Eine Studie im Auftrag des deutschen Buchhandels hat das veränderte Leseverhalten der Deutschen untersucht und festgestellt, dass zwar der Umsatz des Buchhandels in den letzten 15 Jahren nahezu gleich geblieben ist, die Anzahl der Kundinnen und Kunden allerdings kontinuierlich abnimmt, d.h. immer mehr Menschen kaufen weniger bzw. gar keine Bücher.
Die Gründe für den Rückgang der Leserinnen und Leser wird darin gesehen, dass die Menschen immer mehr Zeit online verbringen, so dass die Zeit für andere Aktivitäten dadurch geringer wird. Damit geht außerdem einher, dass die Anforderungen, immer online zu sein und auf Nachrichten etc. zu reagieren, steigt und die damit einhergehenden kurzen Aufmerksamkeitsspannen bei immer mehr Menschen eine längere Lektüre verdrängen.
Führt die Digitalisierung also dazu, dass die Konzentration verschwindet, sich länger und eingängiger mit bestimmten Themen zu beschäftigen? Und bedeutet dies, dass Bildung tatsächlich nur noch einem kleiner werdenden Teil der Buchleser vorbehalten bleibt, wie dies die Studie zum Buchmarkt suggerieren kann? Der Rest gibt sich dann mit Kurznachrichten, Tweets, Informationsschnippseln auf seinen digitalen Geräten zufrieden?
Sicherlich nicht. Vielmehr soll dem nachgegangen werden, dass Digitalisierung Bildung sowohl fördern kann, sowie sie aber genauso Bildung erfordert, um positiv genutzt werden zu können. Denn ein Medium allein ist nicht festgelegt auf die Art seiner Verwendung, sondern der Nutzer kann und muss diese selber gestalten – und genau hier liegt der Punkt, bei dem es um Bildung geht. Dies betrifft nicht die Entscheidung zwischen Analog und Digital, da die Digitalisierung weiter voranschreiten wird, sondern es geht darum, die Chancen dieser Veränderungen bewusst zunutzen.
Digitale Medien als Lernmöglichkeiten
Die Formen, mit digitalen Medien zu lernen, sind äußerst vielfältig. Viele dieser Möglichkeiten werden heute im Alltag ganz selbstverständlich eingesetzt, andere dagegen werden nur von wenigen genutzt oder befinden sich noch in der Erprobung.
Dies zeigt sich auch in den Ergebnissen der Umfrage. Zwar geben 90 Prozent bzw. 43 Prozent an, mehrmals in der Woche digitale Medien zu rallgemeinen Kommunikation und Unterhaltung zu nutzen. 90 Prozent geben weiterhin an, dass sie sich über Nachrichten etc. digital informieren. Deutlich weniger sind es dann beim Lernen mit Lernportalen oder in der Nutzung von Blended-Learning-Angeboten (8 Prozent bzw. 2 Prozent, vgl. Abbildung).
Interessant ist, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung für das Lernen in der Zukunft sehr positiv gesehen werden und dass davon ausgegangen wird, dass digitale Lernangebote verstärkt genutzt werden (vgl. Abbildung).
Vor- und Nachteile des digitalen Lernens nutzen
Digitalisierung kann bedeuten, dass analoge Inhalte lediglich in eine digitale Form überführt werden. So kann ein Buch neben der Printausgabe auch als eBook verfügbar sein. Der Inhalt ändert sich hierdurch nicht, nur das Medium, auf dem es gespeichert wird. Aber auch wenn der Inhalt dadurch nicht verändert wird, können Vor- und Nachteile mit dem Wechsel des Speichermediums verbunden ein. So können auf einem Tablet viele Bücher gleichzeitig verfügbar sein, ohne dass dadurch das Gewicht zunehmen würde. Schaut man sich gerade jüngere Schülerinnen und Schüler mit ihren großen Rucksäcken auf dem Weg zur Schule an, so stellt dies tatsächlich einen sehr „gewichtigen“ Vorteil dar, denn statt zahlreicher Schulbücher müsste nur noch ein Tablet geschleppt werden.
Steigerung der Lernmotivation durch digitale Medien
Gerade bei jungen Menschen zeigt sich, dass technische Geräte an sich einen Reiz ausüben. Dies kann zum einen zur Ablenkung beitragen, indem kontinuierlich Nachrichten gelesen und beantwortet oder mit Apps gespielt wird und damit die Konzentration auf Lerninhalte im Unterricht reduziert wird. Vor diesem Hintergrund wird ein Handyverbot in Schulen diskutiert, wie es in Frankreich eingeführt worden ist.Auf der anderen Seite kann aber auch die Attraktivität, die digitale Geräte auf Menschen haben, genutzt werden, indem so die Lernmotivation gesteigert werden kann. Vokabellernen wird allein dadurch attraktiver, dass dies über eine App gemacht wird und nicht über ein Vokabelheft, auch wenn dies zunächst inhaltlich keinerlei Unterschied macht.
Breitere Zugänglichkeit von Bildungsinhalten
Digitale Lernangebote können auch dazu beitragen, dass Lernen breiter zugänglich gemacht wird. So wird „analog“ meist nur in kleinen Gruppen gelernt. Damit ist es oft ein Privileg, an einer guten Lehrveranstaltung teilzunehmen,was oft mit vielen Zugangsvoraussetzungen einhergeht (z.B. Kosten, Zeit, örtliche Erreichbarkeit oder anderen). Ein treffendes Beispiel hierfür sind Eliteuniversitäten. Hier findet nur eine kleine Zahl an Studierenden Zugang, was nicht allein damit zusammenhängt, dass den anderen die Voraussetzungen fehlen würden, dem Seminar zu folgen. Das nötige Geld spielt gerade in den USA eine bedeutsame Rolle. Viele Universitäten gehen allerdings dazu über, dass Vorlesungen online öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies hat zum einen den Vorteil, dass sich dadurch die Zahl der Lernenden massiv erhöht (die sich an unterschiedlichen Orten auf der ganzen Welt befinden können) und damit viel mehr Personen so ein ehemals privilegierten Wissenszugang ermöglicht wird. Sondern es zeigt sich, dass die sogenannten Eliten vielleicht finanziell hierzu gehören, aber nicht unbedingt von der Leistungsfähigkeit: So hat ein frei zugänglicher Kurs an der Eliteuniversität Stanford dazu geführt, dass in der Abschlussprüfung Studierende von Stanford selbst in der Rangliste der Noten erst an der 413. Stelle auftauchten. Alle davor waren externe Lernende, die sonst an dieser Veranstaltung nicht hätten teilnehmen können.
In unserer Gesellschaft nimmt das Wissen kontinuierlich zu und dies immer schneller. Dies ist nicht nur durch die Digitalisierung bedingt, aber sie trägt mit dazu bei. So können Informationsquellen schneller aktualisiert werden und sind gleichzeitig auch schneller den Nutzern zugänglich. Der Gang in die Bibliothek entfällt in vielen Fällen, da ein Artikel oder Buch online verfügbar ist. Außerdem können Informationen viel umfangreicher zur Verfügung gestellt werden, da beispielsweise Druckkosten entfallen. Damit einher geht allerdings, dass der Status von begründetem Wissen verstärkt unklar wird. D.h. es wird zunehmend wichtiger, dass selbständig die Seriosität der Quelle eingeschätzt wird und beurteilt werden muss, ob das eigene Hintergrundwissen zur Einordnung einer Information ausreicht.
Ein gutes Beispiel stellt das medizinische Wissen dar. So gibt es vielfältige seriöse Online-Ratgeber, die zu medizinischen Themen aufklären. Daneben gibt es Gruppen, in denen man sich zu speziellen Themen mehr oder weniger qualifiziert austauschen kann. Hier ist dann allerdings z.B. der Status der Antwortenden nicht mehr klar, der von einem erfahrenen Mediziner bis zum Halbwissen aus eigener Erfahrung reichen kann. Der Nutzer hat oft nicht die Möglichkeit, dies verlässlich zuordnen zu können. In einem weiteren Schritt kann dieses angeeignete Wissen dann auch in das Gespräch mit den eigenen Ärzten eingebracht werden: Diese können zum einen verwundert darüber sein, dass das Untersuchungs„objekt“ zum fragenden „Subjekt“ geworden ist, oder sie können diese Interaktion begrüßen und haben darin die Aufgabe, das angeeignete Wissen zu beurteilen und einzuordnen. Richtig eingeordnet, kann dies damit eine Bereicherung darstellen (vgl. Abbildung).
Gemeinsames Lernen in einer Gruppe vs. individualisiertes Online-Lernen
Digitale Selbstlernprogramme bedeuten meist, dass man alleine an seinen Aufgaben arbeitet und damit unabhängig von Zeit und Ort daran arbeiten kann, wann es der Person gerade passt. Es fehlt hier dabei der Austausch über das Gelernte in der Gruppe. Auf der anderen Seite hat es den Vorteil, dass jeder an seinem individuellen Lernstand arbeiten kann. Beide Aspekte können dann in der Form von Blended-Learning-Angeboten kombiniert werden. Hier wechselt sich der klassische Präsenzunterricht mit digitalen Selbstlernphasen ab. Dies ist ein gutes Beispiel, wie durch eine gezielte Gestaltung das Lernen durch digitale Medien profitieren kann, ohne dass dies bedeutet, dass nur noch jeder für sich selbst lernt – ohne den Kontakt zu real präsenten Mitlernenden.
Aber auch das Lernen ohne eine gemeinsame Gruppe kann viele Vorteile bringen. Denn ein Hauptgrund, an einer Weiterbildungsveranstaltung teilzunehmen, ist oft, dass die Zeit dafür knapp ist oder nicht so regelmäßig „frei“gemacht werden kann. Digitale Lernangebote haben hier den Vorteil, dass sie meist unabhängig von Zeit und Ort genutzt werden können: Ich kann dies morgens in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit tun oder in der Hängematte am Abend im Garten.
Fazit: Digitalisierung kann Bildung fördern, fordert sie aber auch
Digitalisierung bietet damit viele Chancen im Bereich Bildung. Vieles kann dadurch leichter und besser zugänglich gemacht werden. Allerdings zeigt sich, dass damit auch Nachteile einhergehen. So erfordert beispielsweise ein größer Zugang von verfügbaren Informationen das Wissen, diese in ihrer unterschiedlichen Qualität einschätzen zu können. Und damit ist Bildung auch zentral für den Umgang mit digitalen Medien. Dies bedeutet, dass man verantwortungsvoll mit den Möglichkeiten umgeht, die sich durch die Digitalisierung ergeben: dies reicht davon, dass man gewisse Risiken wahrnimmt (die etwa durch die die Sammlung von persönlichen Daten im Netz entstehen können), bis hin zum eigenen Auftreten im Internet (die Möglichkeit der Anonymität darf nicht dazu genutzt werden, dass Beleidigungen etc. geäußert werden, die einem tatsächlichen Gegenüber nicht gesagt würden). Digitalisierung kann damit sowohl Bildung fördern, sie erfordert aber genauso Bildung für einen verantwortungsvollen Umgang.
Text: Torben Schön
Ergebnisse der Online-Umfrage
Die Leserinnen und Leser des Kolpingmagazins und des Newsletters des Kolpingwerks Deutschland wurden zu einer Online-Umfrage eingeladen, die die Erfahrungen mit der Digitalisierung und Bildung thematisierte. Einige Ergebnisse dieser Umfrage finden sich im Text und geben einen Einblick in den Nutzen der Digitalisierung im Bereich Bildung. Weitere Ergebnisse finden sich (ab dem 2.11.2018) hier.