Fremde Kulturen kennenlernen und den eigenen Horizont erweitern! So lautet die Devise vieler Jugendlicher, die neue Herausforderungen suchen oder einfach nur die Ferien sinnvoll verbringen möchten. Sogenannte Workcamps tragen genau diesem Wunsch Rechnung: Im Rahmen verschiedener Programme reisen Jugendliche und junge Erwachsene für einige Wochen ins Ausland, unterstützen dort soziale Projekte und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung. Denn durch die Erfahrungen vor Ort erhalten die Teilnehmer oftmals einen völlig neuen Blick auf das eigene Leben.
Auch die Kolping Jugendgemeinschaftsdienste bieten Workcamps an und können in diesem Jahr sogar einen runden Geburtstag feiern: Bereits seit 65 Jahren setzen sie sich für internationale und interkulturelle Jugendarbeit ein. Durch den Austausch auf Augenhöhe sind in dieser Zeit schon zahllose weltweite Freundschaften entstanden. Denn der gemeinsame Alltag vor Ort ermöglicht es, das Land und die Menschen authentisch kennenzulernen – anders als beispielsweise bei einem Pauschalurlaub. Auch Friederike Lehnen aus Rheinbach konnte diese Erfahrung machen – und das, obwohl sie damals noch nicht volljährig war. Nach dem Abitur ist sie mit 17 Jahren für drei Wochen nach Nordirland gereist, um dort die sogenannten Conservation Volunteers einer britischen Naturschutzorganisation zu unterstützen. „Leider wissen viele nicht, dass man an einigen Kolping Workcamps schon mit 16 oder 17 Jahren teilnehmen kann“, erklärt Friederike. Vom Ausfüllen zusätzlicher Formulare abgesehen, bedeutet das keinen Mehraufwand.
Dabei war sich Friederike am Anfang gar nicht sicher, ob eine Reise ohne ihre Freunde das Richtige für sie ist. Die Gruppenreise innerhalb Europas war daher ein guter Kompromiss: „Wir waren schnell ein eingespieltes Team und kannten uns ja auch schon vom Vorbereitungsworkshop in Bonn.“ Vor allem am Flughafen sei es eine Erleichterung gewesen, auf bekannte Gesichter zu stoßen. Rückblickend findet Friederike, dass es sich gelohnt hat, mutig zu sein: „Man schafft viel mehr als man denkt, wenn man sich nur traut!“ Das galt auch für die Reisewoche, die am Ende der Workcamps ansteht. Obwohl Friederike im Bus schnell übel wird, hat sie auch diese Herausforderung mit der Hilfe einer mittlerweile sehr guten Freundin gemeistert. „Das Highlight waren definitiv die Cliffs of Moher. Bei der stundenlangen Wanderung dorthin haben sich alle gegenseitig unterstützt!“
Vergleichsweise einfach ist Kira Vordermark aus Halle die Wahl des Workcamps gefallen. Da sie als Schülerin bereits alleine in Kanada gewesen war, durfte es auch zwischen Abitur und Studium ein bisschen weiter weg gehen: Thailand sollte es sein! „Die Kultur dort hat mich schon immer interessiert und auch der Zeitraum vor dem Start meines Medizinstudiums hat super gepasst“, erzählt Kira. Weil auch sie während der Reise in 2017 noch 17 Jahre alt war, hatte die bereits volljährige Projektleiterin die Aufsichtspflicht für sie übernommen. „Das Formular hatte ich immer bei mir, musste es allerdings nie wirklich vorzeigen“, erinnert sich Kira.
Während des Projektes unterstützte Kira gemeinsam mit den anderen Projektteilnehmern die Arbeit an der Yaowawit Schule. Dort werden in Not geratene Kinder unterrichtet und an die berufliche Zukunft herangeführt. Die zu erledigenden Aufgaben sind sehr abwechslungsreich: „Wir haben den Unterricht gestaltet, englische Sprachcamps organisiert, in der Nachmittagsbetreuung geholfen und auf der zur Schule gehörenden Farm mit angepackt.“
Kräftig mitarbeiten musste auch Friederike in Nordirland. „Ich hatte mich für das Projekt in Coleraine entschieden, weil ich richtig zupacken wollte“, so Friederike. Gemeinsam mit den irischen Partnern wurden beispielsweise Parkanlagen gepflegt und Wanderwege an der Küste wieder begehbar gemacht. Das Besondere daran: Das Projekt richtet sich vor Ort an Menschen, die nach einer schwierigen Lebensphase zurück in den Arbeitsalltag finden. „Durch die gemeinsamen Gespräche habe ich gelernt, dass es immer weitergeht im Leben. Selbst wenn man mal abstürzt, wird man irgendwie aufgefangen“, erklärt Friederike.
Zeit für interkulturellen Austausch blieb bei der Arbeit an der irischen Frischluft reichlich: Man philosophierte über den Brexit, schaute beim Picknick auf die getane Arbeit zurück und veranstaltete sogar ein kleines Fest direkt am Meer. „Mich hat vor allem die Offenheit unserer Projektpartner überrascht und dass man sich in einer fremden Sprache so gut verständigen kann“, fasst Friederike zusammen. Bereits nach wenigen Tagen habe es ein Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben. „Das hat mich selbstsicherer gemacht. Man muss sich gar nicht super kennen, um eine gute Zeit zu haben.“
Auch Kira hat sich während ihrer Zeit in Thailand voll und ganz auf das fremde Land eingelassen: „Während des Trauerjahrs für den verstorbenen König dürfen die Thais zum Beispiel nur Schwarz oder Grau tragen. Daran haben natürlich auch wir uns gehalten.“ Auch der ausgeprägte Patriotismus im Land sei etwas gewesen, woran sich die Gruppe erst gewöhnen musste. „Täglich um 8 Uhr wird die Nationalhymne gespielt und jeder muss stehenbleiben. Nachdem wir das dann wussten, sind wir nicht mehr so aufgefallen wie normale Touristen“, berichtet Kira. Interkulturelle Kompetenz bedeute für sie daher, sich nicht auf eigene Werte und Erfahrungen zu versteifen.
Da Kira mit vielen Freiwilligen aller Welt zusammenwohnte, mussten auch zahlreiche Alltagsaufgaben wie das Kochen gemeinsam erledigt werden. „Wenn so viele Lebenseinstellungen aufeinandertreffen, man auch mal improvisieren können – wie im echten Leben halt“, erzählt Kira. Am Ende habe davon aber jeder profitiert und viel gelernt .Daneben galt es fernab der Heimat jedoch auch die eine oder andere Herausforderung zu meistern. „Der Regen und die Hitze haben uns manchmal schon zu schaffen gemacht.“ Auch an fremde Essensgewohnheiten – in Thailand zum Beispiel die Schärfe des Essens – kann sich nicht jeder so schnell anpassen.
Wenn es um die Vorteile und Herausforderungen von Workcamps geht, ist auch Michael Streib aus Karlsruhe schon ein alter Hase. Bereits drei Mal war der heute 22-Jährige mit den Kolping Jugendgemeinschaftsdiensten in Tansania. Los ging es nach dem Abitur mit einem Freiwilligenjahr im kleinen Dorf Mwanga. „Die Zeit dort hat mich sehr geprägt,“ ist sich Michael sicher. Aufgrund seiner großen Begeisterung für Land und Leute entschied er dann auch, sich zum Projektleiter ausbilden zu lassen und beim nächsten Aufenthalt in Ostafrika die Verantwortun für eine gesamte Gruppe zu übernehmen. „Natürlich kann das auch mal stressig werden. Aber es macht mir großen Spaß, die Menschen zu begleiten.“
Im vergangenen Jahr war Michae ldann als Projektleiter im äußersten Nordwesten Tansanias unterwegs –diesmal im Rahmen des neuen Programms „weltwärts-Begegnung“. Anders als bei Workcamps stehen hier vor allem entwicklungspolitische Themen im Vordergrund. So diskutierten die Teilnehmer gemeinsam mit tansanischen Jugendlichen über globale Gesundheit – ein ausgewähltes Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen. In Bukoba besuchte die Gruppe dazu unter anderem eine HIV-Aufklärungsgruppe, verfolgte Vorträge und erarbeitete Verbesserungsvorschläge. „Da war es wichtig, eine gute Ebene für den Austausch zu finden. Wir wollten argumentieren, aber nicht belehrend sein“, erklärt Michael. Es ist dem Theologiestudenten daher wichtig, Workcamps als interkulturelles Kennenlernen und nicht als Entwicklungshilfe zu verstehen.
Momentan wartet Michael gespannt auf den Gegenbesuch der tansanischen Jugendlichen in Deutschland – auch das ist anders bei der weltwärts-Begegnung. „In der Zwischenzeit wird weiter am Projekt gearbeitet, zum Beispiel über Skype.“ Dabei können Fremdsprachenkenntnisse praktisch sein. So kann Michael mittlerweile fließend Suaheli: „Bei meinem ersten Besuch in Tansania konnte nur meine Gastmutter Englisch. Da musste ich ins kalte Wasser springen!“ So könne eine fremde Kultur manchmal auch ganz schön überfordern. Andere Vorstellungen von Privatsphäre und Geschlechterrollen – all das gehört dazu. „Da hilft es, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen“, rät Michael.
Wenn Michael auf seine Reisen nach Tansania zurückblickt, ist er froh, die eigene Comfort Zone verlassen zu haben. Uns Deutschen attestiert er Nachholbedarf in Sachen Toleranz: „Unsere Sicht auf die Welt ist viel zu stark von der eigenen Kultur geprägt.“ So sei es für ihn schön zu wissen, in Tansania eine zweite Heimat zu haben. „Ich habe dort enge Freunde, und die Gastfreundschaft ist einfach überwältigend“, so Michael. Er ist sich mit Friederike und Kira einig: „Die Workcamps haben meinen Horizont erweitert und mich zu dem gemacht, der ich heute bin!“
Weitere Infos zu den verschiedenen Workcamps gibt es auf www.kolping-jgd.de.
E-Mail: jgd[at]kolping.de
Telefon: 0221 20701-121.
Text: Franziska Völlinger
Fotos: privat