Bundesebene Geistlicher Impuls

Das Wasser unseres Lebens

Worte des Kolping-Bundespräses Josef Holtkotte zum heutigen Sonntag

Die Erzählung vom Weinwunder zu Kana ist sicher eine der bekanntesten Erzählungen aus dem Neuen Testament. Aber wir heutigen Menschen tun uns schwer mit den Einzelheiten dieser Geschichte. Soll man das denn glauben, dass da Wasser in Wein verwandelt wurde? Das historische Faktum ist unterschiedlich zu bewerten. Warum also diese Geschichte?

Der Evangelist Johannes möchte nicht einen protokollarischen Bericht abliefern. Er will etwas sagen, was sich der bloßen Oberflächlichkeit und der reinen Beobachtung entzieht. Johannes will von der Herrlichkeit, vom eigentlichen Wesen Jesu Christi erzählen. Das wird vor allem im letzten Satz des Evangeliums offenbar. Das ist der Satz, auf den diese Erzählung zuläuft. Und da heißt es: Jesus offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.

Diese Erzählung ist kein Märchen. Sie ist keine bloße Phantasie. Sie beschreibt eine wirkliche Erfahrung, ein wirkliches Geschehen - ein Geschehen freilich, das sich nicht einfach an der Oberfläche abspielt. Ein Geschehen, das in der Tiefe wurzelt, das in gewisser Weise sprachlos macht und nur in Bildern, in Andeutungen, in Übersteigerungen geschildert werden kann. Wir sagen ja manchmal ganz richtig dass wir etwas" unbeschreiblich Schönes" erlebt haben, zum Beispiel einen Sonnenuntergang in einer herrlichen Landschaft. Es fällt dann schwer, das Eigentliche des Erlebnisses in Worte zu fassen, und wir suchen tastend nach geeigneten Bildern und Vergleichen. In ganz ähnlicher Weise fiel es den Jüngern Jesu und den ersten Christen nicht leicht, von dem zu erzählen, was sie durch und mit Jesus Christus erfuhren. Normale, alltägliche Bilder und Vorkommnisse reichten nicht aus, um das Eigentliche der Person Jesu Christi zum Ausdruck zu bringen. Und so entstanden viele Wundererzählungen des Neuen Testaments, auch das heutige Evangelium. Schauen wir auf einige zentrale Stellen.

Maria verkörpert den Menschen schlechthin, so wie er meist vor Gott steht. Der Mensch hat viele Pläne und Gedanken. Aber die Stunde Gottes ist nicht identisch mit der Stunde der Menschen, der Wille Gottes ist nicht identisch mit dem menschlichen Wollen. Der Plan Gottes ist nicht identisch mit unseren Plänen.

Das zentrale Symbol unserer Erzählung sind die mit Wasser gefüllten Krüge, die plötzlich Wein enthalten. Ausdrücklich wird gesagt, es seien sechs gewesen, und man habe sie aufgestellt, um den jüdischen Reinigungsvorschriften zu entsprechen. Die Zahl 7 galt bei den Juden als Zahl der Vollkommenheit. Dass der Evangelist sechs Krüge, also sieben weniger einen Krug nennt und sie in Beziehung setzt zu den jüdischen Vorschriften, wird wohl bedeuten: Das jüdische Gesetz, die jüdische Religion wird erst durch Jesus erfüllt. Das Wasser des Gesetzes wird durch den Wein der Gnade überboten; das Gesetz des Mose wird vollkommen erst durch die Botschaft Jesu. 

600 Liter Wein - für die Hochzeitsfeier eigentlich viel zu viel, zumal ja zuvor schon ordentlich getrunken worden war. Aber wenn Gott sich wirklich und endgültig offenbart, dann sprengt das alle Maße und Qualitäten. Das wird noch einmal durch den Tadel des Tafelmeisters am Schluss hervorgehoben: Er wirft dem Bräutigam vor, dass er bis jetzt nur Wein von geringer Qualität servieren ließ und den wirklich guten Wein zurückgehalten hat. Auch dasmag wieder ein Zeichen sein: Die Fülle der Offenbarung, die Fülle der Herrlichkeit Gottes steht nicht am Anfang der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel, sondern erst mit Jesus Christus ist die ganze Fülle Gottes erschienen. Vielleicht ist es auch die Gestalt des Tafelmeisters, die eine Brücke schlägt zu unserer Situation als Glaubende heute. Wir sind mit dem Glauben einigermaßen vertraut, wir hören die Worte des Evangeliums, wir feiern die Messe - aber wir können es nicht wirklich, nicht in der Tiefe unseres Herzens glauben, dass das Wasser unseres Lebens schon in Wein verwandelt ist.

Wir können nicht so recht daran glauben, dass die Herrlichkeit Gottes schon erschienen ist. Wie der Tafelmeister sind wir zwar drin im Geschehen, wir kennen uns aus mit den Dingen des Glaubens und der Kirche - aber das Ganze bleibt uns äußerlich, es hat uns noch nicht wirklich ergriffen.

Der Evangelist Johannes möchte uns dagegen einweisen in die Rolle der Diener, die das Wasser geschöpft hatten. Von ihnen heißt es: Sie wussten, woher der Wein kam. Das heißt, die Diener sind Symbol für die Menschen, die in der Tiefe ihres Herzens glauben, für die kein Zweifel mehr besteht: Dieser Jesus ist der, in dem die Herrlichkeit Gottes konkret und unwiderruflich erschienen ist. Dieser Jesus will das Wasser unseres Lebens in Wein verwandeln. In diesem Jesus ist die Fülle Gottes angekommen.

Das ist die Ermutigung, die das Evangelium uns heute geben will: Unser Leben in all seiner Erbärmlichkeit, Schwäche und Inkonsequenz ist schon verwandelt. Unser Leben spiegelt schon etwas wider von der Herrlichkeit Gottes, auch wenn wir das nicht immer gleich entdecken und glauben können. Unsere Erlösung hat schon begonnen - auch wenn wir manchmal gar nicht gelöst sind. Das ist das eigentliche Wunder von Kana, an das wir auch heute noch glauben sollen und glauben können: Das Wasser unseres Lebens ist schon in Wein verwandelt. Es ist für immer und ewig aufgehoben in der Fülle und Herrlichkeit Gottes.

Im Vertrauen darf ich meinen Weg gehen, im Vertrauen darauf, dass mein Weg auch sein Weg ist, ein Weg, auf dem er mitgeht. Das macht Mut an diesem Sonntag und immer. 

Pfarrer Josef Holtkotte, Bundespräses des Kolpingwerkes Deutschland

Foto: www.pixabay.com