Nikolaus Landa gehört zum Dreier-Leitungsteam des Vorstandes der Kolpingsfamilie Dietfurt. Mit seinen 29 Jahren ist er sozusagen der Senior, der den Altersdurchschnitt nach oben schraubt. Das ist kein Scherz, denn seine Kollegin Simone Kuffer ist 21 und sein Kollege Lukas Schöls sogar erst 20 Jahre alt. Mit einem Durchschnittsalter von 23,3 Jahren dürfte Dietfurt damit eines der jüngsten Leitungsteams aller Kolpingsfamilien haben – oder vielleicht sogar tatsächlich das jüngste?
Dietfurt an der Altmühl liegt mitten in Bayern im Naturpark Altmühltal. Die nächsten großen Städte Neumarkt in der Oberpfalz, Regensburg oder Ingolstadt sind mit dem Auto jeweils in 30 bis 45 Minuten zu erreichen. Ländliche Idylle umgibt den Ort, der zwar Stadtrechte besitzt, mit seinen rund 2.800 Einwohnern aber eher noch als größeres Dorf durchgeht. Hier gibt es seit 149 Jahren eine Kolpingsfamilie, die nicht nur ein junges Vorstandsteam hat, sondern auch sonst in mancher Hinsicht ungewöhnlich ist. Knapp jeder zehnte Einwohner Dietfurts mischt bei Kolping mit, Tendenz steigend – würde man das auf Deutschland übertragen, hätte das Kolpingwerk über acht Millionen statt rund 235.000 Mitglieder. Kolping ist präsent, jedem in Dietfurt bekannt und gestaltet als mitgliederstarke Institution maßgeblich die Vereinsaktivitäten aller Altersstrukturen im Ort mit.
Jugendlicher Wind im Vorstand
Doch auch Dietfurt stand 2015 vor einer Herausforderung: Der bisherige Vorsitzende Martin Hengl wollte nach 21 Jahren nicht erneut den Vorsitz übernehmen, sondern nur noch als Schriftführer tätig sein. „Unsere Satzung sieht seit einer Änderung nur eine zweimalige Wiederwahl im gleichen Amt vor, und ich wollte nach erfolgreicher Arbeit auch Platz für Jüngere machen, um frischen Wind in unsere Kolpingsfamilie zu bringen“, berichtet er. Doch niemand erklärte sich unmittelbar bereit, das Amt zu übernehmen, sodass die Kolpingsfamilie vorübergehend kommissarisch geleitet wurde. Das funktionierte, konnte aber keine Dauerlösung sein.
Die bisherigen Jugendvertreter Simone Kuffer, Nikolaus Landa und Lukas Schöls wurden gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, zu kandidieren. Der vertrauensvolle Zuspruch der Älteren habe sie gefreut und ermutigt, obwohl Simone da erst 19 und Lukas gerade einmal volljährig war. In diesem Alter stehen durch Ausbildungs- oder Studiumsbeginn wichtige Lebensveränderungen ins Haus. Verständlich, dass man da nicht vorschnell die alleinige Verantwortung für eine große Kolpingsfamilie übernehmen will. Doch Simone Kuffer hatte eine Lösung gefunden: „Wir haben uns entschlossen: Als Team machen wir es! Dann ist die Arbeit auf mehrere Schultern gleichmäßig verteilt.“
Über ihre Eltern ist Simone in der Kolpingsfamilie groß geworden und hat sich bereits im Alter von 15 Jahren im Vorstand engagiert. Die 21-jährige Krankenschwester wohnt in Regensburg und macht dort ein duales Studium. „Natürlich ist das manchmal stressig, Studium, Beruf und Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen“, gibt sie zu, „doch mein Engagement bei Kolping ist eine sinnvolle Tätigkeit, die ich einfach gerne mache. Ich habe meine Entscheidung nicht bereut. Und die schönste Motivation und Bestätigung ist, zu sehen, wie gut hier der Laden läuft.“
Dass es läuft, beweisen zahlreiche gut besuchte Veranstaltungen und Angebote für alle Generationen, die von der Kolpingsfamilie das ganze Jahr hindurch ausgerichtet werden. Überall im Ort begegnet man Plakaten mit Kolpinglogo. Gerade erst vor wenigen Tagen fand der jährliche Kolpingball zur Faschingszeit statt, die in Dietfurt mit dem überregional bekannten Chinesenfasching am Unsinnigen Donnerstag ihren Höhepunkt fand. An drei Wochenenden im März stehen die Aufführungen der Theatergruppe auf dem Programm. Ein gutes Dutzend Mitwirkende zwischen etwa 15 und 55 Jahren spielen jedes Jahr ein Bauerntheaterstück in Mundart. „Die drei Henna und der nasse Gockl“ ist in diesem Jahr dran, und es geht auf der Bühne hoch her: Mal einfühlsam, mal feucht-fröhlich tratschend, mal schimpfend mit einer Holzlatte bewaffnet. Alle Nicht-Bayern können zwar mitunter nur ansatzweise verstehen, was sich die Akteure da gerade zurufen, aber es wird deutlich, dass hier alle Generationen teilweise schon seit 50 Jahren ihren Spaß haben und jeder mit Konzentration und großem Eifer bei der Sache ist.
Erfolgreiche Nachwuchsarbeit ist das A und O
Insgesamt 21 Personen umfasst der gesamte Vorstand der Kolpingsfamilie Dietfurt. Neben einer Geistlichen Begleiterin und den üblichen Vorstandsämtern ist jede Generation durch Vertreter im Vorstand repräsentiert: Jugend, junge Erwachsene, Erwachsene, Familien und Aktiv 50+. Eine der Familienvertreterinnen ist Daniela Palm. Sie organisiert das traditionelle Osterhasenfangen oder die Emmauswanderung am Ostermontag mit. Neben der Pfingstradtour gibt es für junge Familien zudem noch ein eigenes Familienwochenende, im letzten Jahr zum Thema Märchen.
Benedikt Hengl (19), Max Bachhuber (21) und Jonas Röll (22) vertreten die Jugend in Dietfurt. Sie bieten Jugendwochenenden, Zeltlager, Gruppenstunden und auch eine Halloween-Party an. Vielseitige Veranstaltungen, die stets eine Menge Interessierte anlocken, die Gemeinschaft stärken und damit wesentlich dazu beitragen, dass Kolping gerade bei den Dietfurter Jugendlichen so beliebt ist und sie auch langfristig im Verband hängenbleiben. Erfolgreiche Nachwuchsarbeit mit wirklich ansprechenden Angeboten ist das A und O für die Zukunft einer jeden Kolpingsfamilie – da ist sich Jonas sicher: „Wenn ich sehe, wie es bei uns derzeit funktioniert, bin ich einfach nur glücklich, dankbar und auch ein kleines bisschen stolz.“
Sage und schreibe 49 neue Mitglieder konnten die Dietfurter kürzlich aufnehmen, zum Großteil Jugendliche und junge Familien. „Wir konnten diese hohe Zahl selbst kaum glauben, es war fast ein bisschen unheimlich“, freut sich Jonas. Das alles ist umso erstaunlicher, wo es doch direkt um die Ecke im Ortsteil Töging schon die nächste Kolpingsfamilie gibt, die auch erfolgreiche Arbeit leistet und gut mit den Dietfurter Nachbarn kooperiert.
Auch Johann Ferstl und seine Rentnerwanderungen sind in Dietfurt zur nicht mehr wegzudenkenden Institution geworden: An jedem ersten Montag eines Monats veranstaltet er eine kleine Wanderung durch die Region, anschließend wird zu einer zünftigen Brotzeit in einer Wirtschaft eingekehrt. Der rüstige Seniorenvertreter ist seit 62 Jahren bei Kolping dabei und froh, dass das Miteinander der Generationen hier so gut funktioniert. Es müsse eben einfach für jeden etwas dabei sein, dann passt das.
Ein Blick in die Mitgliederstatistik der Kolpingsfamilie Dietfurt zeigt, dass alle Altersklassen etwa gleich stark vertreten sind. Doch woran liegt es nun, dass in Dietfurt das Kolpingleben tobt, während andere Kolpingsfamilien um ihr Überleben kämpfen müssen? – Kein Geheimnis ist, dass es Kolping in eher ländlich und katholisch geprägten Regionen leichter hat. Freunde und Bekannte werden zu Veranstaltungen mitgebracht und die erzählen es ihren Freunden ... Eine starke Gemeinschaft ist oft die beste Werbung, die einen Dominoeffekt zur Folge haben kann. Das geht in Dietfurt mitunter so weit, dass man fast ein wenig zum Außenseiter wird, wenn man nicht bei Kolping ist. Unbestritten ist aber auch immer ein bisschen Glück von nöten, um in der Erfolgsspur zu sein. Glück, dass es Engagierte wie Simone, Lukas und Nikolaus gibt, die es für Ausbildung, Studium oder Job nicht kurz- oder langfristig in die Ferne zieht, sondern die in ihrer Heimat verwurzelt bleiben und trotz mancher Mehrbelastung Verantwortung übernehmen und mit junger Frische die Kolpingsfamilie leiten. Und das Glück, dass sich vor Ort immer wieder genug Neugierige und Interessierte finden, die sich ansprechen und für Adolph Kolpings Idee gewinnen lassen. Genau das wünscht sich auch Daniela Palm: „Kolping zeichnet ein ganz besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen Menschen aus, die ähnlich ticken wie wir. Ich hoffe,dass wir immer genügend Nachwuchs finden und unsere Kinder und Kindeskinder eines Tages weitermachen. Kolping soll stets fester Bestandteil in Dietfurt sein und bleiben!“
150 Jahre alt
Im kommenden Jahr feiert die Kolpingsfamilie ihr 150-jähriges Jubiläum. In der Chronik ist dokumentiert, dass der Gesellenverein Dietfurt am 3. Januar 1869 gegründet wurde. Längst hat sich ein Festausschuss gebildet, der über ein Dutzend besondere Veranstaltungen während des Jubiläumsjahres organisiert und ausrichtet. So sind unter anderem ein Festabend, eine Wallfahrt nach Köln zum Kolpinggrab sowie ein dreitägiges Gründungsfest im Sommer geplant.Wenn die Begeisterung für Kolping in Dietfurt künftig weiter so brennt wie das jährliche Johannisfeuer im Juni, dürfte die Zukunft für die nächsten 150 Jahre gesichert sein.
Text: Matthias Böhnke
Fotos: Benjamin Ganzenmüller, Kolpingsfamilie Dietfurt
Kolpingsfamilie Dietfurt im Internet:
- www.kolping-dietfurt.de
- Facebook: Kolpingjugend Dietfurt
- Instagram: kolpingdietfurt