Ein tiefer Graben tut sich auf, wenn wir die Armen sehen. Wie kann ich da helfen? Und wenn ich jetzt einen oder zwei Euro gebe, was nützt das? Muss da nicht langfristig gedacht und strukturell abgesichert gehandelt werden? Das sind Fragen, die sich beim Anblick armer Menschen stellen. Arme Menschen begegnen uns Tag für Tag, da dürfen wir uns nichts vormachen.
Schon beim Katholikentag 1978 in Freiburg stellte Mutter Teresa den Menschen die Frage: „Kennt ihr die Armen in eurer Stadt?“ Wegsehen hilft niemandem. Links liegenlassen ist auch keine dauerhafte Lösung. Was also tun?
Bei dem reichen Mann liegt der Arme direkt vor der Tür – die Hunde kümmern sich um ihn, aber die Menschen nehmen ihn nicht wahr. Erst als buchstäblich alles gelaufen ist, kommt der Reiche zur Einsicht und entwickelt Ideen für die, die zu seinem Haus und seiner Familie gehören, seine Brüder, damit nicht auch sie am Ende im Abseits landen.
Das Evangelium vom reichen Prasser und dem armen Lazarus nimmt diese Spannung auf, die wohl unauflöslich zu unserem menschlichen Dasein gehört: Wohlstand und materielle Sattheit können dazu führen, dass Leute nur noch in ihrer Blase leben und blind sind für die Not, die in der Welt herrscht. In unseren Tagen schreit das Elend von Gaza zum Himmel, aber auch vor unserer Haustür leben Menschen in Armut: das betrifft Kinder und alte Menschen in besonderer Weise. Den Graben der Hilflosigkeit sehen und spüren wir. Schmerzhaft. Und was machen wir? Wahrnehmen, nicht wegsehen, Zeichen der Wertschätzung setzen: das wäre schon mal ein Anfang.
Der reiche Mann im Evangelium hat keinen Namen; der Arme heißt Lazarus, und das heißt übersetzt: Gott hilft.
Gott hilft zuerst, wo Menschen die Sehfähigkeit ihres Herzens schärfen lassen. Wenn das Herz einmal berührt ist und sieht, worauf es ankommt, dann kommt auch der Mensch ins Handeln und entwickelt Ideen, die nicht erst irgendwann umgesetzt werden wollen. Was das Herz sieht, lässt uns nicht gleichgültig, das drängt zum Handeln.
„Im Gutestun, in der praktischen christlichen Liebestätigkeit müssen unsere katholischen Christen noch manches lernen, darin müssen sie das bereits Gelernte noch viel mehr üben.“
Es hat also seinen tiefen Sinn, wenn uns die Situation der Menschen in unserer Nähe und in der weiten Welt in einer Unruhe hält, die uns zum Handeln antreibt. Und es ist wohl auch so, dass Einzelne ihre Hilflosigkeit eher spüren als Menschen, die sich zusammentun, um zu helfen.
Lassen wir uns also von Gott aus dem Schlaf der Sicherheit aufwecken, damit wir sehen und ins Handeln kommen.
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