Erklärungen

Vertrauen ist wieder aufzubauen, um glaubwürdig evangelisieren zu können!

Kolpingwerk Deutschland zum „synodalen Weg“

In einem Brief "An das pilgernde Volk in Deutschland" hat Papst Franziskus betont, dass er den „synodalen Weg“ der katholischen Kirche in Deutschland in der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils sehe. Die Synodalität müsse alle kirchlichen Ebenen durchdringen, denn die katholische Kirche stehe vor einer Zeitenwende und einem grundlegenden Wandlungsprozess. Zugleich mahnt er an, dass das Thema Evangelisierung stets präsent sein müsse. Evangelisation bedeute weder, dass sich die Kirche an den Zeitgeist anpasse und dabei „ihre Originalität und ihre prophetische Sendung verliere“, noch, „dass sie Gewohnheiten und Praktiken zurückgewinne, die in anderen kulturellen Zusammenhängen einen Sinn ergaben".

Wir Christen sind herausgefordert, über unseren Glauben zu sprechen und ihn zu leben. Die katholische Kirche in Deutschland muss Vertrauen zurückgewinnen und dafür sorgen, dass sich die Gläubigen auch im 21. Jahrhundert mit ihr identifizieren. Wenn sie das Evangelium künftig in Deutschland noch glaubhaft verkünden und die Risikofaktoren für Missbrauch beseitigen will, braucht unsere Kirche deshalb Reformen. Denn erst eine Kirche, die sich bislang als "societas perfecta" verstand und glaubte, sich in einer als defizitär empfundenen, säkularen Gesellschaft selbst nicht verändern zu müssen, hat viele der aufgetretenen Probleme erst begünstigt und damit ihren Bedeutungsverlust beschleunigt.

Der Ruf nach grundlegenden Reformen und Strukturveränderungen in der Kirche ist unüberhörbar! Die Zeit drängt, dennoch ist vor überstürzten Schritten zu warnen. Nachhaltige Veränderungen müssen gut durchdacht sein und sollten die Einheit mit der Weltkirche nicht gefährden.  Der "synodale Weg" braucht auch eine geistliche Dimension ohne damit von Strukturfragen – egal ob Zölibat oder Frauenweihe – abzurücken. Der „synodale Weg“ soll Reformprozesse anstoßen und damit zur Erneuerung der katholischen Kirche beitragen. Es geht nicht um Evangelisierung oder Reform, sondern um Reform der Evangelisierung willen!

Die Wirklichkeit der katholischen Kirche besonders in unserem Land genau anzuschauen und miteinander das Gespräch zu suchen, dazu gibt es keine Alternative. Die Themen sind nicht neu. Viele Überlegungen wurden schon in den letzten Jahrzehnten hierzu angestellt, Aspekte ausgeleuchtet und erörtert. Der „synodale Weg" ermöglicht es, auf Augenhöhe zu sprechen. Bischöfe und Laien suchen gemeinsam einen Weg. Die Erwartungen sind hoch und der Erfolgsdruck ist groß. Die Angst vor Enttäuschungen darf den Weg nicht blockieren oder sogar stoppen. Die Chancen, die der „synodale Weg“ eröffnet, müssen ergriffen werden.  Sollten am Ende die Beschlüsse nicht die öffentliche Zustimmung und den Beifall aller in der Kirche oder in den Medien finden oder auf einige Fragen keine Antworten und für einige Probleme keine Lösungen gefunden werden, wird dieses gemeinsam auszuhalten und zu ertragen sein.

Der "synodale Weg" muss mutig und mit innerer Freude und in Einheit mit der Weltkirche gegangen werden, in die die katholische Kirche in Deutschland ihre Erfahrungen und Überlegungen einbringen kann. Dennoch, die Spielräume der katholischen Kirche in Deutschland müssen benannt und mit Leben gefüllt werden. Strukturelle Reformen und eine echte theologische Erneuerung sind zu initiieren. Der Ermutigung von Papst Franziskus, den Ortskirchen größere Freiräume zuzugestehen, damit sie den Bedarfen vor Ort – durch Reformen vor Ort – rasch und nachhaltig Rechnung tragen können, muss von den Bischöfen aufgegriffen und umgesetzt werden. Leider wurde oftmals unter Verweis auf die Weltkirche mancher Reformimpuls im Keim erstickt. Dieses liegt nicht nur an mangelndem gutem Willen einzelner deutscher Bischöfe, sondern auch an der zentralen Organisation der Weltkirche. Aufgrund der aktuellen Situation geht kein Weg an einer ernsthaften, theologisch wie strukturell belastbaren kirchlichen Erneuerung vorbei.

Der "synodale Weg" darf sich nicht nur in "Strukturdebatten erschöpfen". Es braucht auch eine geistliche Ausrichtung, die zu einer Strukturdebatte führt, damit auch zukünftig die katholische Kirche als eine "starke geistliche und pastorale Kraft" in Deutschland wahrgenommen wird. Es geht um nichts weniger als eine einladende Kirche, die

  • den Menschen nahe ist und Räume des Vertrauens bietet,
  • die Frohe Botschaft sinnstiftend, erfüllend und befreiend verkündet,
  • die Lebenswirklichkeit der Menschen ernst nimmt, ihnen ein Zuhause ist und in der sie echte Gemeinschaft erleben. 

Fragen der Sexualmoral, der priesterlichen Lebensform, der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie der Machtstrukturen in der Kirche müssen geklärt und entschieden werden. Aktuelle Forschungsergebnisse aus Theologie und Wissenschaft sind zu berücksichtigen. Das Kolpingwerk erwartet, dass die Ergebnisse und Beschlüsse des „synodalen Weges“ in allen (Erz?)Diözesen umgesetzt werden. Beschlüsse, deren Umsetzung nur in Rom geregelt werden können, müssen gemeinsam von den Bischöfen dort vorgetragen und vertreten werden. Die katholische Kirche in Deutschland kommt um ein argumentatives Ringen, das den rechten Weg sucht und den Spielraum des Möglichen ausmisst, nicht herum. Dieses Ringen lässt sich nicht mehr auf einige Wenige, etwa den Papst oder die Bischöfe, beschränken, sondern ist die Aufgabe aller Christen. Deshalb ermutigen wir unsere Kolpingsfamilien dazu, die Themen und Fragen des „synodalen Weges“ engagiert aufzugreifen. Als Getaufte und Gesendete sind wir alle Berufene. In der Taufe haben wir alle den Geist Christi empfangen, jeder auf seine besondere Weise. Aus diesem Grund sind wir alle Geistliche und damit hat Jeder und Jede Sendung und Auftrag für sein oder ihr ganzes Leben. Die Auseinandersetzung mit den Themen und Fragen kann auch ein persönlicher Gewinn sein. Das Kolpingwerk wird den „synodalen Weg“ unterstützen. Zugleich rufen wir alle Mitglieder unseres Verbandes auf, mit ihrem Gebet den „synodalen Weg“ zu begleiten.

Der Bundeshauptausschuss des Kolpingwerkes Deutschland

Freiburg (im Breisgau) 08. November 2019

Bild: ZdK