschaffung

Wir Freie Demokraten wollen mehr europäische Synergien für die Rüstungsentwicklung und -beschaffung. Rüstungsentwicklung und -beschaffung ist nicht nur politisch hochbrisant, sondern auch extrem kostspielig. Um Geld zu sparen und die europäische Partnerschaft zu vertiefen, soll es auch für die Rüstungsindustrie einen funktionierenden Binnenmarkt mit einheitlichen Beschaffungsregeln geben. Arbeiten die Mitgliedsländer zusammen, muss Geld nicht durch jedes Land einzeln ausgegeben werden, sondern es reicht die einmalige und zentrale Investition. Verwenden die europäischen Armeen die gleiche Ausrüstung, können in folgenden Schritten die gemeinsame Ausbildung und militärische Integration weiter vorangetrieben werden.

Die Europäische Union braucht eine Europäische Armee

Wir Freie Demokraten wollen den Aufbau einer Europäischen Armee unter gemeinsamem Oberbefehl und parlamentarischer Kontrolle. Dazu streben wir schrittweise eine engere Verzahnung und den Ausbau der gemeinsamen Fähigkeiten der Streitkräfte der integrationswilligen Mitgliedsländer an und damit die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion. Der erste Schritt hierzu wäre die Nutzung des im EU-Vertrag bereits vorhandenen Instruments der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen. Die Aufstellung europäischer, multinationaler Verbände gehört dazu ebenso wie eine schrittweise integrierte gemeinsame militärische Ausrüstung. So können Kosten optimiert und technische und taktische Kompatibilität erhöht werden. Es gilt, Strategien, Ausbildung und Einsatzverfahren anzugleichen und auf EU-Ebene zu integrieren. Ein gemeinsames Hauptquartier könnte aus den Stabselementen der fünf bereits bestehenden supranationalen Korps hervorgehen. Bei all diesen Schritten muss parallel die Interoperabilität mit Kräften und Instrumenten der NATO weiter verstärkt werden. Nur gemeinsam kann die EU auch in Zukunft Sicherheit für ihre Bürgerinnen und Bürger garantieren, insbesondere angesichts eines Präsidenten Trump, der das Verhaltender USA zunehmend unvorhersehbar macht.



XVI. Für ein Europa der Menschen statt der Banken und Konzerne

Die Europäische Union ist in einer grundlegenden Krise. Die soziale Ungleichheit ist gewachsen, Reichtum und Armut explodieren. Die Militarisierung wird vorangetrieben. Die neoliberale Politik der Konkurrenz und Austerität hat zu Massenerwerbslosigkeit geführt und in Südeuropa eine verlorene Generation hervorgebracht. In der ganzen EU sind es fast ein Viertel, in Italien, Spanien, Griechenland 40 bis 60 Prozent der jungen Menschen, die keine Arbeit finden. In dieser EU hat die Wettbewerbsfähigkeit im Interesse der Profite von Banken und Konzernen Vorrang vor den Interessen der Bevölkerungen. Die »Rettung« Griechenlands war zu über 90 Prozent eine Finanzierung von reichen Gläubigern und Bankprofiten, nicht zuletzt deutscher Banken. Die Durchsetzung von neoliberalen Handelsabkommen wie TTIP und CETA gegen den Willen von Hundertausenden Menschen oder die Erpressung Griechenlands, die verheerende neoliberale Kürzungspolitik fortzusetzen, zeigt: Wenn die Menschen eine andere Politik wollen, wird die Demokratie als Wettbewerbshindernis beiseitegeschoben. Das Ergebnis: Diese EU und dieses Projekt der europäischen Integration verlieren bei den Menschen an Vertrauen.

Viele Menschen in Europa fühlen sich zunehmend abgehängt. Dies wird von der politischen Rechten ausgeschlachtet, um die Menschen gegeneinander auszuspielen und den Kontinent zu polarisieren. Die Krise der EU heute ist vor allem eine soziale Krise. Ganze Regionen, Industrien und Wirtschaftssektoren wurden in den Ruin getrieben. Dies hat sich infolge der Flucht- und Migrationsbewegungen zugespitzt. Nationalistische Töne in öffentlichen Debatten nehmen zu. Neben der linken, sozialen Kritik am neoliberalen Projekt EU nimmt auch eine von dumpfem Nationalismus und irrationalen Ängsten gespeiste Kritik von rechts zu. Wahlerfolge rechter, rechtsextremer und faschistischer Parteien in zahlreichen Ländern sind ein Ausdruck dieser politischen Krise. Spätestens mit dem »Brexit«-Referendum in Großbritannien ist offenbar geworden, dass die Gefahr eines Auseinanderbrechens der EU ganz real ist. Es sind diese unsoziale und undemokratische EU und die Politik ihrer Mitgliedstaaten, die autoritären Kräften, Rassismus und Nationalismus Auftrieb geben. Europa kann durch Demokratie und soziale Gerechtigkeit verändert werden – andernfalls besteht die Gefahr, dass rechte Parteien und Populisten Europa nach ihrem Bild verändern.

Wer den Rechtsruck in Europa stoppen will, muss sich für einen grundlegenden Politikwechsel gerade in Deutschland einsetzen. Die deutsche Regierung spielt eine zentrale Rolle dabei, die Europäische Union weiter zum Wettbewerbsraum umzubauen. Standortkonkurrenz, Druck auf die Löhne und den Sozialstaat, Freihandel und Aufrüstung sind weder im Interesse der Menschen in Deutschland noch der Menschen im restlichen Europa. Die einseitige Exportorientierung vor allem der deutschen Wirtschaft führt zu Deindustrialisierung, Verschuldung und Massenerwerbslosigkeit in weiten Teilen der EU. Sie geht auch zu Lasten der Beschäftigten in Deutschland: Die Folge sind prekäre Arbeit, Niedriglohn und Dauerstress. DIE LINKE kämpft daher für einen Politikwechsel in Deutschland und eine andere Wirtschaftspolitik – für höhere Löhne, Umverteilung des Reichtums und öffentliche Investitionen, für einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft. Nur so kann die tiefe Krise in Europa überwunden werden.

Der deutsche Exportüberschuss führt zur Verschuldung anderer Länder. Die neoliberale Konstruktion des Euros nützt vor allem der deutschen Exportindustrie und internationalen Großkonzernen, während Europa wirtschaftlich und sozial gespalten wird. Die Politik von Troika, Merkel & Co. zerstört die Gemeinschaftswährung. Auch die Währungsunion muss radikal reformiert werden oder sie wird mit unabsehbaren Folgen zerbrechen. Voraussetzung dafür ist eine andere deutsche Wirtschaftspolitik und ein Ende der Austerität. Dies ist möglich, indem mit der deutschen Hegemonie in der EU gebrochen und eine demokratische EU, die aus gleichberechtigten Partnern besteht, entsteht. Wir lehnen alle Bestrebungen ab, Euro-Länder, die die neoliberale Politik beenden wollen, mit der Drohung eines Ausschlusses aus der Eurozone zu erpressen.

DIE LINKE will einen Neustart der Europäischen Union. Die Verträge von Maastricht und Lissabon haben den Neoliberalismus in die Grundlagen der EU eingeschrieben. Wir brauchen eine grundsätzliche soziale und demokratische Alternative zu dieser neoliberalen EU: mit neuen Verträgen, neuen Strukturen, neuen Hoffnungen.

Wir wollen die linke europäische Idee von sozialer Gerechtigkeit, Humanismus und internationaler Solidarität vor ihrer Zerstörung durch die neoliberale Politik der EU bewahren. Nur so kann Europa, kann eine soziale, demokratische EU eine wirkliche und dauerhafte Antwort auf die jahrhundertelange Geschichte von Kriegen und Gewaltherrschaft in Europa sein – insbesondere dem verbrecherischen Zweiten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus. Ein Scheitern der EU würde dem Nationalismus und Rassismus in Europa weiteren massiven Auftrieb geben.

Eine Verbesserung demokratischer und sozialer Standards wird es im 21. Jahrhundert in Europa nur auf der Grundlage des solidarischen Miteinanders geben. Diese feste Überzeugung teilen wir mit vielen Menschen, die sich für die europäische Integration einsetzen. Wir wollen den Neustart de rEuropäischen Union durch eine Initiative für ein Europa von Unten.

In allen Mitgliedstaaten muss über die neuen Verträge in Volksabstimmungen entschieden werden. Wir wollen die Finanzmärkte entmachten und den europäischen Bankensektor demokratisch kontrollieren. Im Vordergrund stehen für uns die Interessen der Menschen in Europa, nicht Kapitalinteressen einzelner Länder oder ein Währungssystem. Wir wollen mit der neoliberalen Wettbewerbspolitik brechen. Wir wollen die Binnennachfrage stärken und die Spekulation zurückdrängen. DIE LINKE setzt sich auf allen politischen Ebenen dafür ein, dass bei den Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU: 1. der Schutz des Rechts auf Arbeitnehmerfreizügigkeit gewahrt bleibt, damit britische Staatsbürger weiterhin das Recht haben, in EU-Mitgliedsstaaten zu arbeiten und gleichzeitig Bürger von Mitgliedsstaaten der EU in Großbritannien arbeiten können. 2. das Bleiberecht von britischen Staatsbürgern mit Wohnsitz in EU-Mitgliedsstaaten sowie das Bleiberecht von Bürgern aus EU-Mitgliedsstaaten in Großbritannien gewahrt bleibt.

Die EU kann durch Bewegung von unten, ein Aufstehen der Menschen in Europa für Demokratie und soziale Gerechtigkeit, verändert werden. Bereits früher konnten durch den Druck von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen neoliberale Vorstöße zur Privatisierung der Wasserversorgung (2014) und die sogenannte Bolkestein-Richtlinie (2006) zur Liberalisierung von Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt verhindert werden. Nur so werden wir auch TTIP, CETA und TiSA verhindern. DIE LINKE steht an der Seite der Gewerkschaften und ist Teil der sozialen Bewegungen. Wir werden in Deutschland und in Europa gemeinsam mit unserer Fraktion im EU-Parlament sowie unseren Schwesterparteien in der Europäischen Linken (EL) weiter dafür kämpfen, dass die Interessen der Menschen Vorrang vor Profit und Wettbewerb haben. DIE LINKE ist solidarisch mit den linken fortschrittlichen Kräften in Europa, die ein soziales und solidarisches Europa anstreben.

Austerität für die unten, Profite für die oben? Die Macht der Banken und Konzerne brechen!

Wir wollen die Kürzungsdiktate in Europa, die besonders von Deutschland vorangetrieben werden, beenden. Es müssen sofort wirksame Schritte gegen Massenerwerbslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit der Jugend in den Krisenländern eingeleitet werden. Die Löhne in Deutschland müssen steigen, den deindustrialisierten Regionen in der EU müssen alternative Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden.

  • Daher fordert DIE LINKE ein öffentliches europäisches Investitionsprogramm, das vor allem auf Entwicklung im Bereich öffentlicher und sozialer Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheitsversorgung und Pflege, Verkehr und Wohnen sowie auf einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft setzt. Zur Finanzierung wollen wir in allen EU-Staaten eine einmalige Vermögensabgabe auf Vermögen über einer Million Euro erheben.
  • Wir wollen die öffentliche Kreditaufnahme vom Finanzmarkt abkoppeln: Die EZB soll den Euro-Staaten in festgelegtem Rahmen direkt leihen dürfen. Dabei sollen nicht nur Preisstabilität, sondern auch nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Vollbeschäftigung berücksichtigt werden. Dies wäre als erster Schritt über öffentliche Banken wie die Europäische Investitionsbank sowie nationale Förderbanken möglich. Wir wollen eine öffentliche europäische Ratingagentur schaffen. Ratings von privaten Agenturen dürfen nicht Gegenstand von verbindlichen Regeln der EU sein.
  • Investitionsprogramme wie der Juncker-Plan der EU fördern die Privatisierung von Autobahnen, Krankenhäusern und öffentlicher Daseinsvorsorge. Wir wollen öffentliche Investitionen in der EU fördern, statt mit öffentlichen Geldern private Investitionen und private Renditen abzusichern.
  • Wir wollen den europaweiten Ausbau öffentlicher und ökologisch sinnvoller Infrastruktur und den Ausbau regenerativer Energien gezielt fördern.
  • Keine Bankenrettung auf Kosten der Gesellschaft! Die Eigentümer und Gläubiger müssen für die Banken haften. Die Einlagen von Kleinsparerinnen und Kleinsparern müssen öffentlich abgesichert werden (vgl. Kapitel XIV »Menschen und Natur vor Profite«). Sparkassen und Genossenschaftsbanken dürfen nicht für Mega-Banken haften.
  • Wir wollen eine europäische Schuldenkonferenz, bei der die Staatsschulden auf ihre Legitimität und ihre Tragbarkeit geprüft und Lösungen gefunden werden, die den am stärksten verschuldeten Ländern einen Ausweg aus der humanitären Katastrophe und den Pfad zu einer nachhaltigen Entwicklung eröffnen.
  • Wir setzen uns für einen Schuldenschnitt für Griechenland ein. Die Bundesregierung muss endlich in Rechtsnachfolge des Nazi-Regimes die erpressten Kredite beim griechischen Staat begleichen und Reparationen für begangene Kriegsverbrechen zahlen.
  • Wir wollen den Unterbietungswettbewerb – welches Land bietet dem Kapital die niedrigsten Steuern, Löhne und Sozialleistungen – unterbinden. Wir kämpfen für Mindeststandards und eine abgestimmte Besteuerung der Superreichen in Europa. Wir wollen, dass Lohndumping in der EU gestoppt wird. Lohn-,Steuer- und Sozialpolitik müssen in diesem Sinne aufeinander abgestimmt werden. DIE LINKE kämpft für einen Europäischen Mindestlohn, der bei 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohns liegen muss.
  • Wir lehnen die Kapitalmarktunion ab, mit der die Kapitalmärkte der Mitgliedstaaten stärker miteinander verkoppelt werden.
  • DIE LINKE fordert gemeinsam mit den Gewerkschaften eine Klausel für sozialen Fortschritt in den EU-Verträgen. Soziale Grundrechte und die Tarifautonomie müssen Vorrang vor der Binnenmarktfreiheit haben. Sozialstaatlichkeit muss in den EU-Verträgen neben Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geschützt werden.

In der Euro-Krise wurde offensichtlich: Wir brauchen Mechanismen gegen die Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen. Die Exportüberschüsse der einen sind notwendig die Schulden der anderen. So kann kein soziales Europa entstehen! Wir wollen die Staaten auf ausgeglichene Handelsbilanzen verpflichten. Das ist im Interesse unserer europäischen Nachbarn. Und es ist im Interesse der Menschen in Deutschland, weil die Löhne steigen und die Wirtschaft stärker auf Nachfrage im Inneren statt auf Spekulation ausgerichtet wird.

  • Wir wollen Steuerflucht bekämpfen und Steueroasen austrocknen: durch automatische Meldepflichten für Banken, die Möglichkeit, verdächtige Guthaben einzufrieren, Entzug von Banklizenzen für nicht kooperative Banken, verbesserte Strafverfolgung von Steuerhinterziehung und durch Kapitalverkehrskontrollen.
  • Die Kreditaufnahme der Staaten, zunächst derjenigen im Euro-Verbund, muss durch eine gemeinsame Haftung abgesichert werden, um zu verhindern, dass mit den Schulden der Länder spekuliert wird und die Verzinsung in nicht mehr bezahlbare Höhen getrieben wird. Die bestehenden Regelungen der Finanzaufsicht des Europäischen Stabilitätsfonds sind entsprechend anzupassen.
    Die Regierenden der EU nutzen die Verhandlungen der Freihandelsverträge TTIP, CETA und TiSA, um Rechte der Beschäftigten und den Verbraucherschutz weiter zu schleifen. Fiskalpakt und Troika schaffen weitere Eingriffsmöglichkeiten in die Entscheidungen gewählter Volksvertretungen.
  • TTIP, CETA, TiSA und EPAs stoppen! In der Handelspolitik werden wir uns weiter allen Handels- und Investitionsabkommen widersetzen, die Verschlechterungen der Rechte der Beschäftigten, im Verbraucher-, Umwelt- und Klimaschutz und beim Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie der Förderung von Kulturgütern bedeuten. DIE LINKE setzt sich daher für eine grundlegende Neuausrichtung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen weltweit ein.

Eine EU, in der die Parlamente entscheiden

Statt einer im Kern undemokratischen EU wollen wir die Institutionen der EU grundlegend demokratisieren und damit einen Neustart für die Demokratie in Europa ermöglichen. Wir wollen die Rechte des Europaparlaments stärken. Unter den gegebenen Bedingungen dürfen keine weiteren Kompetenzen auf die europäische Ebene verlagert werden, die zu einer Verfestigung der neoliberalen EU führen können.

Es muss der Grundsatz der Subsidiarität gelten: Das stellt sicher, dass politische Entscheidungen in der EU so bürgernah wie möglich getroffen werden. Entscheidungen sollen auf den Ebenen getroffen werden, die am stärksten davon betroffen sind: Kommunale Angelegenheiten in den Kommunen und bundesweite Angelegenheiten in den nationalen Parlamenten. Grundlegende Entscheidungen in der EU müssen vom Europaparlament und den nationalen Parlamenten getroffen werden statt von nicht-legitimierten Gremien wie der EU-Kommission oder dem Rat.

  • Das Europäische Parlament muss das Initiativrecht bekommen.
  • Im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion soll das EP gleichberechtigt zu Rat und Eurogruppe entscheiden können.
  • Die Abgeordneten sollen die Kommission und ihren Präsidenten wählen und abwählen können.
  • Die Hürden für Europäische Bürgerinitiativen müssen gesenkt werden.
  • Alle sollen in den EU-Staaten, in denen sie leben, volle bürgerliche Rechte genießen können.
  • Wir wollen ein verpflichtendes und verbindliches Lobbyregisters. Lobbyisten, die Einfluss auf Politik nehmen, sollen registriert werden.
  • Die EZB muss unter demokratische Entscheidungen und Kontrolle des Europäischen Parlaments gestellt werden, statt »unabhängig« von diesem zu sein und über der Demokratie zu stehen. Die EZB muss neben der Preisstabilität gleichrangig auf wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung verpflichtet werden.
  • Wir lehnen die Entmachtung der Parlamente und Eingriffe in die Tarifautonomie durch eine Wirtschaftsregierung ab.
  • Wir wollen EU-weite Volkbegehren und Volksentscheide ermöglichen.
  • Die EU muss der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten. Soziale Grundrechte – entsprechend der revidierten Europäischen Sozialcharta des Europarates – müssen von einzelnen Personen auch beim Europäischen Gerichtshof einklagbar sein.
  • Wir wollen europaweite öffentlich-rechtliche Medien und Plattformen und einen gleichberechtigen Zugang dazu für alle demokratischen politischen und sozialen Kräfte und Bewegungen.
  • Wir wollen die Grundrechte in Europa stärken: Keine verdachtsunabhängige Datenspeicherung und kein Profiling. Unter dem Vorwand der Sicherheit und des Kampfes gegen den Terrorismus werden Überwachungstechnik und Datensammlung ausgebaut und die Freiheitsrechte ausgehöhlt, die man zu verteidigen vorgibt. Wir brauchen einen starken europäischen Datenschutz, damit der Datenschutz in Deutschland besser funktioniert. Im europäischen Haftbefehl und der europäischen Ermittlungsanordnung muss das Recht auf anwaltliche Unterstützung und Übersetzung gesichert werden.

Eine EU, die gute Arbeit und soziale Rechte schafft

  • Das Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort« muss rechtlich verankert werden, um Lohndumping zu unterbinden.
  • Wir streiten für einen Europäischen Mindestlohn in Höhe mindestens 60 Prozent des Durchschnittsentgelts des jeweiligen Landes.
  • Mitbestimmungsrechte und Rechte von Gewerkschaften und Beschäftigten müssen wieder hergestellt und ausgebaut werden.
  • Arbeitsinspektionen auf europäischer Ebene müssen personell besser und mit unabhängigen Kontrollrechten ausgestattet werden.
  • Wir wollen soziale Sicherheit mit verbindlicher sozialer Mindestsicherung und verbindlichen sozialen Mindeststandards nach der Günstigkeitsklausel.

    Das Freizügigkeitsrecht in der EU muss für alle gelten. Ungleiche Lebensverhältnisse und die hohe Arbeitslosigkeit in Süd- und Osteuropa zwingen insbesondere junge Menschen zur Abwanderung und untergraben echte Freizügigkeit. Wir sind gegen den Ausschluss von Arbeit suchenden Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern aus der Sozialhilfe. Stattdessen sollen sie dabei unterstützt werden, eine gute Arbeit zu finden. Die Alternative sind Armut, Verelendung und Ausbeutung.

Gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen

EU-Programme – wie der Kohäsionsfonds, der Sozialfonds, Fonds für ländliche Entwicklung, der Fischereifonds und der Fonds für Regionale Entwicklung – haben in den Mitgliedsstaaten, ihren Regionen und Kommunen den Ausbau von technischer und sozialer Infrastruktur befördert. Doch trotz dieser wichtigen Beiträge waren sie nicht ausreichend, um die ungleiche Entwicklung der Wirtschaft zu korrigieren und über Grenzen hinweg vergleichbare Lebensbedingungen zu schaffen. Daher müssen diese Fonds deutlich gestärkt werden, statt von Kürzungen bedroht oder zur Durchsetzung neoliberaler politischer Vorgaben missbraucht zu werden. Das von uns geforderte Europäische Investitionsprogramm soll diese Fonds nicht ersetzen, sondern ergänzen: als Bestandteil für einen sozialen Neustart der EU.

  • Die Kohäsionspolitik muss auch ab 2021 weitergeführt werden und insbesondere südeuropäische Länder der EU fördern.
  • Der Europäische Sozialfonds zur Förderung der Beschäftigungspolitik des sozialen Zusammenhalts muss weiterentwickelt werden.
  • Der Europäische Globalisierungsfonds (EGF) soll Beschäftigten helfen, wenn sie aufgrund von Globalisierungsfolgen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Er muss auch Betrieben mit weniger als 500 Beschäftigten zugänglich gemacht werden und zu einem Beschäftigungssicherungsfonds ausgebaut werden.
  • Das INTERREG-Programm muss zur Förderung grenzüberschreitender Kooperation weiterhin Unterstützung erhalten.
  • Die Mittel der EU-Agrarförderung wollen wir im Sinne einer linken Agrarpolitik nutzen, um die Exportorientierung zu beenden und ökologische Nachhaltigkeit, regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung stärker zu fördern.

Keine Europäische Union der Aufrüstung und Militarisierung

Die Mitgliedsstaaten der NATO haben sich verpflichtet, jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Aufrüstung und Kriegsfähigkeit zu investieren. Die Antwort auf die Wahl von Trump zum Präsidenten der USA und das »Brexit«-Votum der britischen Bevölkerung sind auch in der EU Pläne zu weiterer Aufrüstung mit dem Ziel einer »strategischen Autonomie«. Gemeint sind: eine europäische Armee, finanziert und geführt von der Europäischen Union. Ein gemeinsamer Rüstungsmarkt soll geschaffen und die Rüstungsindustrie europäisiert werden. Der Binnenmarkt für Verteidigungsgüter soll gestärkt werden. Dafür werden auch Förderungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus den Fördertöpfen der EU geprüft.

Auf die wirtschaftlichen und sozialen Zerfallsprozesse in der EU folgen militärische und sicherheitspolitische Integrationspläne. Wirtschaftliche Entwicklung wird als Rüstungsförderung betrieben. Der Ausbau einer »Verteidigungsunion« oder »Militärunion«, die Schaffung einer europäischen Armee und andere Vorhaben der Militarisierung führen nicht zu mehr Sicherheit für die Menschen in Europa, sondern sichern Konzerninteressen militärisch ab. Wir wollen die Militarisierung der EU beenden. Sicherheit gibt es nur mit konsequenter Friedenspolitik und Förderung globaler Gerechtigkeit statt Standortkonkurrenz.

  • Wir wollen die EU-Rüstungsagentur abschaffen.
  • Wir setzen uns für ein EU-weites Verbot von Rüstungsexporten ein.
  • Unser Investitionsprogramm umfasst auch Mittel für den zivilen Umbau der Rüstungsindustrie. Die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie müssen in ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Arbeitsplätze überführt werden.
  • Wir lehnen die Pläne einer europäischen Verteidigungsunion, inklusive einer intensivierten EU-NATO-Kooperation, ab. Die EU muss eine dem Frieden verpflichtete Politik betreiben, und ihre auswärtige Politik ist strikt auf zivile Instrumente zu orientieren.
  • Wir wollen den EURATOM-Vertrag auflösen und von den vertraglichen Grundlagen der EU entflechten, denn er blockiert eine transparente, sozial und demokratisch- gestaltete Energiewende und den unumkehrbaren Atomausstieg. Wir setzen uns ein für die Einrichtung einer alternativen »Europäischen Gemeinschaft zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeinsparung«. Wir treten ein für eine Europäische Friedens- und Entspannungspolitik (vgl. Kapitel XV »Nein zum Krieg«).

Sichere Fluchtwege und Schutz der Menschenrechte statt Krieg gegen Flüchtlinge

Es ist mit einem demokratischen und menschlichen Europa nicht vereinbar, dass Tausende von Menschen auf ihrem Weg in ein vermeintlich sicheres Europa im Mittelmeer ertrinken oder in rechtsfreien Räumen in Auffanglagern und Abschiebezentren vor den Grenzen der EU interniert werden. Zur Beseitigung der Fluchtursachen wird ein gemeinsames Agieren der EU-Mitgliedsstaaten benötigt (zu den Fluchtursachen vgl. Kapitel XV »Nein zum Krieg«). Wir streiten für legale und sichere Fluchtwege nach Europa. Dies würde Leben retten und das Geschäft der Schlepper unterbinden. Der aktuelle »Krieg gegen die Schlepper« ist allzu oft ein Krieg gegen Boote voller Flüchtlinge. Repression und Überwachung, Entmündigung und Entrechtung ziehen sich durch die Vorschläge der Europäischen Kommission. Wir brauchen eine humane Asylpolitik und einen ebenso zu definierenden Rahmen für Einwanderung in die EU.

  • Fähren statt Frontex! Frontex muss abgeschafft und durch eine koordinierte Seenotrettung in europäischer Verantwortung ersetzt werden.
  • Die Finanzierung und Ausbildung der libyschen Küstenwache im Rahmen der Operation EUNAVFOR Med wird eingestellt.
  • Die Verantwortung, die Flüchtlinge zu schützen, darf nicht auf Drittstaaten außerhalb der EU übertragen werden. Der von der Kanzlerin vorangetriebene EU-Türkei-Deal muss aufgekündigt werden! Die Pläne, in Nordafrika Auffanglager zu schaffen, lehnen wir ab. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention dürfen Flüchtlinge nicht abgewiesen werden!
  • Das EU-Dublin-System ist gescheitert. Wir setzen uns für ein faires und solidarisches System der Flüchtlingsaufnahme und Verantwortungsteilung in der EU ein. Ein Ausgleich soll vor allem finanziell hergestellt werden (»Fluchtumlage«). Wir wollen das Prinzip der freien Wahl des Mitgliedsstaates für die Geflüchteten.
  • Die Grenzen der EU müssen für schutzsuchende Menschen offen sein, es muss sichere und legale Fluchtwege geben.



Kapitel 2 – Der EURO ist gescheitert: Währung, Geld- und Finanzpolitik

2.1 Die weitere Mitgliedschaft in der Eurozone ist für Deutschland unbezahlbar

Die Geschäftsgrundlage des Euro war: Keine Haftung für die Schulden anderer Länder und keine Staatsschulden über 60 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts. Diese Regeln sind zerstört worden.

Deshalb muss Deutschland die Transferunion aufkündigen und den Euroraum verlassen.

2.2 Sparer und Rentner vor Enteignung durch die EZB schützen

Die EZB sollte eine zweite Bundesbank sein. Stattdessen betreibt sie eine Währungspolitik der unwirtschaftlichen Zinsen (Nullzinspolitik). Dies zerstört alle kapitalgedeckten Alterssicherungssysteme von Betriebsrenten, über staatlich geförderte Rentensysteme, private Lebensversicherungen bis zu privaten Sparvermögen. Seit dem Amtsantritt von Gouverneur Draghi fehlen rund 500 Milliarden Euro für die Altersvorsorge der Deutschen. Die AfD fordert die Durchsetzung des vertraglichen Verbots der Staatsfinanzierung und eine Rückführung der Befugnisse der EZB auf Geldpolitik im engeren, klassischen Sinn. Alle Maßnahmen der EZB zur Manipulation des freien Kapitalmarkts müssen eingestellt werden. Eine Politik der künstlich herbeigeführten Null- und Negativzinsen führt zur Zerstörung der zentralen Märkte für Anleihen. Die durch die EZB-Politik verursachte Wechselkursabwertung und die Preisexplosion am Aktien- und Immobilienmarkt zerstören die Kaufkraft von nicht so schnell steigenden Einkünften, wovon insbesondere Arbeitnehmer und Rentner betroffen sind.

Während die Bundesbank nur einmal in 50 Jahren Staatsanleihen gekauft hat, ist das für die EZB das tägliche „Geschäftsmodell“. Bis Ende 2016 hat sie für über zwei Billionen Euro staatliche und private Anleihen erworben. Eine solche „Rotation der Gelddruckmaschine“ ist nach den europäischen Verträgen verboten.

Der Euro ist für ein Wirtschaftsgebiet mit völlig unterschiedlich leistungsfähigen Volkswirtschaften eine Fehlkonstruktion. Nach achtzehn Jahren Spannungsaufbau kann die Gemeinschaftswährung nur noch über permanente und weitgehend deutsche Haftungsübernahmen aufrechterhalten werden. Dies ist keine Basis für die gedeihliche Entwicklung der Volkswirtschaften der Euroländer. Die Folge ist eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit im Süden Europas. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Spanien und Griechenland bei über 40 Prozent, in Italien bei über 35 Prozent und in Frankreich bei über 25 Prozent. Es entwickeln sich „verlorene Generationen“. Die Völker Europas werden diese Entwicklung nicht klaglos hinnehmen und sich zu Recht gegen die politischen Eliten auflehnen.

Die suprastaatliche Rettungspolitik verletzt geltendes Recht, darunter das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB und das Verbot der Haftung für Schulden anderer Mitgliedstaaten (Art. 123 und 125 AEUV). Die Rettungspolitik bricht alle den Wählern seit den 1990er Jahren gegebenen Zusicherungen zur „niemals zugelassenen Haftung Deutschlands für Fremdschulden“.

Willkürliche „Rettungsmaßnahmen“ zugunsten einzelner Banken und Unternehmen oder gar eine „EU-Wirtschaftsregierung“ lehnen wir ab.

Dies sind vertragswidrige Eingriffe in die Marktwirtschaft und in die demokratischen Entscheidungsstrukturen der beteiligten Nationalstaaten.

Die AfD ist sich bewusst, dass die Rückabwicklung einer fast 20 Jahre zurückliegenden Fehlentscheidung finanziell schwierig sein wird. Solche Kosten werden jedoch niedriger sein als die eines weiteren Verbleibs im Eurosystem, da dessen weitere Entwicklung bezüglich der Fremdhaftung und der Zinseinbußen unabsehbar und daher in den Kosten nicht zu begrenzen ist.

2.3 Erhalt des Bargelds

Unser Bargeld ist in Gefahr. Mit Unterstützung von Bundesregierung, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank wird seine schleichende Abschaffung vorbereitet.

Die AfD fordert den dauerhaften Erhalt der uneingeschränkten Bargeldnutzung als wichtiges bürgerliches Freiheitsrecht.

Mit der Abschaffung des Bargelds würde die Rolle des Geldes als unantastbarer und gebührenfreier Wertspeicher eingeschränkt. Eine Abschaffung des Bargelds macht für den Krisenfall die Enteignung von Kontoinhabern möglich. Bargeld ist ein natürliches Bollwerk gegen eine weitere Absenkung der Zinsen bis in den negativen Bereich.

Ein Bargeldverbot würde bedeuten, dass Zahlungsvorgänge nur noch elektronisch stattfinden können. Dies eröffnet Staat und Banken die totale Kontrolle über alle Geldströme und Wirtschaftsaktivitäten, über jede finanzielle Handlung der Bürger, unter Umständen sogar über deren Aufenthaltsorte. Aus dem gläsernen Bankkunden würde der gläserne Mensch – Vollüberwachung bis hinein in private, ja intime Lebensbereiche. Mit einem freiheitlichen Rechtsstaat sind solche Kontrollmöglichkeiten nicht vereinbar.

2.4 Keine deutsche Haftung für ausländische Banken

Die AfD verlangt, dass die deutschen Banken etwaige Haftungen auf die nationale Ebene begrenzen und wie bisher eigene Verbundlösungen schaffen können, die den unterschiedlichen Profilen der Bankengruppen Rechnung tragen.

Wir wenden uns gegen jegliche Versuche der europäischen Vergemeinschaftung von Haftungsrisiken, insbesondere aus Bankgeschäften.

Die „Bankenunion“ wäre ein weiterer Schritt in die von der AfD abgelehnte Haftungs- und Transferunion. Wir treten dafür ein, die nationale Souveränität über die Banken-und Finanzdienstleistungen wiederherzustellen; dieser Wirtschaftsbereich ist für ein reibungsloses Funktionieren unserer Volkswirtschaft lebenswichtig.

Die grenzüberschreitende Haftung der deutschen Banken für alle anderen EU-Banken muss ausgeschlossen bleiben.

Als Sofortmaßnahme, noch vor einem „D-Exit“, fordert die AfD darum die Bundesregierung und die Deutsche Bundesbank auf, die politisch bislang geduldete Überbeanspruchung des Verrechnungskontos „Target-2“ zu beenden.

Derzeit hat die Bundesbank offene Forderungen in Höhe von über 800 Milliarden Euro gegenüber der EZB, deren Betreibung mangels hinterlegter Sicherheiten ungewiss ist.

Bis zum Ausstieg aus dem Euro sind diese gefährdeten Target-2-Forderungen der Bundesbank abzuschmelzen, jährlich an Stichtagen glattzustellen oder mit Sicherheiten zu unterlegen. Alternativ wird die Bundesbank beauftragt, diese Forderungen abzuschmelzen, indem sie Sachwerte in den Schuldnerstaaten ankauft.

2.5 Mit uns ist Ihr Geld sicher: Absicherung der Bürger gegen eine Eurokrise

Deutschland muss auch in einem plötzlichen währungspolitischen Krisenfall handlungsfähig sein.

Wir wollen deshalb für die Wiedereinführung einer neuen nationalen Währung („Deutsche Mark“) rechtzeitige Vorkehrungen treffen. Für den Fall einer Verschärfung der Finanzkrise wollen wir schon jetzt vorsorglich ein gesetzliches Maßnahmenpaket auf den Weg bringen. Das im Ausland gelagerte Gold der Bundesbank muss vollständig und umgehend nach Deutschland überführt werden. Bei der Wiedereinführung der Deutschen Mark könnte Deutschland das Gold als temporäre Deckungsoption benötigen.

Kapitel 3: Außen- und Sicherheitspolitik: Deutsche Interessen durchsetzen

3.1 Außenpolitik muss sich an deutschen Interessen ausrichten

Deutschland ist als eine der bedeutenden Wirtschaftsnationen der Welt daran interessiert, zu allen Staaten gute Beziehungen zu pflegen und das friedliche Zusammenleben der Völker zu fördern. Die AfD bekennt sich zu den Werten der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts. Wir setzen uns für eine an deutschen Interessen ausgerichtete Außenpolitik ein.

Deutschland braucht eine nationale Sicherheitsstrategie, die der Problemlage angepasst ist. Als Gestaltungsmacht innerhalb der Staatengemeinschaft kann unser Land zur Krisenprävention und friedlichen Lösung von Konflikten beitragen.

Die Zukunft Europas liegt nicht in der EU in ihrem jetzigen Zustand und auch nicht in ihrer weiteren Zentralisierung, sondern in einem Europa souveräner Staaten, die partnerschaftlich zusammenarbeiten.

Die AfD tritt dafür ein, die Vereinten Nationen so zu reformieren, dass den veränderten Gewichtungen in der Welt Rechnung getragen wird.

Wir streben einen ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat sowie die Abschaffung der gegen Deutschland gerichteten Feindstaatenklausel in der Charta der Vereinten Nationen an.

Die AfD fordert eine strikte Einhaltung des Nichteinmischungsgrundsatzes in innere Angelegenheiten von Staaten, auch durch nichtstaatliche Akteure. Die AfD setzt sich dafür ein, dass die Rolle der OSZE bei der Stabilisierung von Krisenregionen in Europa und seiner Peripherie ausgebaut wird.

Der internationale islamische Terrorismus ist eine ernste Bedrohung der internationalen Staatengemeinschaft. Seine Entstehung und Ausbreitung muss mit allen zur Verfügung stehenden legalen Mitteln bekämpft werden.

3.2 Das Verhältnis zu wichtigen Staaten ändert sich

Die USA sind der wichtigste Bündnispartner Deutschlands. Leitbild einer interessengeleiteten deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ist die Gleichberechtigung beider Partner. Die zunehmende Fokussierung der USA auf den pazifischen und ostasiatischen Raum erfordert eine autonome deutsche Sicherheitsstrategie.

Im Einklang mit den langjährigen Forderungen der USA nach einer gerechten Verteilung der Lasten und den europäischen Bestrebungen nach mehr Mitsprache in der NATO ist es nur folgerichtig und in deutschem Interesse, den europäischen Einfluss in der NATO zu stärken. Die NATO muss wieder ein reines Verteidigungsbündnis werden. Die Landesverteidigung ist durch die europäischen Staaten weitgehend eigenständig zu gewährleisten.

Die Schaffung einer EU-Armee oder den Einsatz deutscher Streitkräfte für fremde Interessen lehnt die AfD ab.




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