Bundesebene Erklärungen

Christliche Religion und Kirchen als prägende Kräfte in Staat und Gesellschaft

Bundesversammlung des Kolpingwerkes Deutschland zu 500 Jahre Reformationsgedenken

Wesentliche Errungenschaften unseres heutigen demokratischen Staatswesens sind bereits durch die Reformation grundgelegt. Es brauchte Zeit, bis der Schatz der Freiheit, der tief im christlichen Menschenbild wurzelt, in der Folge der Reformation gehoben werden konnte. Der Gedanke der Freiheit eines Christenmenschen steht zugleich für die Freiheit Andersdenkender und Andersglaubender und ebenso für die Freiheit der Religionsausübung.

Die Reformation gehört zur Vorgeschichte für die demokratische Entwicklung unserer Zivilgesellschaft in Deutschland und für das demokratische Europa. Eine ihrer Kernbotschaften ist die Anerkennung des Wertes einer Person, die allein in ihrer Anerkennung durch Gott begründet ist, unabhängig von gesellschaftlichem Status und individuellen Fähigkeiten oder anderer Leistungen. Auch in unserem Grundgesetz hat dieses konstitutive Element seinen Eingang gefunden, in Artikel 3 GG heißt es: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

Der Zugang zur Sprache spielt gerade heute in den aktuellen Debatten um Integration von Geflüchteten eine wichtige Rolle. Mit der Übersetzung der Bibel ins Deutsche gab Luther den sogenannten „kleinen Leuten“ Partizipationsinstrumente in die Hand. Aus dieser reformatorischen Idee erwuchs die allgemeine Schulpflicht, die zum Allgemeingut der abendländischen Welt wurde und heute eine der Grundvoraussetzungen für jede demokratische Teilhabegerechtigkeit ist.

Diejenigen, die fordern der demokratische Staat müsse sich vollständig von Religion und Kirchen befreien, verkennen die positive Kraft, die in diesem Erbe liegt. Denn unser Rechtsstaat lebt in seinen Normen und Werten auch durch religiöse Wertvorstellungen. Er lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht geben und garantieren kann, so hat es der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Ernst Wolfgang Bö- ckenförde, zum Ausdruck gebracht.

Der demokratische Staat distanziert sich nicht von Religion und Kirchen, sondern versteht sie in größerer Ausdrücklichkeit als ein Gegenüber, als wichtige zivilgesellschaftliche Akteure. Religion und Kirchen haben ebenfalls die Aufgabe, in einem Spannungsfeld von Nähe und kritischer Distanz zum Staat diesen einerseits mitzugestalten und andererseits ihm einen Spiegel vorzuhalten. Sie sind wichtige Diskussionspartner, die besondere Aspekte in den öffentlichen Diskurs einbringen können - zum Beispiel zu ethischen und existentiellen Fragen, wie der Unverfügbarkeit und dem Schutz des Lebens.

Insofern profitiert der Rechtsstaat von Religion und Kirchen, insbesondere bei ethischen Fragestellungen kann er Meinungen wahrnehmen, die nicht der Logik und den Sachzwängen von Politik und Wirtschaft gehorchen. Ein gänzlich laizistischer Staat, der alle Religionsausübung privatisiert und jede öffentliche Darstellung verbietet, drängt Religion nicht nur in die Hinterhöfe der Gesellschaft und macht die Religion so unsichtbar, sondern er bringt sich auch um Debatten, die ihn vor der Banalität des rein Ökonomischen behüten können. Die Zeit der Reformation hat Strukturen aufgebrochen, deren Früchte zu hüten und deren Konsequenzen zu sichern, ein stetiger Auftrag bleiben.

Beschlossen durch die Bundesversammlung des Kolpingwerkes Deutschland Köln, den 23. Oktober 2016